Kleine Anfrage des Abg. Lotz (SPD) vom 28.08.2018 betreffend Interessenkonflikt zwischen der Windenergie und den Vorgaben des FSC und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Gibt es nach Ansicht der Landesregierung einen Interessenkonflikt, wenn Natura-2000-Gebiete und andere im Rahmen der FSC-Zertifizierung stillgelegte Flächen für die Windenergienutzung zur Verfügung gestellt werden? Nein. Nach der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Hessen 2000 vom 21. Juni 2018 (GVBl. I Nr. 19 vom 10. September 2018, S. 398 ff.) sind Maßgaben für die Ermittlung von "Vorranggebieten zur Nutzung der Windenergie" (Windvorrangflächen ) verankert. Danach hat die Festlegung dieser Vorranggebiete in den Regionalplänen auf der Grundlage eines planerischen Konzepts zu erfolgen, für das unter anderem folgende Kriterien gelten: Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie dürfen nicht in Nationalparks, Naturschutzgebieten , im Nahbereich von Naturdenkmälern, in gesetzlich geschützten Schutz- und Bannwäldern, in der Kern- und ehemaligen Pflegezone A des hessischen Teils des Biosphärenreservates Rhön und in den Kernzonen der Welterbestätten festgelegt werden; alle übrigen Flächen mit ausreichenden Windverhältnissen, die nicht den Ausschlusskriterien (……..) unterliegen , sind für die regionalplanerische Prüfung und Ermittlung von Vorranggebieten heranzuziehen , Natura-2000-Gebiete nur insofern, als die Windenergienutzung mit den Erhaltungszielen vereinbar ist oder die Voraussetzungen für eine FFH-rechtliche Ausnahme vorliegen; die Bedürfnisse der gegenüber der Windenergienutzung empfindlichen Vogel- und Fledermausarten sind bei der Festlegung besonders zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist dem naturschutzrechtlichen Vermeidungsgebot zu entsprechen, in dem vorrangig die Bereiche mit vergleichsweise geringem Konfliktpotenzial für die Auswahl und Festlegung als "Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie" geprüft werden. Müssen Waldflächen innerhalb der Vorranggebiete zur Errichtung von Windenergieanlagen gerodet und in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden, ist hierfür eine Waldumwandlungsgenehmigung erforderlich. Diese Flächen sind anschließend kein Wald mehr. Für die Waldinanspruchnahme wird nach Maßgabe des Waldgesetzes Kompensation geleistet. Die Übereinstimmung mit diesen Vorgaben und die Umweltverträglichkeit von Windenergieplanungen wird im Zulassungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz von den Regierungspräsidien bestätigt. Natura-2000-Gebiete werden nur in wenigen Ausnahmefällen für die Ausweisung von Vorranggebieten Windenergie überlagert. In diesen Fällen muss mit Aufstellung des Teilregionalplans Energie die erforderliche Verträglichkeitsprüfung bereits erfolgt sein. Bei Flächen innerhalb von Natura-2000-Gebieten handelt es sich ferner nicht um "im Rahmen der FSC-Zertifizierung stillgelegte Flächen". Vielmehr unterliegen diese Flächen meist der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung unter der Maßgabe, dass sich diese den besonderen Schutzzielen unterzuordnen hat. "Kernflächen Naturschutz" des Landesbetriebs HessenForst, die dauerhaft ohne Holznutzung bleiben, werden vom Land Hessen als Eigentümer nicht für den Bau und Betrieb von Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt. Eingegangen am 16. Oktober 2018 · Bearbeitet am 17. Oktober 2018 · Ausgegeben am 19. Oktober 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6722 16. 10. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6722 Frage 2. Ist nach Ansicht der Landesregierung eine Flächenausweisung zur energetischen Nutzung den Bemühungen um eine möglichst hohe Biodiversität und den Zielen der FSC-Zertifizierung übergeordnet ? (Bitte die Antwort begründen.) Diese Frage lässt sich nach Ansicht der Landesregierung weder mit ja noch mit nein beantworten . Auch innerhalb der Vorranggebiete Windenergie strebt die Landesregierung auf den nicht konkret für die Windenergiegewinnung genutzten Flächen eine möglichst hohe biologische Vielfalt an. Die Landesregierung misst der Umsetzung der Energiewende in Hessen zudem eine große Bedeutung bei. Planerisches Ziel ist es, die besonders energieeffizienten, windhöffigen Flächen zu erschließen und vor entgegenstehenden Raumansprüchen in einer Größenordnung von 2 % der Landesgebietsfläche zu sichern. Die nach Maßgabe des Landesentwicklungsplanes aufgestellten Teilregionalpläne Energie tragen dafür Sorge, dass naturschutzrechtlich weniger wertvolle Waldstandorte überplant werden können. Die Festlegung von Vorranggebieten dient einerseits der Erfüllung der Ausbauziele des Landes für die erneuerbaren Energien, der Klimaschutzziele des Landes und der Sicherstellung der Befriedigung des ermittelten Energiebedarfes, andererseits auch dem Schutz vor Eingriffen außerhalb der Vorranggebiete. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit stellt nach Vorgabe des Landesentwicklungsplans einen sehr wichtigen Belang der öffentlichen Daseinsvorsorge dar. Innerhalb der "Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie" können deshalb grundsätzlich zur Genehmigung von einzelnen Windenergieanlagen Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG von artenschutzrechtlicher Verboten auch zu Lasten von EU-weit geschützten Vogel- und Fledermausarten zugelassen werden. In der Regel erfolgen Planungen jedoch so, dass die Erfüllung von Verbotstatbeständen durch geeignete Maßnahmen vermieden werden kann. Der Staatswald des Landes Hessen unterstützt neben der Energiewende auch die Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie in besonderer Weise. So wurde die Neufassung der Richtlinie für die Bewirtschaftung des Staatswaldes (RiBeS 2018) vor kurzem mit einem neuen Hauptziel "Biodiversität" ergänzt. Konkreten Ausdruck findet dieses Ziel unter anderem in der Festlegung , dass 10 % der Baumbestandsfläche des Staatswalds als Kernflächen für den Naturschutz einer unbeeinflussten, natürlichen Waldentwicklung zuzuführen sind. Auf ein und derselben Waldfläche sind jedoch alle Ziele grundsätzlich nebeneinander zu erfüllen. Dies erfolgt durch eine integrative Bewirtschaftung auf 90 % der Fläche. Auch auf diesen 90 % haben bei dem Erfordernis einer Abwägung die Biodiversitätsziele und die Klimaschutzziele und weiteren Schutzziele , wie der Gewässerschutz oder der Immissionsschutz, wegen ihrer weitreichenden Bedeutung für die Erhaltung des Ökosystems Wald Vorrang. Dies ist nach Auffassung der Landesregierung mit den Vorgaben der FSC-Zertifizierung in Einklang zu bringen. Nach den Kriterien der Zertifizierung (FSC-Standard 3.0) sind Waldumwandlungen im Ausnahmefall möglich, wenn die Umwandlung eine sehr begrenzte Fläche betrifft und damit verbundene Nachteile für den Naturschutz durch geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen innerhalb des Forstbetriebs eindeutig, sicher und langfristig kompensiert werden sowie besondere Schutzwerte und die dafür notwendigen Flächen nachweislich erhalten, verbessert oder neu geschaffen werden. Dies wird durch die behördlichen Zulassungen und die im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens vom Flächeneigentümer vorzubringenden Belange sichergestellt. Frage 3. Sind Flächen für die Nutzung von Windenergieanlagen auf bereits stillgelegten Flächen geplant? Falls ja: a) An welchen Stellen? b) Wie groß sind die Flächen und wie groß sind die erforderlichen Zuwegungsstraßen? (Bitte Breite/Länge/Art angeben.) Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Weder auf den Ausschlussflächen nach Landesentwicklungsplan noch auf den Kernflächen Naturschutz des Landesbetriebs HessenForst erfolgen Planungen für Bau und Betrieb von Windkraftanlagen oder werden landeseigene Waldgrundstücke zur Verfügung gestellt. Frage 4. Wie wird der generelle Eingriff in den "Naturhaushalt" einer Windenergieanlage im Hessischen Staatswald bewertet und geregelt (Flächenbeschreibungen, Nicht-Holzbodenfläche, Pacht- Ausgleichsflächen), aber auch immaterielle Faktoren wie gravierende Störungen der Fauna und Flora, Schall, Windverwirbelungen, Feuer, Vogelschlag etc.? Die naturschutzrechtlichen Zulassungen im Zuge der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von Windenergieanlagen erfolgen im Staatswald nach denselben Rechtsgrundlagen wie außerhalb desselben. Ich verweise hierzu auf die Anleitung https://www.hlnug.de/fileadmin/downloads /luft/Anleitung_Antragsunterlagen_Windenergieanlagen_Mai_2015.pdf Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6722 3 Frage 5. Sind die für die Nutzung der Windenergieanlagen die neu zu errichtenden Straßen mit dem FSC Standard vereinbar und wurden diese Flächenausweisungen/Flächenversiegelungen mit dem FSC/dem akkreditierten Zertifizierer kommuniziert und ggf. von Ihnen genehmigt? (Bitte die Antwort begründen.) Für Planungen und Maßnahmen der Daseinsvorsorge wie die Errichtung von Windkraftanlagen und auch die in diesem Zusammenhang erfolgenden baulichen Veränderungen an Infrastruktur und sonstigen Flächen fordert der deutsche FSC-Standard, dass dabei die gültige Rechts- und Gesetzeslage eingehalten und insbesondere die Grundsätzen des Indikators 6.9.1 des deutschen FSC-Standards berücksichtigt werden. Da bei solchen Vorhaben ohnehin ein öffentlichrechtliches Planungs- und Genehmigungsverfahren zu durchlaufen ist, wird die Minimierung der erforderlichen Maßnahmen und der Ausgleich der damit verbundenen Nachteile für den Naturschutz hierin berücksichtigt. Eine zusätzliche und formale Genehmigung solcher Maßnahmen durch den Zertifizierer oder sogar durch FSC ist in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen oder erforderlich. Sehr wohl wurden und werden solche Maßnahmen jedoch während der regelmäßigen Audits gegenüber dem Zertifizierer kommuniziert. Bisher kam es hierbei gegenüber dem Landesbetrieb HessenForst nicht zu Beanstandungen von konkreten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung von Windenergieanlagen im hessischen Staatswald. Wiesbaden, 6. Oktober 2018 Priska Hinz