Kleine Anfrage des Abg. Lotz (SPD) vom 03.07.2018 betreffend Flächenstilllegung und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Für eine erfolgreiche FSC-Zertifizierung nach dem Standard 2.3 schreibt dieser vor, dass 5 % der Holzbodenfläche als Naturschutzflächen aus der Bewirtschaftung genommen werden; nach dem Standard 3.0, der für nach dem 01.06.2018 zertifizierte Flächen angewendet wird, sind es 10 %. Mit dieser Forderung gehen jedoch wirtschaftliche Folgen einher, die unter anderem Verdienstausfall für den Forstbetrieb, Arbeitsplatzwegfall im Cluster Holz und dem Beschaffung von Ersatzmengen Holz zur Folge haben. Im vom Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei der Firma UNIQUE in Auftrag gegebenen Gutachten finden sich hierzu leider gar keine Angaben. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Holzmengen in Volumen und mit welchen monetären Werten aufgeteilt nach Holzarten stehen HessenForst AöR durch die Nichtbewirtschaftung von 10 % der Holzbodenfläche nicht mehr zur Vermarktung zur Verfügung und aus welchen Ländern, aus welchen Waldformationen werden diese überwiegend substituiert? Vorab ist anzumerken, dass der Landesbetrieb nicht eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), sondern ein Landesbetrieb nach § 26 LHO ist. Der Bund fordert in seiner nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt die Waldeigentümer der öffentlichen Hand auf, bis 2020 die natürliche Waldentwicklung auf 10 % der Waldfläche in ihrem Eigentum dauerhaft festzuschreiben. Damit wäre das nationale Ziel, dass in allen Wäldern 5 % der Fläche der natürlichen Entwicklung überlassen wird, erfüllt. Ziel der Hessischen Biodiversitätsstrategie ist ebenfalls, den Anteil nicht wirtschaftlich genutzter Wälder an der gesamten Waldfläche auf 5 % zu steigern. Die Nichtbewirtschaftung von 10 % Holzboden im Hessischen Staatswald entspricht einer Fläche von rund 32.000 Hektar. Im Rahmen der bestehenden Kernflächen der Tranche 1 und 2 stehen bisher rund 25.500 ha für eine vom Menschen weitgehend unbeeinflusste Waldentwicklung für die Verbesserung der Biodiversität dauerhaft zur Verfügung. Auf diesen Flächen entgehen dem Staatswald hier rechnerisch jährliche Nutzungsmöglichkeiten von rund 95.000 Erntefestmetern (Efm). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese Nutzungsmöglichkeiten auf einem Großteil der Fläche auf der Basis der Inventuren nur noch grob abschätzen lassen, da für diese Flächen keine waldbauliche Planung oder Hiebssatzplanung, wie z.B. für Flächen des Nationalparks oder für bestimmte Naturschutzgebiete, mehr besteht. Als monetärer Wert wird der Holzgelderlös, basierend auf den im Staatswald erzielten Mittelwerten aller Holzsorten der Baumartengruppen Eiche, Buche, Fichte, Kiefer der Jahre 2015-2017, 2017 analog zu der üblichen Bewertungspraxis von Forstsachverständigen auf der Basis der Waldbewertungslinie des Bundes zur Trendberücksichtigung doppelt gewichtet. Dieser verteilt sich auf die Baumartengruppen mit Menge und monetärem Wert in etwa wie folgt: Eiche rund 11.000 Efm/Jahr (Wert 1.045.000 €/Jahr), Buche rund 65.000 Efm/Jahr (Wert 3.705.000 €/Jahr), Fichte rund 13.000 Efm/Jahr (Wert 897.000 €/Jahr) und Kiefer rund 6.000 Efm/Jahr (Wert 366.000 €/Jahr). Die geplante Auswahl der Flächen der Tranche 3 zur Erreichung des 10 %-Ziels ist noch nicht abgeschlossen . Eingegangen am 5. September 2018 · Bearbeitet am 6. September 2018 · Ausgegeben am 10. September 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6592 05. 09. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6592 Die Frage nach der Substitution dieser Holzmengen bzw. ihrer räumlichen Verortung kann nicht beantwortet werden, da dies durch die Holz verarbeitende Industrie in Abhängigkeit von der zukünftigen Marktlage erfolgen und gesteuert werden wird. Frage 2. Mit welchem Betrag werden diese aus der Bewirtschaftung genommenen Flächen zu welchem Zeitpunkt abgeschrieben und wie genau setzt sich der Abschreibungsbetrag zusammen? Gibt es hierfür rechtssicherere Vorgabewerte? Der Buchwert des Staatswaldes ist ein Festwert, der zur Gründung des Landesbetriebs als Bilanzgrundlage ermittelt wurde. Abschreibungen auf diesen Festwert werden nach den getroffenen Konventionen der Neuen Verwaltungssteuerung nicht vorgenommen, da über den Grundsatz der Massennachhaltigkeit des Waldes die aufstockende Holzmenge jährlich nur größer, nicht jedoch kleiner wird. So ist auch eine Abschreibung der Bestandswerte der stillgelegten Flächen nicht vorgesehen, da das Waldvermögen mit Verzicht auf Holznutzung nicht verloren geht. Lediglich im Fall von außergewöhnlichen Großkalamitäten (wie beim Orkanereignis Kyrill ) erfolgt eine ausnahmsweise Abschreibung, die jedoch über eine entsprechende Laufzeit (50 Jahre) bis zum Erreichen des ursprünglichen Wertes bilanztechnisch wieder zugeschrieben wird. Frage 3. Warum wurde UNIQUE nicht aufgefordert, die Abschreibung der stillgelegten Flächen als wesentlicher Kostenfaktor mit zu berücksichtigen? Hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 4. Warum wurde UNIQUE nicht aufgefordert, den Wegfall der Arbeitsplätze entsprechend auf die gesamte Fläche zu kalkulieren, sondern nur für die noch stillzulegende Fläche? Die Erkenntnisse hätten für die Hessische Landesregierung keine Relevanz gehabt, da sie uneingeschränkt zum Personalkonzept HessenForst 2025 steht. Frage 5. Wird der Wertverlust durch die Nichtnutzung der stillgelegten Flächen für HessenForst AöR ausgeglichen ? Wenn ja, mit welchen jährlichen Beträgen wurde dies für die letzten 5 Jahre veranschlagt und aus welcher Haushaltsposition kommen diese Summen? Für den Nutzungsentgang auf den Kernflächen der zweiten Tranche im Staatswald des Landes Hessen (Erweiterung auf 8 % Stilllegungsfläche) erhält der Landesbetrieb Hessen-Forst seit dem Jahr 2015 im Rahmen der Haushaltsaufstellung einen jährlichen kameralen Zuschuss i.H.v. 1,3 Mio. €. Nach Auswahl, Ausweisung und Stilllegung der Flächen der 3. Tranche im Staatswald des Landes Hessen (Erweiterung auf 10 % Stilllegungsfläche), soll der Landesbetrieb Hessen-Forst ab 2020 im Zuge der Haushaltsplanung hierfür dann jährlich zusätzlich einen weiteren kameralen Zuschuss i.H.v. 2,2 Mio. € erhalten. Siehe Landeshaushaltsplan für die Haushaltsjahre 2018 und 2019, Einzelplan 09 Kapitel 09 60 / Buchungskreisnummer 2850, Wirtschaftsplan Landesbetrieb Hessen- Forst und Nationalparkamt Kellerwald-Edersee, unter A. Vorbemerkungen, Seite 391. Frage 6. Mir ist bewusst, dass genaue Zahlen unmöglich zu errechnen sind, daher bitte ich um eine möglichst genaue Abschätzung: Wie viele Arbeitsplätze gehen durch die Stilllegung von 10 % der Holzbodenfläche im direkten ersten Verarbeitungsschritt in Forstwirtschaft und Verwaltung verloren und wie viele gehen in der nachrangigen Produktionskette verloren, aufgeteilt nach z.B. Fuhrunternehmen, Säge-/Spanerwerke, Plattenproduktion/Papierproduktion, Industrielle Holzverarbeitung (z.B. KVH Produktion, Leimbinder/Leimholzproduktion. Welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen z.B. in Form von Gehältern stehen dem allgemeinen Konsum damit nicht mehr zur Verfügung? Seitens des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz können zu der Fragestellung keine Abschätzungen abgegeben werden, da jede Antwort spekulativ wäre. Frage 7. Wie wird die CO2-Gesamtbilanz durch die Stilllegung von 10 % der Holzbodenfläche, betrachtet auf die nächsten 50 Jahre in Zehn-Jahres-Schritten, inklusive der Einbeziehung von externen Faktoren durch Ersatzbeschaffung, verändert? Die 3. Bundeswaldinventur (BWI³ 2012) hat für den Hessischen Staatswald einen durchschnittlichen Holzvorrat von rund 330 Vorratsfestmeter (Vfm) ermittelt. Der durchschnittliche, laufende Zuwachs wurde mit rund 10,8 Vfm je Jahr und Hektar über alle Altersbereiche und Baumarten hergeleitet. Auf den stillgelegten Waldflächen werden sich die durchschnittlichen Vorräte in den nächsten 50 Jahren voraussichtlich erhöhen. Eine exakte Prognose ist allerdings sehr schwierig und unsicher, da der laufende Zuwachs von den Baumartenanteilen (Nadelbäume leisten in bestimmten Altersphasen einen 1,5fach bis 2fach höheren Zuwachs als vergleichbare Laubbäume) und den Altersphasen (ältere Wälder leisten weniger Zuwachs als junge und mittel- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6592 3 alte Wälder) abhängig ist. Des Weiteren können zu erwartende Kalamitäten (aufgrund des Klimawandels weiter steigende Risiken, jüngst Friederike am 18. Januar 2018) und deren Ausmaße nicht vorhergesehen werden. Die Zuwachshöhe der stillgelegten Wälder liegt aufgrund des hohen Anteils von Laubwäldern unter dem beschriebenen Landesdurchschnitt. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass ein gewisser Teil des Zuwachses (etwa 1 Vfm/ha) jährlich das sich zersetzende Totholz speist. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass aufgrund der Zunahme warmtrockener Jahre, mit ungünstigen Bedingungen für das Waldwachstum, das Zuwachsniveau voraussichtlich sinken wird. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren, jedoch unbeachtlich eventueller Kalamitäten, könnte sich der Durchschnittsvorrat auf den stillgelegten Flächen in einer Dekade um etwa 50 bis 60 Vfm/ha erhöhen. Dies entspräche einer Zunahme der Senkenleistung der Ökosysteme je Jahrzehnt von etwa 28 t CO2/ha bzw. von etwa 0,9 Mio. t CO2 für die Prozessschutzfläche. Die CO2-Gesamtbilanz des Landes wird sich bezogen auf den aufstockenden Holzvorrat somit zunächst weiterhin verbessern. Es ist aber zu erwarten, dass diese Nettoeffekte zeitlich begrenzt sind und sich auf großer Fläche (Prozessschutzflächen von rund 32.000 Hektar), nach einer Phase steigender Vorräte, durch Kalamitäten verursacht auch wieder kurze Phasen sinkender Vorräte einstellen werden vor einem erneuten Anstieg bis zu einem relativen Gleichgewichtsvorrat . Welche Effekte eine Veränderung der Rohstoffbeschaffungswege der Nachfrageseite auf die CO2-Bilanz des Landes hat, kann nicht abgeschätzt werden. Frage 8. Da im Gutachten von UNIQUE leider in der Kostenkalkulation nicht immer ersichtlich ist, ob die Gesamtflächen oder nur die noch zu zertifizierenden Flächen einberechnet wurden, frage ich. Gibt es eine Aufstellung der gesamten Mehrkosten der Waldbewirtschaftung unter FSC für die Gesamtfläche des hessischen Staatswaldes? Und wenn ja, welche Kosten wurden dabei ermittelt? Die im Gutachten von UNIQUE dargestellten Kalkulationen für zukünftige Kosten und Erlöse beziehen sich grundsätzlich auf die Gesamtfläche des Staatswaldes. Die gewünschten Informationen liegen daher - auch für den Gesamtbetrieb (Ziffer 4. des Gutachtens) - vor. Wiesbaden, 23. August 2018 Priska Hinz