Kleine Anfrage der Abg. Wissler (DIE LINKE) vom 14.08.2018 betreffend Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Trifft es zu, dass die Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim im gültigen Regionalplan Südhessen als zu erhaltende Schieneninfrastruktur eingezeichnet ist? Ja, der Trassenverlauf der ca. 5,2 km langen Schienenstrecke Groß-Bieberau - Reinheim ist gemäß Regionalplan Südhessen/Regionaler Flächennutzungsplan 2010 unter dem Ziel Z5.1-12 in Verbindung mit der korrespondierenden Festlegung in der Plankarte für eine Wiederinbetriebnahme zu sichern. Frage 2. Trifft es zu, dass ein Entwidmungsverfahren bei der gegenwärtigen Rechtslage an dem zwingend zu beachtenden Regional- und landesplanerischen Ziel Z5.1-12 scheitern würde? Eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken ("Entwidmung") für Grundstücke, die Betriebsanlage einer Eisenbahn sind oder auf denen sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, ist in § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) geregelt. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen , der Eigentümer des Grundstücks oder die Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, sind demnach berechtigt, einen Antrag auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken zu stellen. Ein Antrag auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken für die Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim durch einen der Antragsberechtigten ist vor diesem Hintergrund dem Grunde nach möglich. Eine eventuelle Genehmigungsfähigkeit eines derartigen Antrags wäre durch die zuständige Planfeststellungsbehörde anhand der Voraussetzungen des § 23 AEG für eine Freistellung (es besteht kein Verkehrsbedürfnis mehr und es ist langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten) zu prüfen. Sofern ein Antrag gestellt wird, wäre durch die Planfeststellungsbehörde auch zu prüfen, ob Ziele des Regionalplans entgegenstehen. Frage 3. Ist bei der zuständigen Landesbehörde ein Stilllegungsantrag des Betreibers der Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim eingegangen (Wenn ja, wann?) Die Groß-Bieberau - Reinheimer Eisenbahn GmbH (GBRE) hat mit Schreiben vom 1. Juni 2017, ergänzt durch Schreiben vom 1. November 2017, die dauerhafte Einstellung des Betriebes (Stilllegung) der Strecke Reinheim (km 0,0) – Groß-Bieberau (km 5,4) beantragt. Der Antrag wurde damit begründet, dass der Betrieb nicht mehr zumutbar sei. Bereits seit dem Jahr 2005 sei kein Güterverkehr mehr auf der Strecke abgewickelt und auch keine Umsätze durch den Betrieb der Eisenbahnstrecke mehr erzielt worden. Zuständige Behörde für die Genehmigung von Streckenstilllegungen nichtbundeseigener Eisenbahnen wie der GBRE nach § 11 AEG ist in Hessen das Regierungspräsidium Darmstadt. Die Genehmigung zur Stilllegung des Betriebes der o. g. Strecke wurde nach § 11 Absatz 2 AEG zum 1. Februar 2018 erteilt. Die Stilllegung erfolgte laut Mitteilung der GBRE zum 31. März 2018. Eingegangen am 21. September 2018 · Bearbeitet am 21. September 2018 · Ausgegeben am 27. September 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6684 21. 09. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6684 Frage 4. Teilt die Landesregierung die Ansicht des Groß-Bieberauer Bürgermeisters Edgar Buchwald (Darmstädter Echo, 11.11.2016), dass durch Abriss der Strecke die Ortsumfahrung B 38 schneller und preisgünstiger realisiert werden könne? Die von der Stadt Groß-Bieberau beauftragte Machbarkeitsstudie für eine Ortsumgehung Groß- Bieberau zeigt die Möglichkeit einer Linienführung auf, die die heutige Bahntrasse kreuzt, aber keinen Abriss der Strecke vorsieht. Einem Abriss der Strecke würde im Übrigen die Widmung der Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim entgegenstehen, da die Stilllegung (§ 11 AEG) nur die Betriebspflicht entfallen lässt, dagegen nichts an der durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellung vermittelten Zweckbindung der Bahnanlage ändert, die eine Überplanung zu anderen Zwecken ausschließt. Um den planungsrechtlichen Status als Bahnanlage aufzuheben, bedürfte es einer Freistellung von Bahnbetriebszwecken gemäß § 23 AEG. Eine solche liegt nicht vor. Welche Linienführung sich schlussendlich für eine Vorzugsvariante bei der Planung der Ortsumgehung herausstellt, kann erst im Rahmen einer Voruntersuchung auf der Grundlage einer Abwägung erfolgen. Sofern eine Bahnstrecke nicht von Bahnbetriebszwecken freigestellt ist, kann diese Fläche auch nicht in eine Vorplanung einbezogen werden. Frage 5. Wird die Landesregierung (evtl. zusammen mit dem Landkreis) Maßnahmen einleiten, um diese nur 40 km vor den Toren Frankfurts und 20 km vor den Toren Darmstadts liegende Strecke zu erhalten? Wenn ja, welche? Frage 6. Haben das Land und/oder die weiteren ÖPNV-Aufgabenträger in den letzten 13 Jahren Konzepte für die Reaktivierung der Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim für den Personenverkehr in Auftrag gegeben oder liegen bereits Konzepte vor? (Wenn ja, welche?) Frage 7. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag, auf der Strecke der Odenwaldbahn mit "Odenwaldbahn-Flügelzügen" Direktverbindungen von Groß-Bieberau über Darmstadt nach Frankfurt in weniger als einer Stunde Reisezeit anzubieten? Frage 8. Wird die Landesregierung den Vorschlag der "Odenwaldbahn-Flügelzüge" in die laufende Odenwaldbahn -Zukunftsuntersuchung einbringen? Frage 9. Hält es die Landesregierung für sinnvoll, eventuell gemeinsam mit Landkreis und RMV, eine Kosten-Nutzen-Untersuchung in Auftrag zu geben, um die Zukunftsperspektiven für die Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim zu erkunden? Frage 5 bis 9 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Für das Land Hessen wurde auf der Grundlage des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNVG) vom 1. Dezember 2005, in der Fassung vom 29. November 2012 festgelegt , dass die Aufgabenträgerschaft für den öffentlichen Personennahverkehr nicht beim Land Hessen, sondern bei den Landkreisen, kreisfreien Städten und den Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern in gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung mit den Verkehrsverbünden liegt (§ 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 ÖPNVG). Die Prüfung von Angebotskonzepten z.B. für die Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim ist daher auf der Grundlage der für das Land Hessen getroffenen Aufgabenzuweisungen eine kommunale Aufgabe in Zusammenarbeit mit dem jeweils zuständigen Verkehrsverbund (hier dem Rhein-Main Verkehrsverbund, RMV), die im Rahmen der Aufstellung der Nahverkehrspläne zu erfolgen hat und mangels Zuständigkeit nicht vom Land übernommen werden kann. Daher hat die Landesregierung den RMV um Stellungnahme gebeten. Er führt zu den genannten Fragestellungen folgendes aus: Von Seiten des RMV bestünden vor dem Hintergrund des bestehenden guten Busangebotes derzeit keine Überlegungen, die Strecke Groß-Bieberau - Reinheim für den Personenverkehr zu reaktivieren . Daher sei auch keine Machbarkeitsprüfung beauftragt worden. Im Rahmen der anstehenden Fortschreibung des verbundweiten Nahverkehrsplans werde der RMV in Abstimmung mit dem lokalen Aufgabenträger, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg, diesen Sachstand überprüfen und die weitere Vorgehensweise abstimmen. Zu dem Vorschlag der Flügelung von Zugfahrten in Reinheim hat der RMV mitgeteilt, dass gegenüber dem heutigen Fahrplan- und Betriebskonzept des Bus- und Regionalbahnverkehrs durch eine Flügelung in Reinheim keine wesentliche Angebotsverbesserung, die zu einer Reduzierung von Reisezeiten führt, erreicht werden könne. Grund hierfür sei insbesondere der erforderliche Richtungswechsel in Reinheim, der die notwendigen Prozesszeiten für eine Flügelung bzw. Zugvereinigung weiter erhöhe, sowie das bestehende durchgehende Busangebot, das zur Vermeidung eines Parallelverkehrs mit der Schiene bei Einrichtung eines Schienenverkehrs einzuschränken wäre. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6684 3 Von Groß-Bieberau bestehe ein Angebot von zwei Direktbuslinien in die Innenstadt von Darmstadt sowie von vier Buslinien zum zentralen Umsteigepunkt in Reinheim. Mit einer Reaktivierung der Eisenbahnstrecke und einer Brechung des Busverkehrs in Groß-Bieberau würde für viele Relationen aus dem Gersprenztal und dem vorderen Odenwald ein zusätzlicher Umsteigezwang entstehen. Weiterhin sei durch einen verlängerten Zeitbedarf zum Flügeln/Vereinigen in Reinheim voraussichtlich mit dem Verlust von bestehenden Anschlussverbindungen im Bahnhof Groß-Umstadt Wiebelsbach zu rechnen. Frage 10. Wird die Landesregierung den Brief des Fahrgastverbands Pro Bahn vom Oktober 2016 beantworten , welcher Staatsminister Tarek Al Wazir am 11. Oktober 2017 in Seeheim nochmals persönlich überreicht wurde? (Wenn ja, wann?) Der Landesregierung liegt eine E-Mail des Fahrgastverbandes Pro Bahn vom 21. November 2016 mit dem Betreff "Stadt Groß-Bieberau will Gleisanlagen zugunsten B 38-Umgehung abbauen " vor. Am 25.11.2016 wurde Pro Bahn - ebenfalls per E-Mail - geantwortet. Darüber hinaus hat die Landesregierung mit Vertretern des Fahrgastverbandes Pro Bahn und den zuständigen Verkehrsverbünden am 23.11.2017 ein Gespräch geführt und im Anschluss an das Gespräch , die Bestandsaufnahme stillgelegter Strecken des Arbeitskreises der ÖPNV-Aufgabenträger und des Landes Hessen (Stand 14.09.2017) mit der Bitte um Stellungnahme übersandt. Mit Schreiben vom 22.03.2018 hat der Fahrgastverband Pro Bahn umfangreich Stellung genommen . Die Stellungnahme umfasst auch Ausführungen zur Bahnstrecke Groß-Bieberau - Reinheim. Nach Abschluss der Prüfung dieser Stellungnahme durch die zuständigen Aufgabenträger wird der fachliche Dialog mit dem Fahrgastverband Pro Bahn im Herbst 2018 - wie vereinbart - fortgesetzt. Wiesbaden, 12. September 2018 Tarek Al-Wazir