Kleine Anfrage des Abg. Lotz (SPD) vom 03.07.2018 betreffend Rückegassenabstände und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Durch die bereits teilweise vollzogene sowie in Vollendung für die nächsten Jahre geplante FSC-Zertifizierung des hessischen Staatswaldes ergibt sich bei den Rückegassen ein Konflikt zwischen den FSC-Forderungen und den gesetzlichen Vorgaben. Der FSC fordert sowohl im Standard 2.3 (gültig für zertifizierte Flächen vor dem 01.06.2018) als auch im Standard 3.0 (gültig ab 01.06.2018) einen Rückegassenabstand zwischen 30 und 40 m. Eine Umgestaltung des Gassennetzes würde u.a. eine motormanuelle Zufällung bei der Holzernte notwendig machen. Diese bedeutet jedoch ein massiv erhöhtes Sicherheitsrisiko für Waldarbeiter. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. In welchen Waldformationen und Bestandsaltern sind welche Rückegassenabstände im Landesbetrieb Hessenforst AöR geregelt und etabliert? Nach FSC-Standard 2.3, Prinzip 6.5.4, wird grundsätzlich ein Rückegassenabstand von 40 Metern angestrebt, jedoch kann der Forstbetrieb "notwendige Abweichungen […] fachlich nachvollziehbar " begründen. Dabei ist ein Gassenabstand von unter 20 Metern ausgeschlossen. Für den FSC-zertifizierten Staatswald wurde entsprechend dieses Indikators gegenüber dem zertifizierenden Unternehmen dargelegt, dass in jüngeren Beständen geringere Rückegassenabstände notwendig sind. Konkret richtet sich der zulässige Mindestabstand nach dem jeweiligen Waldentwicklungsstadium . In den aktuell gültigen Regelungen sind danach im Differenzierungs- bis zum Ausreifungsstadium Abstände von ≥ 20 Metern möglich. Auch können in älteren Beständen bestehende Feinerschließungssysteme von ≥ 30 Metern übernommen bzw. sinnvoll angepasst werden. Der FSC-Standard 3.0 regelt im Indikator 10.10.7, dass aktuell nicht mehr als 13,5 % der bewirtschafteten Holzbodenfläche [eines Forstbetriebs] als Rückegassen genutzt werden. Zukünftig wird gemäß Indikator 10.10.6 angestrebt, nicht mehr als 10 % der bewirtschafteten Holzbodenfläche als Rückegassen zu befahren. Im Rahmen der Umsetzung des neuen FSC-Standards 3.0 wird der Landesbetrieb Hessen-Forst eine Neuregelung der Erschließungsrichtlinie erstellen , um die Anforderungen der Indikatoren 10.10.6 und 10.10.7 zu erfüllen. Dieses muss nach den FSC-Regularien bis zum 31. Mai 2019 gegenüber dem zertifizierenden Unternehmen dargelegt werden. Wie diese Regelung konkret aussehen wird, kann erst nach diesem Prozess beschrieben werden. Sowohl der Standard 2.3 als auch der Standard 3.0 sehen damit für den zertifizierten Forstbetrieb Möglichkeiten vor, ein dauerhaftes, gelände- und bestandesangepasstes Feinerschließungssystem zu entwickeln, das auch geringere Rückengassenabstände als 40 Meter beinhaltet. Frage 2. Welche konkrete Lösung haben Sie für die bisher zertifizierten Flächen und welche für die noch zu zertifizierenden Flächen für den Konflikt gefunden, dass die FSC-Forderung bei vorhandenen engeren Rückegassenabständen nicht mit der Gesetzeslage vereinbar ist? Wie in der Antwort zu Frage 1 beschrieben, lässt der FSC-Standard fachlich begründete Abweichungen vom angestrebten Gassenabstand von 40 Metern ausdrücklich zu. Mit entsprechenden Arbeitsverfahren in der Holzernte, wie zum Beispiel seilunterstützte Verfahren , kann auch ein motormanuelles Zufällen unter Berücksichtigung der Arbeitsschutzvorga- Eingegangen am 22. August 2018 · Bearbeitet am 23. August 2018 · Ausgegeben am 28. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6593 22. 08. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6593 ben durchgeführt werden. Ein Konflikt, wie in Fragestellung und Vorbemerkung ausgeführt, liegt nicht vor. Frage 3. Wurden, werden aktuell oder werden zukünftig Gassensysteme im hessischen Staatswald nach den Forderungen des FSC umgebaut? Wenn ja, welcher Anteil der Gesamtfläche ist hiervon betroffen, in welchen Bestandsaltern, welche Umbauten sind geplant und welcher Zeitraum ist hierfür vorgesehen? In der Vergangenheit haben bereits Anpassungen stattgefunden, und auch zukünftig können Anpassungen erforderlich werden. Mögliche Anpassungen werden beispielsweise in der Aufgabe von Gassen, der Neuerschließung oder auch der Optimierung vorhandener Systeme liegen. Die Anpassungen an den neuen FSC-Standard 3.0 erfolgen bis zum 31. Mai 2019. Da der aus den Anforderungen des FSC-Standards 3.0 resultierende Anpassungsbedarf derzeit noch ermittelt wird, kann bezüglich des Umfangs keine Aussage getroffen werden. Frage 4. Wurde vor der FSC-Zertifizierung erster Flächen im hessischen Staatswald eine entsprechende Einschätzung der Konformität von FSC-Standard und den deutschen Gesetzen vorgenommen? Falls ja, wo finden sich die zugehörigen Dokumente? Ein Auseinanderfallen des FSC-Standards Deutschland mit gesetzlichen Bestimmungen ist weder dem Landesbetrieb Hessen-Forst noch dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bekannt. Vielmehr setzen die Kriterien und Indikatoren nachhaltiger Waldbewirtschaftung auf den Regelungen des Bundeswaldgesetzes und der Länderwaldgesetze auf. Frage 5. Ist der Konflikt mit Verantwortlichen des FSC beziehungsweise des akkreditierten Zertifizierers diskutiert worden oder wird er diskutiert? Falls ja, wie lautet der abschließende Konsens? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Im Rahmen der seither nach Standard 2.3 durchgeführten Audits wurden bei der Abstimmung zu Rückegassenabständen mit dem zertifizierenden Unternehmen unter anderem auch arbeitsschutzrechtliche Aspekte vom Landesbetrieb Hessen- Forst einbezogen. Ein Konflikt, wie in Fragestellung und Vorbemerkung ausgeführt, liegt nicht vor. Frage 6. Wurde für die bisher zertifizierten Flächen und/ oder die noch zu zertifizierenden Flächen eine Ausnahmeregelung mit dem FSC oder mit akkreditierten Zertifizierern vereinbart? Wenn ja, wie lautet diese Ausnahmeregelung? In der Antwort zu Frage 1 wurde die aktuell gültige Regelung beschrieben. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine "Ausnahme", sondern um die konkrete Umsetzung der Regelungen des deutschen FSC-Standards. Frage 7. Haben der FSC, lmoSwiss oder andere akkreditierte Zertifizierer vor, während oder nach dem Zertifizierungsprozess für bereits zertifizierte oder zukünftig geplante Flächen darauf hingewiesen , dass auf die Nichteinhaltung der Vorgaben zu einem derart zentralem Thema des deutschen FSC-Standard nur mit einem Major CAR reagiert werden kann? Wurde bereits ein Major CAR ausgesprochen? Sowohl dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als auch dem ausführenden Landesbetrieb Hessen-Forst ist bekannt, welche Folgen aus der Nichteinhaltung von FSC-Standards resultieren. Wie beschrieben sind die aktuellen Vorgaben zur Feinerschließung jedoch mit dem Zertifizierer abgestimmt und wurden während der Audits nicht bemängelt. Ein Major CAR (Vorbedingung) besteht hierzu nicht. Frage 8. Wurde oder wird HessenForst AöR angewiesen, mit den vom FSC geforderten Veränderungen der Rückegassenabstände in Verbindung stehenden Schäden (am Bestand, Boden; Arbeitsunfälle) zu dokumentieren und ist die Ministerin bereit, die Verantwortung hierfür zu übernehmen? Eine entsprechende Anweisung zur Dokumentation besteht gegenüber dem Landesbetrieb Hessen -Forst nicht. Der Landesbetrieb legt - unabhängig von einer Zertifizierung - Wert darauf, Schäden an Boden und Bestand zu vermeiden. Ebenso ist Arbeitsschutz im Landesbetrieb ein übergeordnetes Ziel. Die Vermeidung von Schäden an Gesundheit und Umwelt wurden bereits vor der FSC-Zertifizierung in den Arbeitsaufträgen und integrierten Gefährdungsbeurteilungen stets berücksichtigt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6593 3 Die in der Fragestellung dargestellte kausale Verknüpfung unvermeidbarer, singulärer Ereignisse , wie Rückeschäden oder Arbeitsunfällen, mit der erfolgten FSC-Zertifizierung kann fachlich nicht nachvollzogen werden. Frage 9. Sollte es bisher und in Zukunft keine Umbauten aufgrund von Ausnahmegenehmigungen geben, die den Status Quo dem FSC-Standard 2.3 und 3.0 (die sich ja immerhin auch unterscheiden) anpassen , wo liegt dann fachlich der Unterschied zwischen vorheriger Praxis und Bewirtschaftung unter FSC? Wie bereits in den vorstehenden Antworten bezeichnet, besteht für Rückegassenabstände keine Ausnahmegenehmigung. Die Erschließung wird erforderlichenfalls entsprechend der Vorgaben des jeweils gültigen FSC-Standards angepasst. Vor der FSC-Zertifizierung bestand im Landesbetrieb Hessen-Forst die Vorgabe, einen Mindestabstand der Rückegassen von 20 Metern einzuhalten. Gegebenenfalls konnte standortabhängig eine Erhöhung dieses Wertes vorgesehen werden. Auch war die Option gegeben, bestehende Gassenabstände von 30 Metern beibehalten zu können, sofern deren Eignung gegeben war. Ausgehend von dieser Regelung vor der Einführung von FSC im Staatswald werden in Waldentwicklungsstadien , die insbesondere für eine hochmechanisierte Holzernte geeignet sind, Rückegassenabstände in einem nennenswerten Umfang anzupassen sein. Wiesbaden, 8. August 2018 Priska Hinz