Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 08.08.2018 betreffend einer Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung des Fragestellers: Die im Januar 2017 gegründete Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus des Landes Bayern soll bedeutsame Ermittlungsverfahren an einer Stelle bündeln, vor allem aber für eine bessere Vernetzung der verschiedenen Landes- und Bundesbehörden sorgen, um mehr Effektivität bei der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zu erreichen. Die Zentralstelle hat laut des bayerischen Justizministers, Professor Dr. Winfried Bausback, bis Mai 2018 insgesamt 179 Ermittlungsverfahren selbst eingeleitet bzw. herausgehobene , überregional bedeutsame Ermittlungsverfahren von anderen Staatsanwaltschaften in Bayern übernommen. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Die Bekämpfung des islamistisch motivierten Extremismus und Terrorismus ist eine wichtige Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden. Neben einer konsequenten Ermittlungsführung bedarf es hierfür auch eines frühzeitigen Informationsaustausches und einer ressortübergreifenden Abstimmung der beteiligten Behörden. Der Fokus darf dabei nicht nur auf polizeilich erfassten Gefährdern liegen, sondern muss auch auf Beschuldigte gerichtet werden, die lediglich im Rahmen der Allgemeinkriminalität in Erscheinung treten, aber einen möglicherweise extremistischen bzw. terroristischen Hintergrund haben. Um den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen weiter zu optimieren, wurde bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 1. September 2018 die landesweit zuständige Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen (ZET-HE) eingerichtet. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Gibt es in Hessen eine vergleichbare Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ? Frage 2. Falls ja: wo ist diese angesiedelt und wie ist diese ausgestattet? Bitte hierzu Ausführungen personeller sowie inhaltlicher Art. Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Wie in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz bereits ausgeführt, wurde bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die landesweit zuständige Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen (ZET-HE) eingerichtet. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen ist für Verfahren zuständig, welche der Generalbundesanwalt nach § 142a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main abgibt. Bei der Bearbeitung solcher Verfahren wird geprüft, ob es weitere Ermittlungsverfahren bei den hessischen Staatsanwaltschaften gibt, die wegen eines eventuellen Sachzusammenhangs ebenfalls bei der Zentralstelle geführt werden sollten. Die hessischen Staatsanwaltschaften legen der Zentralstelle auch alle Verfahren aus dem Bereich des Extremismus und des Terrorismus vor, die nach den Richtlinien für das Straf- und für das Bußgeldverfahren dem Generalbundesanwalt vorzulegen sind. Die Zentralstelle ist ferner über alle sonstigen Ermittlungsverfahren, in denen sich der Verdacht eines terroristischen Hintergrundes ergibt, zu unterrichten. Solche Verfahren werden dann ggf. von der Zentralstelle weitergeführt. Erscheint die Führung eines Sammelverfahrens sachgerecht, koordiniert die Zentralstelle bei Bedarf die Abstimmung mit den betroffenen Stellen. Eingegangen am 1. Oktober 2018 · Bearbeitet am 1. Oktober 2018 · Ausgegeben am 4. Oktober 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6643 01. 10. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6643 Die Zentralstelle unterrichtet die hessischen Staatsanwaltschaften über Erkenntnisse, welche durch den Generalbundesanwalt oder andere Landesstaatsanwaltschaften über Personen mit Bezug zu Hessen übermittelt werden. Sie gewährleistet darüber hinaus den Wissenstransfer, indem sie die Staatsanwaltschaften über ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordene sonstige Erkenntnisse anlassbezogen unterrichtet. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ist zentraler Ansprechpartner in Hessen für die Staatsanwaltschaften, für die Polizei sowie für andere Behörden auf Landes- und Bundesebene hinsichtlich aller Themen im Kontext Extremismus/Terrorismus. Die Zentralstelle nimmt für Hessen - gegebenenfalls unter Beteiligung der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main - an ressort- und länderübergreifenden Arbeitsgruppensitzungen und Veranstaltungen teil und vertritt die hessische Justiz in fachlichen Gremien im Inund Ausland. Die Zentralstelle unterstützt und begleitet Fortbildungsveranstaltungen zu extremistisch/ terroristisch motivierten Straftaten in Abstimmung mit der Justizakademie des Hessischen Ministeriums der Justiz. Zwischen der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und der Zentralstelle erfolgt ein regelmäßiger Informationsaustausch hinsichtlich der Erkenntnisse, welche sich aus den bei beiden Ermittlungsbehörden anhängigen Verfahren ergeben. Die Bearbeitung der Verfahren, welche der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof nach § 142a Abs. 2 GVG an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main abgibt (sog. OJs- Verfahren), erfolgt durch zwei Dezernenten mit einem Arbeitskraftanteil von mindestens 90 % und zwei Dezernenten mit einem Arbeitskraftanteil von mindestens 45 %. Im Rahmen der übrigen Aufgaben der Zentralstelle sind darüber hinaus die Leiterin der zuständigen Abteilung 2 der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main sowie ein weiterer Dezernent jeweils mit einem mathematisch nicht exakt bestimmbaren Anteil ihrer Arbeitskraft dort tätig. Frage 3. Falls nein: warum ist bisher keine solche Zentralstelle geschaffen worden? Frage 4. Falls nein: plant die Landesregierung die Einführung einer Zentralstelle? Wie wird diese ausgestaltet sein? Da die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen bereits besteht, erübrigt sich eine Antwort auf die Fragen 3 und 4. Frage 5. Wie viele Ermittlungsverfahren gab es in den Jahren 2017 und 2018 hinsichtlich extremistischer Straftaten? Eine Ausweisung aller "extremistischer" Straftaten (Rechtsextremismus, Linksextremismus, islamistischer Extremismus etc.) ist technisch nicht möglich. In den Statistiken werden jedoch zum einen bestimmte Straftatbestände erfasst, die dem terroristischen Spektrum zuzuordnen sind und für welche eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften der Länder besteht, wie zum Beispiel für Straftaten nach § 89a Strafgesetzbuch. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 6 nebst Anlage mit entsprechenden Zahlen verwiesen. Außerdem werden in Hessen Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer/fremdenfeindlicher Straftaten gesondert statistisch erfasst. In diese Kategorie werden Straftaten eingeordnet , wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (z.B. nach Art der Themenfelder ) einer "rechten" Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus im engen Sinne) zum Ziel haben muss. Dazu zu rechnen sind Taten, wenn Bezüge zu völkischem Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Darunter fallen insbesondere solche Taten, die vor diesem Hintergrund gegen eine Person gerichtet sind: wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion , Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung, ihres gesellschaftlichen Status oder ihres äußeren Erscheinungsbildes und bei denen die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6643 3 Die insoweit für die Jahre 2017 und 2018 (Stand 15. August 2018) in Hessen verzeichneten Straftaten sind der als Anlage zu Frage 5. beigefügten Aufstellung zu entnehmen. Frage 6. Bei wie vielen Ermittlungsverfahren der Jahre 2017 und 2018 handelte es sich um Terrorismusverfahren ? Eine Ausweisung von "Terrorismusverfahren" ist technisch nicht möglich. In den Statistiken werden jedoch bestimmte Straftatbestände erfasst, die dem terroristischen Spektrum zuzuordnen sind. Hierzu zählen - soweit die Verfolgungskompetenz der Länder besteht - insbesondere: § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89c StGB (Terrorismusfinanzierung) und § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat). Die für Hessen insoweit erfolgte Auswertung ist als Anlage zu Frage 6. beigefügt. Insgesamt wurden in den Jahren 2017 und 2018 (Stand 15. August 2018) in Hessen 174 Verfahren wegen der oben genannten Delikte geführt. Verfahren nach §§ 129a, 129b StGB (Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. einer terroristischen Vereinigung im Ausland) fallen demgegenüber in die originäre Strafverfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwaltes, so dass hinsichtlich der Gesamtzahl dieser Verfahren keine Aussage getroffen werden kann. Eine hessische Zuständigkeit besteht, wenn entsprechende Verfahren durch den Generalbundesanwalt gemäß § 142a Abs. 2 GVG an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main abgegeben werden. Im Jahr 2017 waren bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main 71 sog. OJs- Verfahren und im Jahr 2018 bislang 29 sog. OJs-Verfahren (Stand 15. August 2018) zu verzeichnen . Darin enthalten ist auch eine kleinere Anzahl von Verfahren, welche nicht wegen eines Verstoßes gegen §§ 129a, 129b StGB durch den Generalbundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main abgegeben, sondern von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wegen Sachzusammenhangs von einer hessischen Staatsanwaltschaft übernommen worden sind. Wiesbaden, 20. September 2018 Eva Kühne-Hörmann Anlage 15.08.2018 Sämtliche Ermittlungsverfahren Register 2017 2018 Gesamt 1177 538 davon Js 808 321 davon UJs 369 217 darunter wegen antisemitischer Bestrebungen 65 55 wegen fremdenfeindlicher Motivation (auch geg. Vermeintliche Ausländer) 141 49 wegen Straftaten mittels Internet 121 95 Einstellungen 170 II da Täter nicht ermittelt (UJs) 342 190 darunter wegen fremdenfeindlicher Motivation (auch geg. Vermeintliche Ausländer) 27 25 darunter wegen Straftaten mittels Internet 18 5 Bekannte Täter (Js) Einstellungen 170 II 342 119 darunter wegen fremdenfeindlicher Motivation (auch geg. Vermeintliche Ausländer) 66 20 darunter wegen Straftaten mittels Internet 58 18 Einstellungen §§ 153 ff. 135 14 wegen fremdenfeindlicher Motivation (auch geg. Vermeintliche Ausländer) 26 5 wegen Straftaten mittels Internet 7 1 Einstellungen 45, 47 JGG 31 6 wegen fremdenfeindlicher Motivation (auch geg. Vermeintliche Ausländer) 3 1 wegen Straftaten mittels Internet 4 0 Anklagen 72 22 Anklage - Schwurgericht 0 0 Anklage - Große Strafkammer 0 0 Anklage - Schöffengericht 1 1 Anklage - Strafrichter 55 16 Anklage - Jugendrichter 13 4 Anklage - Jugendschöffengericht 3 1 Strafbefehle ohne Freiheitsstrafe 33 30 2. Erledigungen der Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer/fremdenfeindlicher Straftaten Land: HESSEN Gesamt 2017/2018 (Stand 15.08.2018) 1. Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer/fremdenfeindlicher Straftaten Anlage zu KA 19/6643 6643_Anlage.pdf Anlage zu Frage 5 - AFREX_HESSEN_2017_2018_Stand_15_08_2018 Anlage zu Frage 6 - Deliktauswertung §§_89a_b_c_91_StGB_2013-15_08_2018