Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 27.07.2018 betreffend Entsorgung von Bauabfällen und Bauabbruch und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Der Verband Baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V. informierte in einer Pressemeldung vom 20. Juli 2018, dass die Entsorgung von Erdaushub und Straßenaufbruch immer schwieriger werde. Die Wege zur Entsorgung der Lkw-Ladungen würden immer länger werden. Auch die Kippgebühren würden drastisch steigen , was Bauvorhaben deutlich teurer machen würde. 2016 mussten nach Angaben des Verbandes in Hessen 15,3 Mio. Tonnen Bau- und Abbruchabfälle entsorgt werden. Dabei hätten die Fahrzeuge durchschnittlich rund 50 Kilometer zurückgelegt, auch weil die Zahl der verfügbaren Deponien rückläufig sei. Der Verband bemängelt, dass u.a. die Landesregierung zu wenig tut, um die beschriebenen Probleme zu bewältigen. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie teilt die Landesregierung die Einschätzung des Verbandes Baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V. bezüglich der zunehmenden Brisanz im Bereich der Entsorgung von Bauaushub und Bauabbruch? Das von der Bauwirtschaft beschriebene Problem lässt sich nicht allein auf fehlenden Deponieraum reduzieren. Nach kürzlich vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen hat das deutsche Abfallaufkommen 2016 einen Rekordstand erreicht. Mit 411,5 Mio. Tonnen wurde die Vorjahresmenge um 9,3 Mio. Tonnen übertroffen. Insbesondere die Bau- und Abbruchabfälle haben stark zugenommen und mit 222,8 Mio. Tonnen den höchsten Stand seit 2003 erreicht. Die gleiche Entwicklung belegen die Zahlen des Hessischen Statischen Landesamtes. Danach ist die Menge der Bau- und Abbruchabfälle in Hessen seit 2012 von 12,7 Mio. Tonnen auf 15,3 Mio. Tonnen im Jahr 2016 angestiegen. Wichtigster Entsorgungsweg, insbesondere für Erdaushub, ist die Rekultivierung von Tagebauen. Die auf diesem Weg verwerteten Mengen sind in Hessen von 5,5 Mio. Tonnen im Jahr 2012 auf knapp 8 Mio. Tonnen im Jahr 2016 angestiegen. Auch die über Bauschuttaufbereitungsanlagen recycelten Mengen sind von 3,7 Mio. Tonnen im Jahr 2012 auf 4,3 Mio. Tonnen im Jahr 2016 angestiegen. Die Ablagerungsmengen zur Beseitigung auf Deponien sind dagegen im selben Zeitraum von rd. 540.000 Tonnen auf 460.000 Tonnen zurückgegangen. Zurückgegangen ist auch die Nachfrage nach Deponieersatzbaustoffen. Wurden 2012 in Hessen noch 1,1 Mio. Tonnen Abfall als Baustoff auf Deponien verwertet, so waren es 2016 nur noch rd. 580.000 Tonnen. Grund dürfte sein, dass ab 2005 erheblicher Bedarf für Deponieersatzbaustoffe bestand, da einige Deponien die Ablagerungsphase beendet hatten und Deponieersatzbaustoff zur Endprofilierung, Oberflächenabdichtung und Rekultivierung benötigt wurde. Diese Maßnahmen sind zu einem großen Teil inzwischen abgeschlossen. Im Ergebnis dürfte aber vor allem der Anstieg der Abfallmenge insgesamt ein Grund dafür sein, dass die Entsorgung für die Bauwirtschaft schwieriger und teurer wird. Frage 2. Wie hat sich die Zahl der Deponien und der hier verfügbaren Kapazitäten seit dem Jahr 2010 entwickelt? Die Anforderungen an Errichtung und Betrieb von Deponien ergeben sich aus der Deponieverordnung des Bundes. Oberirdische Deponien werden danach in die vier Deponieklassen (DK) DK 0, DK I, DK II und DK III eingeteilt. DK 0 und I dienen der Ablagerung mineralischer Abfälle mit geringer oder mäßiger Schadstoffbelastung, DK II ist die klassische Hausmülldeponie und DK III die Deponie für gefährliche Abfälle. Nach 2005 befanden sich in Hessen noch 11 DK II-Deponien in der Ablagerungsphase. Diese Eingegangen am 31. August 2018 · Ausgegeben am 4. September 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6617 31. 08. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6617 Zahl hat sich auf aktuell 10 DK II-Deponien reduziert. Der derzeit geltende Abfallwirtschaftsplan Hessen aus dem Jahre 2015 kommt bezogen auf DK II-Deponien zu dem Ergebnis, dass im Planungszeitraum (10 Jahre) ausreichende Deponiekapazität verfügbar ist. Wichtig für die Bauwirtschaft ist aber vor allem kostengünstiger Deponieraum der Deponieklassen 0 und I (ehemals "Erdaushub- und Bauschuttdeponie"). Hier besteht in Hessen - wie auch in vielen anderen Bundesländern - ein Mangel an allgemein zugänglichem Deponieraum. Von 2010 bis 2016 ist die Anzahl der DK 0-Deponien von 17 auf 14 und der DK I-Deponien von 10 auf 6 zurückgegangen . Bei der Deponieklasse I kommt hinzu, dass 4 dieser Deponien betriebseigen und damit nicht allgemein zugänglich sind. Angesichts der langen Vorlaufzeiten für Planung, Genehmigung und Bau von Deponien wird dieser Mangel auch kurzfristig nicht zu beheben sein. Frage 3. Ist damit zu rechnen, dass weitere Entsorgungskapazitäten verloren gehen? Drei hessische Deponien nehmen derzeit noch Deponieabfälle zur Verwertung im Rahmen der Stilllegungsphase an. Diese Kapazitäten werden in den nächsten Jahren erschöpft sein. Frage 4. Warum veranlasst die Landesregierung nicht die Erhöhung der Entsorgungskapazitäten, obwohl sie etwa im Bereich des Wohnungsbaus und im Bereich des Straßenbaus (Sanierung von Autobahnen und Brücken) Investitionen und Baumaßnahmen selbst forciert? Die Landesregierung kann diesbezüglich nicht unmittelbar tätig werden. Die Sicherstellung der Abfallentsorgung ist Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (Landkreise und kreisfreie Städte). Diesen wird bislang aber nur ein vergleichsweise geringer Teil der Bauabfälle zur Beseitigung auf Deponien überlassen; im Jahr 2016 waren das nur rund 230.000 Tonnen. Bei der Deponierung sollte das Baugewerbe daher nicht allein auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vertrauen. Private Initiative, gegebenenfalls in Kooperation mit öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern, ist auch in diesem Bereich möglich. Frage 5. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass durch lange Entsorgungsfahrten unnötige Belastungen für Anwohner und Umwelt entstehen? Selbstverständlich sollten unnötige Belastungen durch lange Entsorgungsfahrten vermieden werden . Insbesondere im Rhein-Main-Gebiet wird es aber nicht möglich sein, stets neuen Deponieraum ortsnah verfügbar zu machen. Frage 6. Wie haben sich die Entsorgungsgebühren für die beschriebenen Abfälle seit dem Jahr 2010 in Hessen entwickelt? Dazu liegen keine Daten vor. Es ist aber sicher zutreffend, dass die Gebühren für die Ablagerung von Bauabfällen auf DK II-Deponien in den letzten Jahren gestiegen sind. Aussagen zur Entwicklung der "iKppgebühren" bei Tagebauen sind nicht möglich. Diesbezüglich hat die Bauwirtschaft bislang noch keine konkreten Zahlen vorgelegt, die einen Anstieg nachvollziehbar belegen. Frage 7. Hat die Landesregierung konkrete Pläne, um durch mehr Deponien und höhere Entsorgungskapazitäten im Rhein-Main-Gebiet für eine Entspannung der Situation zu sorgen? Wie bereits erwähnt, kann die Landesregierung diesbezüglich nicht unmittelbar tätig werden und allein die Schaffung von mehr Deponieraum ist auch keine nachhaltige Antwort auf die zu lösenden Entsorgungsfragen. Bei der Beantwortung der Frage 1 wurde dargestellt, dass die Ablagerung von Bauabfällen auf Deponien bislang von untergeordneter Bedeutung ist. Dies entspricht auch der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, nach der die Deponierung an letzter Stelle steht. Vorrang haben Abfallvermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling. Erst danach kommt die sonstige Verwertung, insbesondere zur Rekultivierung von Tagebauen oder die Verwendung als Deponieersatzbaustoff. Die Anstrengungen und Erfolge der Bauwirtschaft bei der Verwertung ihrer Abfälle sind unbestreitbar. Allerdings sind die vorhandenen Möglichkeiten diesbezüglich noch nicht ausgeschöpft. Beispielsweise hat die hessische Bauwirtschaft beim Recycling durch Herstellung und Verwendung von RC-Beton noch deutlichen Nachholbedarf. Auch die Möglichkeiten des Bodenmanagements - z.B. durch Massenausgleich am Ort der Entstehung - sind aus Sicht der Landesregierung noch nicht ausgeschöpft. Die beschriebenen Probleme sind nur durch konstruktives Zusammenwirken der beteiligten Akteure zu lösen. Die Landesregierung befindet sich daher seit Langem in einem Dialog, insbesondere auch mit der hessischen Bauwirtschaft. Wiesbaden, 21. August 2018 Priska Hinz