Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 14.07.2014 betreffend Anerkennung von Verbänden, die zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) berechtigt sind, sowie zur Genehmigung von Windkraftanlagen in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Die Planung von Windkraftvorhaben insbesondere an windschwachen Standorten und in Waldgebieten führt, gerade in Ermangelung von einsatzfähiger und kostengünstiger Speichertechnologie, zu immer gravierenderen Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung. Die parallele, aber unabgestimmte Planung von Windparks im Taunus könnte dazu führen, dass die Überflugmöglichkeiten für Kraniche und andere Zugvögel in bedenklicher Weise gefährdet werden. Von Bürgerinitiativen wird dabei verstärkt Kritik an den von Projektentwicklern vorgelegten Gutachten geäußert, teilweise ist von gravierenden Mängeln und Gefälligkeitsgutachten die Rede. Bürgerintiativen beklagen, dass ihnen in den Genehmigungsverfahren beim RP wesentliche Beteiligungsrechte abgeschnitten und unter der neuen Landesregierung diverse Anerkennungsverfahren nach § 3 UmwRG verschleppt bzw. unangemessen langsam bearbeitet werden. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Das UmwRG dient der Umsetzung der sog. Aarhus-Konvention, d.h. dem völkerrechtlichen Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und der Umsetzung der Richtlinie 2003/35/G vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, der sog. Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie. Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) ist gemäß § 3 Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 1 der Verordnung über die Zuständigkeit nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 3. Mai 2010 (GVBl. I S. 139) für die Erteilung von Anerkennungsbescheiden nach § 3 UmwRG zuständig, soweit es um die Anerkennung von Vereinigungen geht, deren Tätigkeitsbereich nicht über das Gebiet des Landes Hessen hinausgeht. § 3 UmwRG regelt die zentrale Voraussetzung für den Zugang von Umweltverbänden zu den Gerichten im Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 1 UmwRG). Nur die staatlich anerkannten Vereinigungen sind befugt, Rechtsbehelfe im Sinne des UmwRG einzulegen. Sie erhalten damit eine sehr weitreichende Möglichkeit, Verwaltungshandeln kontrollieren zu lassen und Einfluss auf die Realisierung von Vorhaben zu nehmen. Letzteres war in der Vergangenheit von prominenten hessischen Vertretern der Partei des Fragestellers in Bezug auf Infrastrukturvorhaben sehr kritisch gesehen worden. § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwRG knüpft die Anerkennung an fünf Voraussetzungen , wobei auf zwei Punkte besonders hinzuweisen ist: Die antragstellende Vereinigung muss im Zeitpunkt der Anerkennung seit drei Jahren bestehen und im Sinne ihres satzungsmäßigen Zwecks tätig gewesen sein (Nr. 2). Ferner muss sie die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten (Nr. 3). Die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsbehelfen wird im öffentlichen Interesse eröffnet. Die Klage hat der Durchsetzung des Umweltrechts und damit dem Umweltschutz zu dienen. Daraus erwächst das Erfordernis, sorgfältig zu prüfen, ob die antragstellende Vereinigung die genannten Anforderungen tatsächlich hinreichend erfüllt. Diese Prüfung ist schwieriger als die gleichlautenden Anerkennungsvoraussetzungen nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes von 1976. Während nämlich Naturschutzvereinigungen landesweit tätig sein mussten und damit von vornherein eine gewisse Organisationsstruktur, größere Mitgliederzahlen, fachkundige Mitglieder und wirtschaftliche Mittel aufzuweisen hatten und haben , sind nach dem UmwRG auch Vereine anzuerkennen, die nur lokal oder regional tätig sind. Eingegangen am 4. September 2014 · Ausgegeben am 9. September 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/675 04. 09. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/675 Diese weisen die genannten Strukturmerkmale typischerweise nicht in dieser Ausprägung auf. Anders als nach dem Bundesnaturschutzgesetz, welches verlangte, dass die anzuerkennende Vereinigung Zwecke des - insoweit vergleichsweise engen - Naturschutzes und der Landschaftspflege verfolgte, sieht das UmwRG vor, dass die Vereinigung Ziele des Umweltschutzes verfolgt. Diese Zwecksetzung ist offenkundig wesentlich weitgehender. Im Ergebnis ist die Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen daher aufwendiger, in aller Regel sind Erkundigungen über die Vereinigungen bei verschiedenen Stellen oder Nachfragen erforderlich. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Anträge auf Anerkennung gemäß § 3 UmwRG sind derzeit noch unbeschieden? Lediglich ein Antrag ist bisher noch nicht beschieden. Der Antrag betrifft den Verein "Feldberginitiative " e.V. in 60306 Frankfurt am Main. Frage 2. Wie lange ist die durchschnittliche Zeit der Bearbeitung von Anträgen gemäß § 3 UmwRG in den Jahren 2012 und 2013 gewesen? Sämtliche Anträge resultieren aus dem Jahr 2013 (Zeitpunkt der Antragstellung). Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer ergibt sich aus der beigefügten Tabelle (siehe Anlage). Danach lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Anträge bei 27,25 Wochen. Frage 3. Wie viele Anträge gemäß § 3 UmwRG wurden seit Beginn der laufenden Legislaturperiode ge- nehmigt bzw. abgelehnt? Seit 2013 wurden insgesamt sechs Vereinigungen anerkannt. Das sind: a) Der Vogelschutzverein Holzhausen/Hünstein e.V. in 35232 Dautphetal-Holzhausen, b) der Verband Hessischer Fischer e.V. in 65185 Wiesbaden, c) der Verein "Aktionsgemeinschaft Rettet den Burgwald" e.V. in 35083 Wetter, d) der Verein "Naturerbe Taunus" e.V. in 65388 Schlangenbad, e) der Verein "Naturkundliche Gesellschaft Mittleres Fuldatal (NGMF)" e.V. in 36179 Bebra und f) der Verein "Schutzgemeinschaft Vogelsberg (SGV)" e.V. in 35447 Reiskirchen. Vier Bescheide (c bis f) wurden in der laufenden Legislaturperiode erteilt. Abgelehnt wurde bisher keine Vereinigung. Lediglich der Tätigkeitsbereich wurde anhand der vorgelegten Satzungsunterlagen in fünf Fällen (a, c bis f). räumlich beschränkt. a) Gebiet des Landkreises Marburg-Biedenkopf, c) Gebiet der Altkreise Frankenberg und Marburg, d) Gebiet des Rheingau-Taunus-Kreises und der Stadt Wiesbaden, e) Gebiet des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, f) Städte und Gemeinden im "Naturraum Vogelsberg". Der Verband Hessischer Fischer e.V. in 65185 Wiesbaden (b) wurde landesweit anerkannt. Frage 4. Wie viele Anträge gemäß § 3 UmwRG wurden jeweils in 2012, 2013 beschieden, wie viele wur- den genehmigt, wie viele wurden abgelehnt? Hierzu verweise ich auf die Antwort zu Frage 3. Frage 5. Gibt es eine Weisung oder informelle Anregung zur verlangsamten Bearbeitung? Nein. Frage 6. Wie bewertet die Landesregierung das Risiko, dass die parallele, aber unabgestimmte und nicht im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung harmonisierte Planung von Windparks im Taunus dazu führen könnte, dass die Überflugmöglichkeiten für Kraniche und andere Zugvögel in bedenklicher Weise gefährdet werden und die Lebensräume für gefährdete Vogel- und Fledermausarten mangels in Summe zu stark eingeschränkter Ausweichräume existenzgefährdend bedroht werden? Die für den vom Fragesteller benannten Sachverhalt relevanten naturschutzfachlichen Prüfungsinhalte sind unabhängig davon, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist oder nicht. Bei der fachlichen Prüfung eines Projektes sind gegebenenfalls bestehende Vorbelastungen zu berücksichtigen. Deshalb wird das vom Fragesteller benannte Risiko als vernachlässigbar angesehen. Im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sind die Notwendigkeit und die Art und Weise der Berücksichtigung von Vorhaben, die gleichzeitig, aber unabhängig voneinander Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/675 3 verwirklicht werden sollen, ausdrücklich vorgesehen. Soweit die gesetzlichen Kriterien für kumulierende Vorhaben im Sinne von § 3b Abs. 2 UVPG erfüllt sind, werden diese Vorhaben bei der Prüfung der Erforderlichkeit sowie bei der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch zusammen betrachtet. Gerade bei geplanten Windparks im Grenzbereich von Regierungsbezirken finden eine Information und ein Austausch auf fachlicher Ebene zwischen den betroffenen Regierungspräsidien statt, um Auswirkungen, die den Zuständigkeitsbereich überschreiten, zu ermitteln und entsprechende Maßnahmen zu deren Vermeidung bzw. Verhinderung ergreifen zu können. Frage 7. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Auftraggutachter, insbesondere bei einer Beauftragung durch Gesellschaften des Konzerns der juwi AG, Gefälligkeitsgutachten erstatten, bei denen gravierende avifaunistische Probleme nicht oder nicht sorgfältig untersucht wurden? Den Regierungspräsidien und dem HMUKLV liegen dazu keine Erkenntnisse, Anhaltspunkte oder Informationen vor. Frage 8. Wie wird die Landesregierung auf eine Harmonisierung der Genehmigungspraxis bei den Regie- rungspräsidien im Interesse eines möglichst hohen Schutzniveaus für Bürger und Natur hinwirken und insbesondere eine Vorfeldgeltung der Vorgaben des LEP sicherstellen? Die Harmonisierung der Genehmigungspraxis in den Regierungspräsidien findet in vielerlei Hinsicht durch die vom HMUKLV herausgegebenen Verfahrenshandbücher, Leitfäden und Handlungsempfehlungen - allen voran das "Verfahrenshandbuch zum Vollzug des BImSchG - Durchführung von Genehmigungsverfahren bei Windenergieanlagen" und der "Leitfaden Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA) in Hessen" - bereits statt. Die Zweite Verordnung zur Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 - Vorgaben zur Nutzung der Windenergie - vom 27. Juni 2013 (Änderung des LEP; GVBl S. 479; Antrag der Landesregierung Drs. 18/7123, Beschlussempfehlung Drs. 18/7476) enthält Ziele und Grundsätze der Raumordnung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ROG als Vorgabe für die Regionalplanung . Die Ziele Z 1 ("Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie" mit Ausschlusswirkung ), Z 2 (Kleinwindanlagen) und Z 3 a bis h (Kriterien für das planerische Konzept zur Festlegung der "Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie") der Änderung des LEP sind eindeutig an die Träger der Regionalplanung gerichtet und verbindliche Vorgaben für die Aufstellung der Sachlichen Teilpläne in den drei Regierungsbezirken. Eine "Vorfeldgeltung" für Genehmigungsverfahren entfaltet die LEP-Änderung daher grundsätzlich nicht. Frage 9. Hat die Landesregierung Anhaltspunkte dafür, dass Entwickler von Windparks systematisch Winddaten schönen und Bürgern, die in Genossenschaftsmodelle oder Bürgerbeteiligungsmodelle dieser Anbieter gelockt werden, deshalb hohe finanzielle Risiken drohen? In den Regierungspräsidien gibt es dazu keine Informationen bzw. Erkenntnisse. Im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wird die Wirtschaftlichkeit der beantragten Vorhaben nicht geprüft. Frage 10. Hat die Landesregierung Anhaltspunkte dafür, dass im Bereich des Regierungspräsidiums Darm- stadt und im Bereich der Kommunalaufsicht für den Hochtaunuskreis Vorgaben für die Verwaltungspraxis gemacht wurden, mit denen kritische Windkraftprojekte gegen Widerstände der Bevölkerung durchgedrückt werden? Vom Regierungspräsidium Darmstadt wurden dem Hochtaunuskreis kommunalaufsichtlich keine "Vorgaben für die Verwaltungspraxis gemacht, mit denen kritische Windkraftprojekte gegen Widerstände der Bevölkerung durchgedrückt werden". Es liegen im Regierungspräsidium Darmstadt auch keine Erkenntnisse über eine entsprechende Verwaltungspraxis des Hochtaunuskreises vor. Wiesbaden, 21. August 2014 Priska Hinz Anlage Verfahren zur Anerkennung von Vereinigungen gemäß § 3 Abs. 1 UmwRG lfd. Nr. antragstellende Vereinigung Antrag vom Anhörung vom Bescheid vom Bearbeitungszeit 1 Vogelschutzverein Holzhausen/Hünstein e.V. 21. Februar 2013 (eingeg. am 25. Februar 2013) 4. April 2013 Entw.: 4. April 2013 Bescheid: 8. April 2013 6 Wochen 2 Verband Hessischer Fischer e.V. 8. April 2013 (eingeg. am 10. April 2013) 12. Juli 2013 Entw.: 12. Juli 2013 Bescheid: 2. August 2013 14 Wochen 3 Aktionsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“ e.V. 30. Juni 2013 (eingeg am 1. Juli 2013) 17. Oktober 2013 Schr. Verein 24. Okt 2013 Schr. 31. Okt. 2013 Entw. v. 29. Jan. 2014 Bescheid: 20. März 2014 Änderung: 15. April 2014 37,5 Wochen 4 Naturkundliche Gesellschaft Mittleres Fuldatal e.V. (NGMF) 11. Juli 2013 (eingeg. am 16. Juli 2013) 9. September 2013 Schr. 18. Sept. 2013 Schr. an Stadt Sontra am 30. Okt 2013 Entw. v. 25. Sept. 2013 Bescheid: 7. März 2014 34 Wochen 5 „Naturerbe Taunus“ e.V. 16. Juli 2013 (eingeg. am 18. Juli 2013) 25. September 2013 Schr. Verein 1. Okt. 2013 Schr. 17. Okt. 2013 Schr. Verein 19. Okt. 2013 Schr. an UNB 31. Okt. 2013 Entw.: 25. Sept. 2013 Bescheid: 15. April 2014 39 Wochen 6 Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. 31. Juli 2013 (eingeg. am 2. August 2013) 27. November 2013 E-Mail Verein 10. Dez. 2013 und 21. Jan. 2014 Entw.: 27. Nov. 2013 Bescheid: 20. März 2014 33 Wochen 7 Feldberginitiative e.V. 20. November 2013 Entw.: 18. März 2014 35 Wochen bisher (21/VII) baumro Schreibmaschinentext Anlage baumro Schreibmaschinentext