Kleine Anfrage des Abg. Lotz (SPD) vom 03.07.2018 betreffend Substitution von wegfallenden Hackholzmengen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Die FSC-Zertifizierung setzt voraus, dass "die Entnahme nicht genutzter Biomasse [ ... ] minimiert [wird]" (Standard 2.3) beziehungsweise "Nichtderbholz [ ... ] im Wald [verbleibt]" (Standard 3.0). Allerdings ist die Nichtderbholznutzung als feste Größe in der Klimabilanz und im Klimaschutzprogramm der Bundesrepublik Deutschland einkalkuliert; die Substitution mit Hölzern/Biomasse aus anderen Ländern stellt sowohl finanziell als auch ökologisch eine erhebliche Mehrbelastung dar. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Mengen Hackholz aus welchen Waldholzsortimenten wurden in den letzten zehn Jahren erzeugt und welche Mengen hiervon wurden den regionalen Biomassekraftwerken jährlich zur Verfügung gestellt (nach FSC und nicht FSC zertifizierten Wäldern unterteilt)? Seit 2010 wurden insgesamt 904.450 Schüttraummeter (SRM) Waldhackschnitzel erzeugt und den regionalen Biomasseheizkraftwerken zur Verfügung gestellt. Eine Aufteilung nach FSCund nicht FSC-zertifizierten Wäldern kann aufgrund der erst vor kurzem stufenweise eingeführten FSC-Zertifizierung des Hessischen Staatswaldes nicht aussagekräftig dargestellt werden. Frage 2. Wurde im Vorfeld der Zertifizierung eine Kalkulation der monetären Kosten und der ökologischen Folgen des Nichtderbholznutzungsverbotes durch z.B. weitere Transportentfernungen und andere ökologisch relevante Faktoren sowie der Auswirkungen auf das Klima erstellt? Wenn ja, wo sind die zugehörigen Dokumente zu finden? Wenn nein, warum nicht? Eine solche Untersuchung wurde von Hessen-Forst im Vorfeld der schrittweisen FSC- Zertifizierung nicht erstellt und war nicht erforderlich. Das Gutachten der Fa. Unique hat dieses Thema im Kapitel 3.1.2 aufgegriffen. Ein Verzicht auf die Nichtderbholznutzung, d.h. die Nutzung von Holz mit einem Durchmesser unter 7 cm, ist nach diesem Gutachten "besonders auf nähstoffarmen Waldböden ein Beitrag zum Erhalt natürlicher Nährstoffkreisläufe und sichert damit langfristig die Produktivität von Waldstandorten". Insgesamt sei "gegenüber dem Ist-Zustand eine leichte ökologische Aufwertung durch den Verzicht auf die Nichtderbholznutzung zu erwarten". Das Unique-Gutachten fasst die Ergebnisse im Fazit (Kapitel 4) wie folgt zusammen: "Im Vergleich zu den anderen Sachverhalten fallen gesamtbetrieblich betrachtet die zertifizierungsbedingten Einschränkungen bei der Nichtderbholznutzung insbesondere unter dem FSC-Standard 2.3 vergleichsweise gering aus". Weiterhin wird ausgeführt: "Bereits vor der Zertifizierung bestanden für Hessen-Forst Nutzungskonzepte, die die standortspezifische Nährstoffversorgung berücksichtigen und eine Nichtderbholznutzung auf den sensiblen Standorten ausschlossen." Die zwischenzeitlich vom Ministerium am 28.06.2018 herausgegebene Richtlinie für die Bewirtschaftung des Staatswaldes (RiBeS 2018) sieht vor, dass zur Erhaltung von Bodengüte und Nährstoffversorgung Standortkraft grundsätzlich keine Nutzung von Holz unter der Derbholzgrenze erfolgt. Eingegangen am 27. August 2018 · Bearbeitet am 28. August 2018 · Ausgegeben am 31. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6590 27. 08. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6590 Frage 3. Inwieweit wurde Kronenmaterial in diese Kalkulationen mit einbezogen? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 4. Welche Mengen Hackholz aus welchen Waldholzsortimenten wurden in den letzten 5 Jahren z.B. den Biomassekraftwerken zur Verfügung gestellt und welche Mengen Hackholz sind für die nächsten 5 Jahre vertraglich zugesichert worden? In den letzten fünf Jahren (2012 bis 2017) wurden folgende Mengen an Schüttraummetern Hackholz aus folgenden Waldholzsortimenten den Biomassekraftwerken zur Verfügung gestellt: Kronenholz 207.000 SRM, Holz aus Wegeaufhieb 15.300 SRM, Waldpflegeholz aus Fällerbündler -Maßnahmen 200.000 SRM, Restholz im Rahmen von Waldschutzmaßnahmen 138.000 SRM, Industrieholz 49.000 SRM. Für die nächsten Jahre bestehen ausschließlich Lieferverpflichtungen über jährlich ca. 6.500 to/atro (das entspricht in etwa 25.000 bis 30.000 SRM, der Umrechnungsfaktor ist je nach Baumart sehr unterschiedlich). Frage 5. Welche Mengen Nichtderbholz, welche Mengen Kronenholz und welche anderen Mengen potenziell energetisch nutzbarer Biomasse verbleiben im Wald; vor der FSC-Zertifizierung erster Flächen und nach vollständiger FSC-Zertifizierung der gesamten Fläche von HessenForst AöR? Vorangestellt wird der Hinweis, dass Hessen-Forst keine rechtlich selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), sondern seit 2001 ein Landesbetrieb des Landes Hessen nach § 26 LHO ist. Es bleibt sogenanntes X/FE-Holz im Wald, darunter wird eingeordnet Nichtderbholz (<7 cm Durchmesser) und Derbholz (> 7 cm Durchmesser, am schwächeren Ende gemessen), das aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen im Wald verbleibt. Im Jahr 2010 verblieben rund 374.000 Festmeter und im Jahr 2017 rund 218.200 Festmeter als X/FE-Holz im Staatswald, ein Teil des stärkeren Holzes davon wurde aber wiederum von privaten und gewerblichen Selbstwerbern als Brennholz genutzt. Für den Staatswald des Landesbetriebs Hessen-Forst gibt es keine genauen Erhebungen, welche Mengen potenziell nutzbarer Biomasse vor einer und nach einer FSC-Zertifizierung im Wald verbleiben würden. Durch die FSC-Zertifizierung wird die potenziell nutzbare Biomasse durch das Nichtderbholzverbot einerseits geringer. Gleichzeitig aber lässt die FSC-Zertifizierung auch Ausnahmen für eine Nutzung zu. Frage 6. Wie werden die laufenden Verträge aktuell bedient, wenn durch den FSC die Nutzung von Nichtderbholz untersagt ist? Woher stammen diese Mengen und wie wirkt sich die Alternativbeschaffung auf die Klimabilanz und den verbleibenden Rohholzmarkt aus; gibt es Engpässe? Der FSC-Standard sieht verschiedene Ausnahmetatbestände vor, unter denen die Nutzung von Nichtderbholz zulässig ist. Solche Ausnahmen gelten grundsätzlich für Verkehrssicherungs-, Böschungspflegemaßnahmen oder das Schneiden von Lichtraumprofilen entlang von Wegen und öffentlichen Straßen, wenn eine Rückführung in den Bestand wirtschaftlich nicht zumutbar ist, weiterhin auch für Nutzungen aus einem Gassenaufhieb - nur bei Ersterschließung und nur maximal alle 40 m Abstand; bei naturschutzfachlich begründeten Maßnahmen gemäß Nr. 6.4 deutscher FSC-Standard 3.0, der Nutzung von Weihnachts- und Maibäumen und bei Waldschutzmaßnahmen in Nadelholzbeständen, die auf Grundlage eines Kalamitätspräventions-Konzeptes als besonders gefährdet eingestuft werden. Im Rahmen dieser Ausnahmetatbestände wird zertifizierungskonform in Einzelfällen weiterhin Nichtderbholz auch in FSC-zertifizierten Forstämtern genutzt und für entsprechende Verträge geliefert. Ansonsten werden laufende Verträge bisher aus nicht-FSC-zertifizierten Betrieben des betreuten Kommunal- und Privatwalds oder mit Derbholz aus dem Staatswald beliefert. Da dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Mengenströme und alternativen Beschaffungsmärkte der einzelnen Abnehmer nicht bekannt sind, können keine Aussagen über die Klimabilanz und mögliche Engpässe gemacht werden. Pauschale Aussagen hierzu sind ohnehin nicht möglich, da entsprechende Heizkraftwerke ihren Bedarf üblicherweise aus unterschiedlichsten Quellen decken und Waldhölzer vielfach nur einen geringen Teil dieses Materials ausmachen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6590 3 Ein Vertrag mit nennenswerten Mengen Waldhackholz ist nach zehn Jahren Laufzeit 2018 regulär ausgelaufen und beendet. Ein weiterer Vertrag mit einem regionalen Holzheizkraftwerk (HHKW) wird nach wie vor noch regulär beliefert. Die Mengen hierzu stammen aus den vorstehend bezeichneten Quellen der unmittelbaren Region bis zu 70 Kilometer um den Standort des HHKW. Lieferengpässe sind derzeit nicht abzusehen. Frage 7. Gibt es für HessenForst AöR ein Nährstoffmanagementsystem und wenn ja, geht aus diesem die Nährstoffversorgung der einzelnen Standorte hervor? Wenn ja, auf welchen Flächen wäre eine Nährstoffunterversorgung durch die Entnahme von Nichtderbholz festzustellen? Hessen führt periodisch eine Bodenzustandserhebung (BZE) durch. Auf dieser Basis sind für die forstlichen Standorte Hessens Empfehlungen entwickelt worden ("Nährstoffmanagement- System"), die beispielsweise in die Vorgaben zur Kompensationskalkung ebenso eingeflossen sind wie in die Regelungen des Landesbetriebs Hessen-Forst zur Nutzung von Nichtderbholz. Diese Regelungen verhindern, dass die Nährstoffbilanz durch Holznutzungen dauerhaft negativ werden könnte. Dies gilt insbesondere für Laubwälder auf schwach nährstoffversorgten Standorten , wo ein sehr großer Teil der Nährstoffe in Laub, Rinde und Feinreisig gebunden ist. Insbesondere für diese Standorte sind klare betriebliche Regelungen hinsichtlich Intensität und Zeitpunkt einer Nichtderbholznutzung getroffen worden. Im Weiteren sind die Vorgaben der Zertifizierungssysteme PEFC und FSC zu beachten, die beispielsweise in der FSC-Version 3.0 lauten: "Nichtderbholz verbleibt in der Regel im Wald." Die Nutzung ist auf die bereits mit Antwort zu Frage 6 aufgeführten Ausnahmen beschränkt. Betrieblich wird dies unter anderem durch die Vertragsbedingungen für die Erbringung von Unternehmerleistungen im Landesbetrieb Hessen-Forst (VB-U), die Geschäftsanweisung "N30 Brennholz-Selbstwerbung", durch die Waldbaufibel und die Energieholzleitlinie umgesetzt. Im Rahmen der Naturalkontrolle erfolgt die Dokumentation des Zeitpunktes, von Fläche und Volumen der Nutzung durch Hessen-Forst. Die standortangepassten Nutzungsszenarien sind in enger Zusammenarbeit mit der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NWFVA) erarbeitet worden und werden regelmäßig den wissenschaftlichen Erkenntnissen, so der Bodenzustandserhebung (BZE) angepasst. Frage 8. Wurden die Auswirkungen des Verbleibens von Nichtderbholz und Kronenmaterial auf die Arbeitssicherheit kalkuliert? Wenn ja, wo finden sich diese Dokumente? Ja. Nach Arbeitsschutzgesetz ist für jeden Arbeitsauftrag eine Gefährdungsanalyse zu erstellen, in der standardmäßig auch auf vorkommendes Kronenmaterial hingewiesen wird. Die Dokumente sind im Arbeitsschutzhandbuch Hessen-Forst hinterlegt. Frage 9. Wurden Verträge mit Abnehmer von Hackholz gekündigt oder nicht verlängert aufgrund der Nichtnutzung durch den FSC? Ein Vertrag mit zwei Holzheizkraftwerken ist aktuell nach Ende der Vertragslaufzeit ausgelaufen und nicht verlängert worden. Hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Zudem ist für Biomasse-Kraftwerke Landschaftspflegeholz aufgrund höherer EEG-Boni attraktiver . Ein Neuvertrag wurde aus verschiedenen Gründen nicht angestrebt. Frage 10. Wurde mit dem FSC diskutiert, warum nur in der BRD die Nichtderbholznutzung untersagt ist, in allen anderen Ländern der Europäischen Union aber erlaubt? Nein. Wiesbaden, 15. August 2018 Priska Hinz