Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 04.07.2018 betreffend Flächen für die Logistikbranche in Hessen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragestellerin: Hessen ist einer der wichtigsten Logistikstandorte in Deutschland. Der "Verbrauch" an Flächen für Unternehmen der Logistikbranche hat in den letzten beiden Jahrzehnten stetig zugenommen. "Hessenweit besteht eine Nachfrage nach Flächen für Logistiknutzungen, die nur schwer gefunden werden, da das Negativ-Image der Branche (Lärm, Verkehrs- und Schadstoffbelastung) häufig gegen Ansiedlungen zu sprechen scheint."1 Problematisch ist zudem, dass Logistikzentren immer wieder auf guten Ackerböden errichtet werden. Anmerkung: Falls eine Beantwortung der Fragen nicht trennscharf für die Flächeninanspruchnahme durch die Logistikbranche erfolgen kann, bitten wir hilfsweise um Angaben für die nächst höhere Nutzungskategorie. Die Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Hessischen Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt: Frage 1. Wie hat sich seit dem Jahr 2000 in Hessen die von Unternehmen der Logistikbranche genutzte Fläche (ohne Straßenverkehrsfläche) entwickelt? (Angaben, wenn möglich unter Nennung des jährlichen Flächenzuwachses) Logistik ist die ganzheitliche, marktgerechte Planung und Steuerung sämtlicher Material-, Waren - und Informationsströme von den Lieferanten an die Empfänger (Beschaffungslogistik), innerhalb der Unternehmen (Produktionslogistik) sowie von den Unternehmen zu den Kunden (Distributionslogistik). Eine genaue statistische Erfassung des Flächenverbrauchs von Unternehmen der Logistikbranche ist nicht möglich, da die vom Hessischen Statistischen Landesamt auf Basis des Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystems (ALKIS) herausgegebene Flächenerhebung nicht nach Flächen für die Logistik differenziert. In den derzeit gültigen Regionalplänen Nord-, Mittel- und Südhessen sind auf Ebene einer im Sinne der Fragestellerin genannten nächst höheren Nutzungskategorie 32141 ha Vorranggebiete Industrie- und Gewerbe (davon Bestand 26353 ha bzw. Planung 5788 ha) ausgewiesen. Frage 2. Zu welchen Nutzungstypen bzw. Vorranggebieten gemäß den Flächennutzungsplänen gehörten die seit dem Jahr 2000 in Hessen neu von der Logistikbranche genutzten Flächen? (Wenn möglich unter Nennung der Flächennutzungstypen unter Angabe der jeweiligen Flächengrößen) Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser und Lagerplätze und damit Logistikunternehmen sind zulässige Nutzungen in gewerblichen Bauflächen bzw. Sonderbauflächen. In den Bebauungsplänen findet i.d.R. eine weitere Differenzierung statt (Gewerbe- und Industriegebiete gemäß §§ 8, 9 bzw. Sondergebiete (Logistik) gemäß § 11 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung). _______________________ 1 Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, 2007: Grundsatzpapier zur Situation der Logistik in Hessen, S. 4 Eingegangen am 18. September 2018 · Bearbeitet am 18. September 2018 · Ausgegeben am 21. September 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6599 18. 09. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6599 Entsprechende Gebiete sind aus den in den Regionalplänen festgelegten Vorranggebieten Industrie und Gewerbe zu entwickeln. Darüber hinaus sind beispielsweise im Regionalplan Nordhessen Standorte "Regionale Logistikzentren" in den o.g. Vorranggebieten Industrie und Gewerbe gekennzeichnet (ohne Angabe der Flächengröße), die für die Ansiedlung von logistisch orientierten sowie überwiegend verkehrsbezogenen und -abhängigen Unternehmen festgelegt sind. Frage 3. Welche Bodenbonitäten hatten die ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen (Acker, Grünland ), die seit dem Jahr 2000 neu von der Logistikbranche in Anspruch genommen wurden? Da statistische Angaben zu den durch die Logistikbranche in Anspruch genommenen Flächen nicht vorliegen, sind detaillierte Angaben zu den Bodenbonitäten ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht möglich. Flächen, die für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignet sind und dauerhaft für diese Nutzung erhalten bleiben sollen, sind in den Regionalplänen als Vorranggebiete für Landwirtschaft festgelegt. In diesen Vorranggebieten hat die landwirtschaftliche Nutzung Vorrang vor entgegenstehenden Nutzungen, wie sie beispielsweise die Logistikbranchennutzung darstellt. Frage 4. Welche Projekte der Flächeninanspruchnahme durch die Logistikbranche gibt es in Hessen aktuell und wie groß sind die Flächen jeweils? Die Landesregierung verfügt über keine umfassende Übersicht der Projekte bzw. der Flächeninanspruchnahme durch die Logistikbranche. Ein Großteil der großflächigen Ansiedlungen für die Logistikbranche fand und findet nach wie vor auf Konversionsflächen statt. Landwirtschaftlich genutzte Flächen werden aktuell u.a. bei Fuldatal, bei Bad Hersfeld und in Wölfersheim sowie durch das interkommunale Gewerbegebiet "Limes" an der A 45 bei Büdingen durch die Logistikbranche in Anspruch genommen. In Neu- Eichenberg ist der Bebauungsplan "Sondergebiet Logistik Hebenshausen" bestandskräftig. Frage 5. Zu welchen Nutzungstypen bzw. Vorranggebieten gemäß den Flächennutzungsplänen gehören die unter 4 genannten Flächen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Handelt es sich um eine Umnutzung von Konversionsflächen, waren diese vor ihrer Umnutzung in den Flächennutzungsplänen häufig als Sonderbauflächen (z.B. militärische Einrichtungen) dargestellt bzw. in den Regionalplänen als Vorranggebiet Bund festgelegt. Darüber hinaus können Projekte in den regionalplanerisch festgelegten Vorranggebieten Industrie und Gewerbe (Bestand und Planung) entwickelt werden. Bei den in den Regionalplänen als Vorranggebiet Industrie und Gewerbe (Planung) festgelegten Flächen handelt es sich i.d.R. um bislang landwirtschaftlich genutzte Flächen. Sofern darüber hinaus einzelne in den aktuellen Regionalplänen gesicherte Vorranggebiete für Landwirtschaft für eine raumbedeutsame gewerbliche Nutzung herangezogen werden sollen, bedarf es der Zulassung einer Zielabweichung. Über die Abweichung von Zielen im Regionalplan entscheidet die Regionalversammlung oder deren zuständiger Ausschuss im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 1 und 2 des Hessischen Landesplanungsgesetzes. Frage 6. Mit welchem Bedarf an Flächen für die Logistikbranche rechnet die Landesregierung in Zukunft? Die Landesregierung rechnet auch für die Zukunft mit einem weiteren Flächenbedarf durch die Logistikbranche. Die dritte Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (LEP) legt fest, dass der Bedarf an Gewerbe- und Industrieflächen, einschließlich Flächen für die Logistik, aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung sowie spezifischer Standortpräferenzen verschiedener Wirtschaftsbranchen differenziert zu betrachten und zu berücksichtigen ist. Die aktuellen Regionalpläne für die Planungsregionen Nord-, Mittel- und Südhessen enthalten ein umfassendes Angebot an Vorranggebieten für Industrie und Gewerbe, wobei insbesondere Vorranggebiete von überregionaler Bedeutung entlang der Entwicklungsachsen gute Voraussetzungen für verkehrsintensive gewerbliche Betriebe bieten. Zur Steuerung der Gewerbeflächenentwicklung soll die Regionalplanung gemeindeübergreifende Gewerbeflächenkonzepte unterstützen , die z.B. gewerbliche Schwerpunkte von überörtlicher Bedeutung mit einer besonderen Lagegunst vorsehen. Die gemeindeübergreifenden Gewerbeflächenkonzepte sollen in enger Abstimmung mit den Gemeinden, unter Beteiligung u.a. der Industrie- und Handelskammern und der Wirtschaftsförderung, erstellt werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6599 3 Frage 7. Welche Möglichkeiten sieht die Hessische Landesregierung, die Umnutzung von Flächen mit hoher Bodenbonität für andere Zwecke als der landwirtschaftlichen Nutzung zu verhindern? Die regionalplanerische Sicherung landwirtschaftlich genutzter Flächen als Vorranggebiete für Landwirtschaft schließt innerhalb dieser Vorranggebiete entgegenstehende Nutzungen aus. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Regionalplanung auch den sich aus den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den damit verbundenen Herausforderungen (z.B. Flächenbedarf für Wohnungen und Wirtschaft) Rechnung zu tragen hat. Die dritte Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (LEP) hat das im Rahmen der hessischen Nachhaltigkeitsstrategie beschlossene Flächensparziel, den Flächenverbrauch auf 2,5 ha/Tag bis 2020 zu reduzieren, aufgenommen. Zudem legt der LEP als Ziel der Raumordnung den Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung fest, d.h. dass vor der Festlegung zusätzlicher Siedlungsflächen im Außenbereich vorrangig die vorhandenen Innenentwicklungspotenziale zu nutzen sind. Dies gilt auch für die Eigenentwicklung. Ausnahmen sind zulässig, wenn eine weitere Innenentwicklung nicht möglich ist. Zudem sollen brachliegende und brachfallende Bauflächen, insbesondere Gewerbe-, Industrie- und Verkehrsflächen, möglichst einer neuen Nutzung zugeführt werden. Maßgebliche Instrumente zur Erreichung der Zielsetzung sind: Regionales Flächenmanagement: Unterstützung und Forcierung von regional/ interkommunal abgestimmten Flächenentwicklungen, Umsetzung des Handlungsprinzips "Innen- vor Außenentwicklung", Brachflächenentwicklung, d.h. Forcierung der Revitalisierung von Brachflächen oder ihrer Rekultivierung und Renaturierung. Weitere Instrumente sind flächensparende Bauweisen, Nachverdichtung sowie die Aufwertung und Umnutzung von Bestandsimmobilien. Frage 8. Welche Maßnahmen hat die Hessische Landesregierung in den letzten Jahren ergriffen, dass für unsere Ernährung wichtige landwirt-schaftliche Flächen nicht zu anderen Zwecken genutzt werden und wie viele Hektar landwirtschaftliche Fläche wurden dadurch von einer Umnutzung bewahrt ? Die Berücksichtigung der Landwirtschaftsfläche und agrarstruktureller Belange gehört zum Prüfprogramm des überwiegend bundesrechtlich bestimmten Planungs- und Fachrechts (z.B. ROG, BauGB, BNatSchG). Die Bundesregierung hat sich in der Beantwortung einer Bundestagsanfrage (BT-Drs. 18/7864) im März 2016 gegen ein gesondertes Flächenschutzgesetz des Bundes ausgesprochen und unter anderem auf die BauGB-Novelle zur Stärkung der Innenentwicklung und die im § 15 Abs. 3 BNatSchG 2010 zum Flächenschutz eingeführte Abwägungsklausel hingewiesen. Nach der allgemeinen Landesstatistik liegt die tägliche Flächenneuinanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr im gleitenden Vierjahresdurchschnitt seit 2011 bei rund 3 ha, wobei nicht alle Flächen versiegelt werden. Diese Flächenneuinanspruchnahme in Hessen ist im Bundesvergleich unterdurchschnittlich. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen hat sich das Land bei der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsfläche sukzessive Minderungsziele gesetzt. Zwischen 2012 und 2015 sollte der tägliche Zuwachs 3,1 ha nicht überschreiten , zwischen 2016 und 2019 soll der Zuwachs maximal 2,8 ha betragen. Ab 2020 gilt der Zielwert von max. 2,5 ha zusätzliche Flächeninanspruchnahme pro Tag. Um das ab dem Jahr 2020 gesetzte Ziel zu erreichen, sind aus Sicht der Landesregierung gerade angesichts der in Teilräumen des Landes bestehenden Baulandnachfrage weitere Anstrengungen erforderlich. Das in der Nachhaltigkeitsstrategie festgelegte Reduktionsziel zur Flächeninanspruchnahme ist im Rahmen der dritten Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (LEP) berücksichtigt worden (siehe Antwort zu Frage 7). Um die für die Bauleitplanung verantwortlichen Kommunen hierbei zu unterstützen, hat das Land Hessen u.a. eine Flächenmanagement-Datenbank entwickelt, die allen Kommunen kostenlos zur Verfügung steht. Der Vorrang von "Innen- vor Außenentwicklung" ist auch im Bereich der Städtebauförderung eine zentrale Zielsetzung. Dementsprechend sind die vier Städtebauförderungsprogramme "Soziale Stadt", "Stadtumbau in Hessen", "Aktive Kernbereiche in Hessen" und "Städtebaulicher Denkmalschutz" klar auf die Förderung der Innenentwicklung ausgerichtet. Gleiches gilt für die Landesinitiativen "Ab in die Mitte" und "INGEplus" sowie für die geplante Förderung aus Mitteln des EFRE. Angestrebt wird eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Innenentwicklung in Form einer sogenannten "doppelten Innenentwicklung". Ziel dabei ist es, einen Ausgleich 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6599 zwischen der baulichen Nutzung von Baulücken und Brachen (Nachverdichtung) und ihrer Aktivierung zu attraktiven Freiflächen zu finden. Letzteres ist im Zuge der Anpassung an die Folgen des Klimawandels, zur Sicherung der Biodiversität in Siedlungsbereichen und zum Erhalt der urbanen Lebensqualität von zentraler Bedeutung. Auch im "Hessischen Dorfentwicklungsprogramm" gilt der Grundsatz "Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung". Um die Vielfalt dörflicher Lebensformen, das bau- und kulturgeschichtliche Erbe sowie den individuellen Charakter der hessischen Dörfer zu erhalten, sollen die Innenentwicklung gestärkt, die Energieeffizienz gesteigert und der Flächenverbrauch verringert werden. Dazu muss bereits im Bewerbungsverfahren zur Aufnahme in das Förderprogramm ein Beschluss des Kommunalparlaments vorgelegt werden, im Förderzeitraum keine zur Innenentwicklung konkurrierenden Baugebiete zu planen oder auszuweisen. Um eine zukunftsfähige Innenentwicklung auch in engen, dicht bebauten Ortskernen zu ermöglichen und einen attraktiven Wohn- und Lebensraum zu erhalten, werden mit der Förderung des "städtebaulich verträglichen Rückbaus" seit Anfang 2015 neue Möglichkeiten zur Reduzierung des Flächenverbrauchs im Außenbereich angeboten. Die Landesregierung hat den 2012 mit dem landwirtschaftlichen Berufsstand, insbesondere zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen, geschlossenen Zukunftspakt Landwirtschaft im Jahr 2015 weiterentwickelt und auf eine breitere Basis gestellt. Mit dem Zukunftspakt wird neben dem Flächensparziel bis 2020 (s.o.) angestrebt, den Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche an der Landesfläche langfristig stabil zu halten; dies insbesondere durch eine konsequente Anwendung bestehender flächenrelevanter Regelungen sowie eine Stärkung und Unterstützung der Innenentwicklung und des nachhaltigen Flächenmanagements im Außenbereich. Zum Schutz landwirtschaftlicher Belange bei Flächen beanspruchenden Maßnahmen ist in dem Zukunftspakt zudem eine weitere Orientierung an den Hessischen Agrarplanungen vorgesehen, mit deren Fortschreibung 2017 begonnen worden ist. Basierend auf aktualisierten Datengrundlagen sind u.a. im Zuge der dritten Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (LEP) die Agrarischen Vorzugsräume um mehr als 90.000 ha ausgeweitet worden. Mit diesen landesplanerischen Festlegungen und Flächenausweisungen leistet die Landesplanung einen hohen Beitrag zum Flächenschutz im Außenbereich. Wiesbaden, 6. September 2018 Tarek Al-Wazir