Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 08.08.2018 betreffend Kenntnis des Kultusministers über die Qualifikation von Grund- und Förderschullehrkräften und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Zum Stichtag 01.10.2017 war laut Landtagsdrucksache 19/6370 bei 569 hessischen Lehrkräften an öffentlichen Schulen die Qualifikation nicht erfasst. Zum gleichen Stichtag waren laut genannter Drucksache in Hessen 4.587 Lehrkräfte nur mit Unterrichtserlaubnis, also ohne entsprechendes Lehramt oder Lehrbefähigung, an öffentlichen Schulen tätig. Gemäß § 83 HLbGDV kann die Unterrichtserlaubnis dann erteilt werden, wenn ein unabweisbares Unterrichtsbedürfnis vorliegt und nachhaltige Bemühungen zur Gewinnung einer ausgebildeten Lehrkraft ohne Ergebnis geblieben sind. Mit ihrer Antwort auf den Berichtsantrag 19/5197 sowie mit ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Einsatz von pädagogischen Laien als Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen konnte die Landesregierung nur bei einem Bruchteil der Lehrkräfte, die nur mit Unterrichtserlaubnis unterrichten, Aussagen über deren Ausbildung treffen. So erklärte der Kultusminister in Landtagsdrucksache 19/6370 (S. 3): "Von den 1.479 Grundschullehrkräften mit Unterrichtserlaubnis oder ohne Qualifikationseintrag sind bei 629 Personen statistisch auswertbare Einträge zur Ausbildung vorhanden." In seinem Elternbrief zum Schuljahr 2018/2019 erklärte der Kultusminister nun jedoch, dass er für den in der Stundentafel vorgesehenen Unterricht nur auf qualifizierte Lehrkräfte setze. Vorbemerkung des Kultusministers: In allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland ist der Bedarf an Lehrkräften - insbesondere im Grundschulbereich - unter anderem durch Flucht und Zuwanderung gewachsen. So sind in Hessen seit dem Jahr 2015 über 60.000 Schülerinnen und Schüler aus dem genannten Grund aufgenommen worden. Trotz dieser Herausforderung hat sich die Landesregierung im Gegensatz zu anderen Bundesländern entschieden, für den in der Stundentafel vorgesehenen Unterricht weiterhin auf qualifizierte Lehrkräfte zu setzen. Im Hessischen Kultusministerium werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um Hessens Schulen mit Lehrkräften mit Lehramt zu versorgen. Grundsätzlich erhält jede Lehrkraft mit Lehramt Grundschule oder Förderschule ein Einstellungsangebot . Als Sondermaßnahmen wurden Weiterbildungen zu Grund- und Förderschullehrkräften umgesetzt und der Quereinstieg von Personen mit Erster Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und das Lehramt an Haupt- und Realschulen in das Grundschulreferendariat ermöglicht . Teilzeit- und Elternzeitlehrkräfte wurden mit der Bitte um Aufstockung ihrer Pflichtstundenzahl angeschrieben, Pensionäre um Rückkehr in den Schuldienst und Lehrkräfte, die kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand standen, um Verlängerung ihrer Dienstzeit gebeten. Zudem wurden Abordnungen von weiterführenden Schulen an Grundschulen realisiert. Diese Maßnahmen waren erfolgreich und haben dazu beigetragen, dass die Situation in Hessen deutlich günstiger ist als in vielen anderen Ländern und anders als in der von anderen Ländern beeinflussten bundesweiten Berichterstattung beschrieben. Die Studienplatzkapazitäten an den hessischen Hochschulen wurden zum Wintersemester 2017/2018 für die Lehrämter an Grundschulen und an Förderschulen um 315 Plätze ausgeweitet . Das entspricht einem Ausbau um 50 %. Der Doppelhaushalt 2018/2019 beinhaltet eine weitere Steigerung um noch einmal 90 Plätze. Im Wintersemester 2018/2019 werden an hessischen Hochschulen somit insgesamt 1.035 Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen und das Lehramt an Förderschulen zur Verfügung stehen. Die Hochschulen haben teilweise weitere Studierende aufgenommen. Die hohe Nachfrage belegt die große Attraktivität des Lehrberufs. Eingegangen am 18. September 2018 · Bearbeitet am 18. September 2018 · Ausgegeben am 21. September 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6644 18. 09. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6644 Stehen trotzdem für konkrete Einstellungsbedarfe keine Lehrkräfte mit Lehramt oder Lehrbefähigung zur Verfügung, wird pädagogisch geeignetes Personal ohne Lehramt eingestellt. Personen ohne Lehramt unterrichten seit jeher im hessischen Schuldienst. Die Gründe dafür sind vielfältig und lassen keinen Rückschluss auf die tatsächliche Eignung für den Unterrichtseinsatz zu. So befinden sich darunter beispielsweise Pfarrerinnen und Pfarrer, die Religion unterrichten, oder Diplomsportlehrkräfte für den Sportunterricht. Der wesentliche Unterschied gegenüber den 1980er und 1990er Jahren liegt darin, dass ihre Zahl heute aufgrund der Einführung von SAP im Jahr 2005 durch statistische Auswertungen genauer festgestellt werden kann. Die Zahl steigt oder fällt mit dem Angebot an Stellen und der Zahl verfügbarer Bewerberinnen und Bewerber. Zu einem großen Teil werden auch Vertretungsunterrichte durch Lehrkräfte mit Lehramt erteilt. Um alle Vertretungsunterrichte durch Lehrkräfte mit Lehramt zu besetzen, müssten jedoch für jeden Ort Hessens Lehrkräfte für sämtliche Lehrämter und Fächerkombinationen frei zur Verfügung stehen. Dies wäre allenfalls denkbar, wenn eine deutlich größere Zahl ausgebildeter Lehrkräfte ständig auf dem Arbeitsmarkt verfügbar wäre, was mit einer erheblichen, nicht wünschenswerten Lehrerarbeitslosigkeit korrelieren würde. Die Informationen über die Qualifikationen der Lehrkräfte, auch derjenigen ohne Lehramt liegen der Kultusverwaltung anhand der Personalakten ausnahmslos vor und werden vor der Einstellung sorgsam geprüft. Sie werden allerdings derzeit nicht elektronisch vollständig auswertbar gespeichert. Das war auch in der Verantwortung früherer Landesregierungen und in den 1990er Jahren nicht anders, ohne dass darin in der fachlichen, öffentlichen und politischen Diskussion ein Missstand gesehen worden wäre. Die Aufgabe, Lehrkräfte einzustellen, ist aus guten Gründen den Staatlichen Schulämtern zugewiesen . Sie sorgen mit ihrer genauen Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und in enger Zusammenarbeit mit den Schulleitungen in Einzelfallprüfungen dafür, passgenau fachlich und pädagogisch geeignetes Personal einzustellen. Die Schulleitungen gewährleisten den fachlich adäquaten Einsatz und überwachen die Qualität des Unterrichts. Die Schulverwaltung kennt dabei, wie bereits dargelegt, genau die Qualifikationen, die jede einzelne an den Schulen mit pädagogischen Aufgaben betraute Person vorzuweisen hat. Die Nachweise dazu sind in den Personalakten hinterlegt, aufgrund derer auch die tarifliche Eingruppierung erfolgt. Das Hessische Kultusministerium steht bei der Lehrkräfteeinstellung durch die Abfrage von Stellenbesetzungsständen, Telefonkonferenzen und Dienstbesprechungen in engem Kontakt mit den einstellenden Staatlichen Schulämtern und verfügt damit über einen genauen Überblick über die trotz der bundesweit erhöhten Nachfrage nach geeignetem Personal sehr gute Versorgungssituation der hessischen Schulen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Woher weiß der Kultusminister zum Schuljahresbeginn 2018/2019, dass nur qualifizierte Lehrkräfte an hessischen Grund- und Förderschulen eingesetzt werden? Auf die Vorbemerkung des Kultusministers wird verwiesen. Frage 2. Über welche Qualifikationen verfügen die rund 850 Lehrkräfte an Grundschule, über die im April 2018 noch keine statistisch auswertbaren Einträge zur Ausbildung vorhanden wagen? (Vgl. Drucks. 19/6370, Antwort auf die Fragen 9 bis 11) Frage 3. Über welche Qualifikationen verfügen die 231 von 449 Förderschullehrkräften mit Unterrichtserlaubnis oder fehlendem Qualifikationseintrag, über die im April 2018 noch keine statistisch auswertbaren Einträge zur Ausbildung vorhanden wagen? (Vgl. Drucks. 19/6370, Antwort auf die Fragen 18 bis 20) Die Fragen 2 und 3 werden jeweils wie folgt beantwortet: Die Staatlichen Schulämter arbeiten intensiv an der Umsetzung der vorgenommenen Einstellungen in den Hessischen Schuldienst. Die erfragten Daten werden erst Mitte November zentral vorliegen. Dies entspricht den üblichen Daten- und Statistikstichtagen, wie sie auch in den Vorjahren galten. Auch insofern gibt es keine Besonderheiten im laufenden Jahr. Frage 4. Wie definiert die Landesregierung eine "Qualifizierte Lehrkraft" an einer Grundschule sowie an einer Förderschule? Frage 5. Gelten demnach folgende Personen als qualifiziert: a) Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler (BA), die über keinerlei Erfahrung im Umgang mit Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung verfügen, jedoch als neue TV-H-Kräfte eines Beratungs- und Förderzentrums an einer Grundschule im inklusiven Unterricht eingesetzt werden und eine Grundschullehrkraft im Umgang mit einem inklusiv zu beschulenden Schüler anleiten sollen, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6644 3 b) Studierende des Grundschullehramts im vierten Semester, mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde, die als TV-H-Kräfte ausschließlich im Sport- und Musikunterricht einer Grundschule eingesetzt werden, c) Juristinnen und Juristen, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben, aber über keinerlei pädagogische Ausbildung verfügen und an einer Grundschule im Rahmen eines TV-H- Vertrags Mathematik und Sachkunde an einer Grundschule erteilen? Frage 6. Wie begründet sie, dass für Fachkräfte in hessischen Kindertageseinrichtungen gemäß § 25b HKJGB nur bestimmte Berufsgruppen gemäß Fachkräftekatalog zugelassen sind, für Lehrkräfte an hessischen Grundschulen und Förderschulen jedoch keine entsprechenden Standards gelten? Zur Beantwortung der Fragen 4, 5 und 6 wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 7. In wie vielen Fällen wurde zum Schuljahresbeginn 2018/2019 eine Unterrichtserlaubnis an einer Grund- oder Förderschule ausgesprochen, weil ein unabweisbares Unterrichtsbedürfnis vorlag und nachhaltige Bemühungen zur Gewinnung einer ausgebildeten Lehrkraft ohne Ergebnis geblieben sind? Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen. Wiesbaden, 11. September 2018 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz