Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 09.07.2018 betreffend Abdeckung der K+S Rückstandshalden in Hessen bis 2075 und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: Der Bewirtschaftungsplan 2015 - 2021 für die Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) sieht vor, die Rückstandshalden aus der Kaliproduktion abzudecken, um den Anfall von Haldenlaugen zu vermindern. In den vergangenen Jahren ist K+S bei den Versuchen Rückstandshalden abzudecken regelmäßig gescheitert. Am 1.9.2010 ist ein größerer Teil der Halde bei Bokelohe (Niedersachsen) nach starken Regengüssen samt Abdeckung abgerutscht und hat eine Kreisstraße unter sich begraben1. Am 30. Mai 2017 ist die Abdeckung einer anderen Halde von K+S in Wathlingen - ebenfalls Niedersachsen – eingesackt2. Auch Experten von K+S waren am Runden Tisch noch der Auffassung, dass eine Abdeckung von Halden, mit so steilen Flanken wie in Hattorf, unmöglich sei. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Im "Bewirtschaftungsplan/Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bezüglich der Salzbelastung" der FGG Weser vom März 2016 ist für die Halden Hattorf und Wintershall des Werkes Werra eine Haldenabdeckung vorgesehen. Die Abdeckung der Halden soll die Menge des anfallenden Haldenwassers soweit wie möglich reduzieren. Derzeit erfolgen verschiedene Untersuchungen für die Entwicklung einer Oberflächenabdeckung zur Reduzierung des Haldenwasseranfalls. Die ersten Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass mithilfe einer Dünnschichtabdeckung das Sickerwasser bezogen auf die niederschlagsbedingte Haldenwassermenge um bis zu 80 % reduziert werden könnte. Darauf aufbauend ist zurzeit ein halbtechnischer Versuch an der ESTA-Rückstandshalde Hattorf vom Regierungspräsidium Kassel zugelassen worden. Des Weiteren ist auf der Rückstandshalde IV Wintershall ein Großversuch in Planung. Hier sollen Beschüttungsverhalten und Standsicherheit der eingesetzten Materialien getestet werden sowie insbesondere im Großversuch die Umsetzung der Dünnschichtabdeckung auf einer kompletten Haldenflanke erprobt werden. Die eingesetzten Abdeckverfahren sind auf Grund der besonderen Gegebenheiten der Standortbedingungen immer haldenspezifisch zu betrachten, daher sind direkte Vergleiche mit den Abdeckverfahren anderer Haldenkörper nicht möglich. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Zur Abdeckung der Halden sollen laut der Hessischen Landesregierung Aschen und Schlacken aus der Müll- und Kohleverbrennung verwendet werden, weil diese sich durch Wasser verfestigen . (Große Anfrage DIE LINKE, Drs. 19/4778, Antw. Fra. III.4, S. 9.) Zur Abdeckung der Hessischen Halden werden große Mengen an Aschen und Schlacken benötigt, wie viel genau, konnte die Landesregierung nicht sagen. (ebd.) Selbst nach dem unzureichenden Klimaschutzplan der Hessischen Landesregierung soll es aber spätestens ab 2050 keine Aschen mehr aus der Kohleverbrennung geben, weil bis dahin die Kohlekraftwerke abgeschaltet sein sollen. Auch Schlacken aus der Hausmüllverbrennung sollen bis dahin deutlich weniger werden, weil die Recyclingquote für die Abfälle deutlich steigen soll. Darüber hinaus konkurriert die Haldenabdeckung mit dem Einsatz dieser Materialien im Bausektor, was den Preis nach oben treibt. ________________________________ 1 S. z. B. (27.08.2010) http://www.nonstopnews.de/meldung/11686 (24.10.2017) 2 Quelle: Absacker nähren Zweifel an Kaliberg-Begrünung in Wathlingen (30.05.2017) http://www.celleschezeitung .de/S5251274/Absacker-naehren-Zweifel-an-Kaliberg-Begruenung (22.06.2017) Eingegangen am 24. August 2018 · Bearbeitet am 24. August 2018 · Ausgegeben am 28. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6602 24. 08. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6602 Frage 1 a) Aus welchen Quellen sollen nach Auffassung der Landesregierung die Schlacken und Aschen zur Haldenabdeckung zukünftig (besonders nach 2050) kommen? Im detaillierten Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bezüglich der Salzbelastung, kurz "Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 – Salz" sind für die Maßnahme Abdeckung und Begrünung der Kali-Rückstandshalden ein Pilot- sowie ein Großversuch vorgesehen. Die Versuche, die eine Laufzeit bis 2021 haben, beinhalten eine Klärung sowie eine Sicherung der Materialverfügbarkeit durch den Maßnahmenträger für die beiden Versuche sowie für den anschließenden Regelbetrieb. Im Rahmen des zwischenzeitlich durch das Regierungspräsidium Kassel zugelassenen Pilotversuchs (sogenannter halbtechnischer Versuch) wurden für das Abdeckmaterial Filterstäube aus der Kohlefeuerung, Rost- und Kesselaschen sowie Schlacken zugelassen. Grundsätzlich sind weitere Materialien denkbar. Letztlich muss K+S als Maßnahmenträger für den Regelbetrieb der Abdeckung dauerhaft sicherstellen , dass das Abdeckmaterial die notwendigen Materialeigenschaften für die Dünnschichtabdeckung , beispielsweise die notwendigen puzzolanischen Eigenschaften, aber auch die geforderten Umweltanforderungen einhält. Frage 1 b) Von welcher Preisentwicklung für eine Tonne Material geht die Landesregierung aus? Zuverlässige Informationen über die zukünftige Entwicklung der Preise liegen nicht vor. Diese hängen unter anderem auch von Angebot und Nachfrage ab. Frage 1 c) Welche Mengen an Schlacken und Aschen werden zur Abdeckung der Hessischen Halden benötigt? Angaben bitte unter Berücksichtigung der geplanten Haldenerweiterung, nach der das Volumen der Halden in Hessen auf das Doppelte ansteigen soll. Es werden Versuchsreihen für eine Optimierung der dünnschichtigen Abdeckung der Rückstandshalden durchgeführt. Im Rahmen dieser Versuche wird unter anderem auch die benötigte Materialmenge geprüft, die für einen statisch sicheren Aufbau der Haldenabdeckung erforderlich ist. Frage 1 d) In wie weit stellen die in den Aschen und Schlacken aus der Müll- und Kohleverbrennung enthaltenen Giftstoffe für die Haldenabdeckung ein Problem dar? Im Rahmen des Pilotversuchs ist unter anderem die Auswahl und Verifizierung geeigneter Materialmischungen sowie der Aufbau eines Qualitätssicherungs- und Kontrollsystems für die eingesetzten Materialien zu etablieren. Der nachfolgende Großversuch sieht die Vorbereitung und Planung der Betriebsphase vor. In den noch durchzuführenden Genehmigungsverfahren für die Zulassung der Abdeckung für den Großversuch sowie des Regelbetriebs sind durch das Regierungspräsidium Kassel die Auswirkungen des Vorhabens zu bewerten und zu prüfen, ob fachliche oder rechtliche Aspekte einer Zulassung der beantragten Materialmischungen im Wege stehen bzw. welche Materialmischungen zulassungsfähig sind. Dies beinhaltet auch eine Prognose über das Langzeitverhalten. Grundsätzlich sind nur umweltverträgliche Materialien zulassungs- und genehmigungsfähig. Eine Zulassung des von der K+S Kali GmbH vorgesehenen Abdeckgemischs aus Aschen und Schlacken aus der Hausmüll- und Kohleverbrennung ist nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen und schadlosen Abfallverwertung möglich. Hierfür ist eine Einzelfallprüfung unter Betrachtung der schädlichen Inhaltsstoffe des vorgesehenen Abdeckgemischs, der konkreten Nutzungs- und Einbaubedingungen sowie der daraus resultierenden Schadstoffausträge in die Umwelt erforderlich . Frage 2. Nach dem Bewirtschaftungsplan 2015 - 2021 sollen die Halden in Hessen nur "bis zu 60%" abgedeckt werden. Auch in der Nachbergbauphase werden daher jährlich ca. 0,8 Mio. m3 Haldenabwässer anfallen (s. Große Anfrage Drs. 19/4778, Antwort Frage Nr. 4). Bis zur voraussichtlichen Fertigstellung der 60-Prozent-Abdeckung im Jahre 2075, fallen aber noch deutlich mehr Haldenabwässer an, die laut Hessische Landesregierung weder in den Untergrund versenkt, noch zu einer "weitergehenden Beeinträchtigung" der Werra führen dürfen. (ebd.) a) Wie sollen diese Haldenabwässer bis zur Fertigstellung der geplanten Haldenabdeckung 2075 entsorgt werden? Gemäß dem Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 – Salz fallen ab Ende 2021 keine Produktionsabwässer mehr an, die in die Werra eingeleitet werden müssen. Die Haldenabwässer können gemäß der Bewirtschaftungsplanung weiterhin in die Werra eingeleitet werden, sofern die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis vorliegt. Die der Erlaubnis zugrunde liegenden und einzuhaltenden Zielwerte ergeben sich für den Zeitraum bis 2027 aus dem detaillierten Bewirtschaftungsplan 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bezüglich der Salzbelastung. Dort sind für die Pegel Gerstungen und Boffzen entsprechende Zielwerte aufgeführt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6602 3 Frage 2 b) Wie sollen diese Haldenabwässer nach der geplanten Fertigstellung der 60-Prozent- Abdeckung ab 2075 in den kommenden Jahrhunderten entsorgt werden? Die Festlegungen der Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) im Rahmen der Bewirtschaftungsplanung gehen bis zum Jahr 2027. Darüber hinausgehende Festlegungen zu Zielwerten bleiben zukünftigen Planungen vorbehalten. Die Kalirückstandshalden sollen nicht nur zu 60 %, sondern komplett abgedeckt werden. Frage 3. Zur Problematik der Haldenabdeckung wurde 2016 eine gemeinsame Arbeitsgruppe von K+S und dem Land Hessen eingerichtet. a) Welche sind die (ersten) Ergebnisse der gemeinsamen Arbeitsgruppe Haldenabdeckung? Eine gemeinsame Arbeitsgruppe Haldenabdeckung von K+S und dem Land Hessen existiert nicht. Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist in der Arbeitsgruppe Salzreduzierung der FGG Weser vertreten, das als operatives Organ der FGG Weser den Umsetzungsprozess des Maßnahmenprogramms begleitet. K+S ist ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe Salzreduzierung und berichtet dort den Ländern. Weiterhin führt das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in regelmäßigen Abständen Statusgespräche mit K+S durch. In diesen lässt es sich im Hinblick auf den Umsetzungsprozess der Bewirtschaftungsplanung über den Projektfortschritt der Maßnahmen anhand der aktuellen Planung und der Darstellung der erfolgten Untersuchungen sowie der erzielten Ergebnisse berichten. Frage 4. Nach dem detaillierten Maßnahmenprogramm Salz 2015 - 2021 sollen bis 2021 zur Haldenabdeckung Pilotprojekte, Tests, Untersuchungen sowie ein Großversuch durchgeführt werden. Für den Zeitraum 2013 - 2016 war der "Betrieb eines Lysimeterfeldes am Standort Wintershall" mit "Auswahl geeigneter Materialmischungen, Erstellung von Wasserhaushaltsbilanzen, Untersuchung der Eluate in Menge und chemischer Zusammensetzung sowie Untersuchung der Begrünungsfähigkeit " geplant3. a) Welche Erkenntnisse lieferte der Betrieb des Lysimeterfeldes in Bezug auf die Wasserbilanz, der Menge und Zusammensetzung der Auswaschungen (Eluate) sowie der Begrünungsfähigkeit der Haldenabdeckung im Dünnschichtverfahren? Der abgeschlossene Lysimeter-Versuch auf einem über 500 m2 großen Versuchsfeld am Fuße der Rückstandshalde Wintershall zeigt, dass durch das Verdunstungspotenzial der Dünnschichtabdeckung das in den Haldenkörper eintretende Sickerwasser um bis zu ca. 75 bis 80 % verringert werden kann. Dies bedeutet, dass nach einer Dünnschichtabdeckung der Rückstandshalden je nach Abdecksubstrat nur noch ca. 20 bis 25 % der niederschlagsbedingten Haldenwassermenge anfällt. Zudem sind die anfallenden Restmengen geringer mineralisiert, da der Wasserhaushalt größtenteils in der Schicht des Abdecksubstrats stattfindet und somit kaum Kontakt zur Rückstandshalde hat. Diese Wässer können in der Nachbetriebsphase mit geringeren Umweltauswirkungen einer standortnahen Entsorgung zugeführt werden. Das Prinzip der begrünbaren Dünnschichtabdeckung beruht auf der Zwischenspeicherung des Niederschlags in einem hangparallel aufgebrachten Abdecksubstrat, das mit Hilfe einer mehrschichtigen Vegetationsdecke (Kraut-, Strauch- und Gehölzschicht) eine maximale Verdunstungsleistung erzielt. So kann ein Großteil des auf die Halde auftreffenden Niederschlags im Substrat gespeichert und durch Pflanzen aktiv in die Atmosphäre abgegeben werden. Dadurch verringert sich der Haldenwasseranfall entsprechend. Trotz extremer Trockenperioden in den Jahren 2014 und 2015 hat die Begrünung erfolgreich stattgefunden. Bezüglich der Sickerwasserqualität war außerdem festzustellen, dass im Laufe der Zeit die Schwermetallfrachten erheblich abgenommen haben und bei einzelnen Elementen keine Auswaschung mehr erfolgt. Frage 5. Dem K+S Geschäftsbericht von 2016 ist zu entnehmen, dass auf der Halde Neuhof seit Herbst 2016 ein Versuch zum "Innovativen Erosionsschutz" stattfindet4. a) Welche Ergebnisse in Bezug auf die Reduktion der Haldenabwässer brachte dieser Versuch? Auf der Sitzung der AG Salzreduzierung am 24. Januar 2018 in Hannover wurden von K+S eine Zusammenfassung der durchgeführten Maßnahmen sowie der aktuelle Stand der Untersuchungen zum innovativen Erosionsschutz und der Haldenwasserminimierung an der Rückstandshalde in Neuhof-Ellers dargestellt. Seitens K+S wurden unterschiedliche Versuchsansätze , die natürliche Erosion des sogenannten auf der Halde geogen vorhandenen SELMA-Tons zu verringern sowie erste Zwischenergebnisse vorgestellt. Bisherige Versuchsergebnisse hierzu 3 Homepage FGG Weser: https://www.fgg-weser.de/gewaesserbewirtschaftung/handlungsfelder/salz/massnahmen /masterplan-salzreduzierung/haldenabdeckung (04.07.2018) 4 K+S Geschäftsbericht 2016, S. 47 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6602 stellen nach der Einschätzung des Unternehmens keine Basis für ein Konzept zur Abdeckung einer Haldenflanke Neuhof-Ellers dar. Im Sinne eines weiterführenden Konzepts soll daher nach Auskunft von K+S der Schwerpunkt künftiger Untersuchungen auf einer chemischen/chemisch-physikalischen Konditionierung der SELMA-Ton-Schicht liegen. Das Konzept lehnt sich an das in Zielitz entwickelte Konzept der Infiltrationshemmschicht (IHS) an. Bei dieser speziell für den Standort Zielitz entwickelten Form der Haldenabdeckung sollen in einer letzten Schüttung dem aufzuhaldenden Rückstand Zuschlagstoffe (puzzolane Bindemittel wie z. B. REA-Gips und Kraftwerksaschen) zur Konditionierung beigefügt werden. Diese bilden im Laufe der niederschlagsbedingten Haldenablaugung eine schwer lösliche, erosionsbeständige Patina-Schicht an der Haldenoberfläche. Die damit verbundene erhöhte Wasserspeicherfähigkeit sowie die farbliche Veränderung der Haldenoberfläche führen zu einer deutlich gesteigerten Verdunstungsrate im Vergleich zum reinen Salzrückstand. Für eine Anwendung auf der Halde Neuhof-Ellers sollen unter Berücksichtigung der höheren Tongehalte des Rückstands in Neuhof und der konkreten örtlichen Bedingungen Zuschlagsstoffe betrachtet werden, die zu einem vergleichbaren Effekt führen. In einem ersten Schritt sind Konditionierungsversuche mit verschiedenen Materialmischungen im Labor an der Universität Kassel geplant. Die K+S Kali GmbH plant auch Versuche zum "Innovativen Erosionsschutz" auf der Halde Neuhof, diese sollen dem Regierungspräsidium Kassel im Spätsommer 2018 vorgestellt werden. Ein für entsprechende Versuche erforderlicher Betriebsplan liegt dem Regierungspräsidium Kassel noch nicht vor. Wiesbaden, 7. August 2018 Priska Hinz