Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 03.07.2018 betreffend Abschaffung des Zentralabiturs an Schulen für Erwachsene durch die Landesregierung und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Die Landesregierung beabsichtigt das spezifische an den Lernbedingungen der Schulen für Erwachsene (SfE) sowie an den Lebensbedingungen der Studierenden der SfE ausgerichtete Zentralabitur für die SfE abzuschaffen . Das bisherige Zentralabitur SfE war für das 5 x 4 Modell (fünf Prüfungsfächer vierstündig statt 3/5) aus der Sicht betroffener Schulen ideal, da kleine Systeme aus Erfahrung kein herkömmliches Kurssystem durchführen können. So wird bislang durch die vierstündigen Kurse auch die Grundbildung gestärkt, was für den Zweiten Bildungsweg sehr wichtig ist, da nicht auf eine gemeinsam durchlaufene Sekundarstufe I aufgebaut werden kann. Dieses Modell wurde auch erfolgreich vom Auslandsschuldienst übernommen, Von Vorteil ist das 5 x 4 Modell auch deshalb, weil die Stundentafel insbesondere an den Abendschulen nicht unendlich ausgeweitet werden kann. Vorbemerkung des Kultusministers: Im Oktober 2012 wurde seitens der Kultusministerkonferenz (KMK) vereinbart, dass die Länder die Bildungsstandards für die allgemeine Hochschulreife - mit Ausnahme der Berufsoberschulen - in allen Bildungsgängen, die zur allgemeinen Hochschulreife führen, als Grundlagen der fachspezifischen Anforderungen übernehmen und standardbasierte Abiturprüfungen vorsehen. Daraus leitet sich die Aufgabe ab, die Bildungsstandards für die allgemeine Hochschulreife in Hessen zu implementieren und anzuwenden. Dies gilt für den ersten und zweiten Bildungsweg gleichermaßen . Die zum Abitur führenden Bildungsgänge an den Schulen für Erwachsene (SfE) finden seit Beginn des Schuljahres 2017/2018 auf Grundlage des hessischen Kerncurriculums Gymnasiale Oberstufe (KCGO) statt. Damit werden die alten Lehrpläne ersetzt und die nationalen Bildungsstandards erlangen im zweiten Bildungsweg ab dem Landesabitur 2020 Geltung. Die organisatorische Ausgestaltung und die pädagogischen Bedingungen an den SfE unterscheiden sich vom ersten Bildungsweg. Die Verordnung zur Ausgestaltung der Schulen für Erwachsene vom 13. September 2003 (ABl. S. 776, 904), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Januar 2017 (ABl. S. 32), besagt in § 1 Absatz 1: "Die Schulen für Erwachsene bieten eigenständige Wege, eine fundierte Allgemeinbildung und schulische Abschlüsse nachträglich zu erwerben. Diese Abschlüsse sind den entsprechenden Abschlüssen des allgemein bildenden Schulwesens gleichwertig." Aus der beschriebenen Änderung der curricularen Grundlagen ergeben sich Anpassungen im Landesabitur an den SfE, die den Schulen seit langem bekannt sind. So werden ab dem Landesabitur 2022 die Aufgabenvorschläge für die schriftlichen Abiturprüfungen im ersten wie im zweiten Bildungsweg von gemeinsamen Fachkommissionen der Hessischen Lehrkräfteakademie erstellt. 2020 werden erstmals identische Aufgabenvorschläge im grundlegenden Niveau (Grundkurs) geprüft. Die organisatorische Ausgestaltung und die pädagogischen Bedingungen der SfE werden durch spezifische inhaltliche Schwerpunktsetzungen gewahrt. Für das Landesabitur 2020 wurden diese mit dem im Amtsblatt Juli 2018 des Hessischen Kultusministeriums veröffentlichten Erlass "Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftlichen Abiturprüfungen im Landesabitur 2020 an den Schulen für Erwachsene (Abiturerlass)" festgeschrieben. Damit ist sogleich sichergestellt, dass die SfE am spezifischen und bewährten 5 x 4-Modell festhalten. Eingegangen am 13. August 2018 · Bearbeitet am 13. August 2018 · Ausgegeben am 16. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6596 13. 08. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6596 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wieso wird das Zentralabitur für die Schulen für Erwachsene (SfE) ab 2020 abgeschafft? Die Landesregierung beabsichtigt nicht, das spezifische, an den Lernbedingungen der Schulen für Erwachsene (SfE) sowie an den Lebensbedingungen der Studierenden der SfE ausgerichtete Landesabitur für die SfE abzuschaffen. Anpassungen ab 2020 ergeben sich aus der Änderung der curricularen Grundlage und durch die damit einhergehende Geltung der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife auch im zweiten Bildungsweg gemäß KMK-Beschluss. Die Änderung war den Schulen frühzeitig bekannt. So heißt es bereits in der "Verordnung über die Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe" vom 05.02.2016 in § 1 Absatz 2: "Die in Absatz 1 bezeichneten Kerncurricula für die dort genannten Fächer sind verbindliche Grundlagen für den Unterricht im Abendgymnasium und Hessenkolleg mit der Maßgabe, dass durch Erlass inhaltliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden können, welche die organisatorische Ausgestaltung und die pädagogischen Bedingungen der Schulen für Erwachsene berücksichtigen". Diese Schwerpunktsetzungen werden durch den im Amtsblatt Juli 2018 des Hessischen Kultusministeriums veröffentlichten Erlass "Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftlichen Abiturprüfungen im Landesabitur 2020 an den Schulen für Erwachsene (Abiturerlass)" fachspezifisch konkretisiert und festgeschrieben. Frage 2. Wie schätzt das Kultusministerium die Qualität des Zentralabiturs SfE in den Jahren 2006 bis 2018 ein? Das Kultusministerium ist mit der mit Einführung des Landesabiturs an den Schulen für Erwachsene im Jahr 2007 beabsichtigten Qualitätssicherung der schriftlichen Abiturprüfungen zufrieden . Die fortlaufende Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Landesabiturs an den SfE ist ein Anliegen der Bildungsverwaltung. Frage 3. Wurde das Zentralabitur SfE, das 2006 eingeführt worden ist, evaluiert und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Seit Einführung des Landesabiturs im Jahr 2007 erfolgt eine fortlaufende Qualitätssicherung durch die Bildungsverwaltung (Kultusministerium und Lehrkräfteakademie). Frage 4. Welche Konsequenzen hat die Abschaffung des Zentralabiturs für die Nichtschülerinnen und Nichtschüler, die bis 2019 ebenfalls die Abiturprüfung SfE ablegen? Wurden die Anbieter für Vorbereitungskurse (freie Träger, etc.) über evtl. Veränderungen vorab in Kenntnis gesetzt? Die Nichtschülerinnen und Nichtschüler, die den Abschluss der allgemeinen Hochschulreife über die Externenprüfung erwerben möchten, schreiben seit Beginn des Landesabiturs im Jahr 2007 die zentralen schriftlichen Abiturprüfungen wie im ersten Bildungsweg. Es ergeben sich daher keine Änderungen. Frage 5. Wie sollen die Studierenden an den SfE die Leistungskursklausuren für den Ersten Bildungsweg bewältigen, wenn dieser Bildungsgang am 5 x 4-Modell systembedingt festhalten muss? Die organisatorische Ausgestaltung der SfE mit dem bewährten 5 x 4-Modell wurde im Hinblick auf die schriftlichen Abiturprüfungen im erhöhten Niveau (Leistungskurs) berücksichtigt. Die inhaltlich-fachspezifischen Schwerpunktsetzungen führt der Erlass "Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftlichen Abiturprüfungen im Landesabitur 2020 an den Schulen für Erwachsene (Abiturerlass)" für das Landesabitur 2020 exemplarisch aus. Um der organisatorischen Ausgestaltung und den besonderen pädagogischen Bedingungen an den SfE Rechnung zu tragen, wurde fachspezifisch die verpflichtend zu bearbeitende Stofffülle festgelegt. Die Schwerpunktsetzungen spiegeln sich neben der Be- und Erarbeitungstiefe auch in der Zusammenstellung der Prüfungssets der schriftlichen Abiturprüfung wider. Besonders anschaulich lässt sich dies am Beispiel der Naturwissenschaften verdeutlichen. Hier wird ein prüfungsrelevantes Halbjahr der Qualifikationsphase curricular auf grundlegendem Niveau, aber dennoch vierstündig unterrichtet . Deshalb werden im erhöhten Niveau der SfE künftig Grundkursaufgaben des ersten Bildungsweges in die Bearbeitung einfließen. Die Bildungsverwaltung trägt dafür Sorge, dass den Studierenden an den SfE keine Aufgabenvorschläge vorgelegt werden - weder im grundlegenden noch im erhöhten Niveau –, die über die Schwerpunktsetzungen in den jeweiligen Erlassen "Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftlichen Abiturprüfungen im Landesabitur an den Schulen für Erwachsene (Abiturerlass)" hinausgehen. In den Fächern Deutsch und Mathematik, die Prüfungsbestandteil der Abiturprüfung sind, wird für alle Studierenden im erhöhten Niveau in den Kurshalbjahren Q3 und Q4 eine zusätzliche fünfte Unterrichtsstunde zugewiesen. Diese Unterrichtsstunde steht auch allen Studierenden im grundlegenden Niveau offen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6596 3 Frage 6. Wird sich die Landesregierung an die Vereinbarung halten, ab 2020 die Leistungsaufgaben des Zentralabiturs für die SfE aufbauend auf den gemeinsamen Grundkursaufgaben plus Zusatzaufgaben (auf Leistungskursebene) für das erhöhte Niveau für alle Prüfungsfächer zu gestalten, die von sehr viel kleineren Prüfungskommissionen der SfE erstellt werden? Eine solche Vereinbarung ist der Landesregierung nicht bekannt. Es erschließt sich nicht, mit wem eine solche Vereinbarung rechtsverbindlich hätte geschlossen werden können. Die Größe der jeweiligen Fachkommissionen hat keine Relevanz für die Aufgabenerstellung, die Zusammenstellung der Prüfungssets oder das Anforderungsniveau insgesamt. Frage 7. Ist rechtzeitig vor 2020 mit einem Erlass zu rechnen, der die Erstellung der Leistungskursklausuren für das Zentralabitur für die SfE für alle Prüfungsfächer im Sinne der Vereinbarung "Grundkursklausur + Zusatzaufgabe mit erhöhtem Niveau" konkretisiert und auch die Schwerpunktthemen entsprechend spezifiziert? Auf die Antwort zu Frage 6 und die o.g. "Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftlichen Abiturprüfungen im Landesabitur 2020 an den Schulen für Erwachsene (Abiturerlass)", die bereits alle notwendigen Informationen enthalten, wird verwiesen. Frage 8. Wird sich das HKM an die Vereinbarungen halten, in Vorbereitung auf das Zentralabitur 2020 für alle Prüfungsfächer eine zusätzliche Stunde als LK Modul alternierend innerhalb der Q-Phase zu installieren? Eine solche Vereinbarung ist der Landesregierung nicht bekannt. Es erschließt sich nicht, mit wem eine solche Vereinbarung rechtsverbindlich hätte geschlossen werden können. Die Landesregierung plant, am spezifischen und bewährten 5 x 4-Modell an den SfE festzuhalten , ergänzt um die Zuweisung einer fünften Stunde in Deutsch und Mathematik in den Halbjahren Q3 und Q4. In den weiteren Fächern machen die fachspezifischen inhaltlichen Setzungen im Abiturerlass eine Ausweitung der Stundentafel nicht notwendig. Frage 9. Wie sollen nach Ansicht der Landesregierung in einer Übergangszeit systematisch bedingte Unterschiede von Erstem und Zweitem Bildungsweg in Bezug auf die Ungleichbehandlung der Schüler des Ersten und Zweiten Bildungswegs grundsätzlich und nachhaltig behoben werden? Unterschiede sind grundsätzlich und zwischen allen Bildungsgängen und auch zwischen erstem und zweitem Bildungsweg zu verzeichnen. Es ist nicht Anspruch oder Ziel der Landesregierung , unterschiedliche Ausgangslagen und Bedürfnisse zu nivellieren oder zu "beheben". Deshalb erhalten alle Bildungsgänge die spezifische Ausgestaltung, um bestmöglich und individuell jede Schülerin und jeden Schüler sowie jede Studierende und jeden Studierenden im Rahmen der vorhandenen Begabungen optimal zu fördern und zu begabungsgerechten Schulabschlüssen zu führen. Eine herausragende Rolle zum Nachholen von Bildungsabschlüssen jenseits der Schulpflicht spielen die Schulen des zweiten Bildungsweges. Die Etablierung der Bildungsstandards mittels KCGO an den Abendgymnasien und Hessenkollegs leistet zur Sicherstellung der Qualitätsentwicklung , zur dauerhaften Leistungsfähigkeit und zur Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse einen entscheidenden Beitrag. Wiesbaden, 2. August 2018 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz