Kleine Anfrage der Abg. Hofmeyer (SPD) vom 07.09.2018 betreffend allgemeinmedizinische Versorgung im Landkreis Kassel und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Bei aller Freude über die mutige Entscheidung dreier Ärzte aus Vellmar (Landkreis Kassel), mit der Eröffnung einer Zweigpraxis in Calden (Landkreis Kassel) die allgemeinmedizinische Versorgung in der Gemeinde wiederherzustellen, sind der Berichterstattung der Hessisch Niedersächsischen Allgemeine, Ausgabe Hofgeismar vom 01.09.2018 auch kritische Töne von Seiten der Ärzte wie auch des Bürgermeisters zu entnehmen . Fehlende finanzielle Unterstützung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ebenso wie des Landes Hessen stoßen auf Unverständnis. Beklagt werden u.a. großer bürokratischer Aufwand bei der Beantragung von Fördergeldern und sehr lange Bearbeitungszeiten der betreffenden Anträge. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen fördert im Rahmen ihres bundesgesetzlichen Sicherstellungsauftrags u.a. die Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten in (Fach-)Gebieten mit einem besonderen Versorgungsbedarf. Ergänzend fördert das Land über das Programm "Kommunale Maßnahmen zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum" Maßnahmen, die zu einer Attraktivitätssteigerung der Praxis beitragen, wie z.B. Baumaßnahmen im Sinne von Sanierung und Renovierung von Praxisräumen sowie die Gewährung von Mietkostenzuschüssen für Praxisräume, um eine Lücke zum regionalen Mietspiegel zu schließen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Sind der Landesregierung die Probleme hinsichtlich der allgemeinmedizinischen Versorgung in der Gemeinde Calden bekannt? Mit Schreiben vom 18.09.2018 teilt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) mit, dass ihr bekannt sei, dass eine Ärztin ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Calden zum 31.12.2017 ohne Nachfolgeregelung beendet habe. Hausärzte werden nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie auf Mittelbereichsebene beplant. Aufgrund regionaler Besonderheiten wurden mit dem Bedarfsplan 2015 die Planungsbereiche Stadt und Landkreis Kassel verkleinert. Calden gehört nunmehr zum Planungsbereich Kassel-Süd. Am 12.04.2018 hat der Landesausschuss für den Planungsbereich einen Versorgungsgrad von 104,23 % festgestellt. Konkret sind 4,5 hausärztliche Zulassungen möglich. Im Vorjahreszeitraum lag der Versorgungsgrad noch bei 100,55 %, so dass eine leichte Verbesserung konstatiert werden konnte. Betrachtet man allein die Gemeinde Calden kommt man nach den Ausführungen der KVH bei 7.798 Einwohnern und drei Vertragsärzten auf ein Arzt/Einwohner-Verhältnis von 2.599 Einwohnern je Arzt. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältniszahl von 1.671 sind weitere Zulassungen in Calden, aber auch im gesamten Planungsbereich Kassel-Süd, wünschenswert. Relativierend wirkt die Tatsache, dass das Fallzahlaufkommen der Caldener Ärzte im Vergleich zur Fachgruppe bei leicht über 70 % liegt, so dass nach Einschätzung der KVH freie Kapazitäten vermutet werden können und nicht von einem dringenden Versorgungsbedarf ausgegangen werden könne. Unabhängig davon könne jedoch festgestellt werden, dass sich die Versorgung der Patienten durch die Genehmigung der in der Kleinen Anfrage angesprochenen Zweigpraxis verbessert habe. Wie auch die Vellmarer Ärzte ausführen würden, verringert diese für die Patienten aus Calden den Anfahrtsweg. Eingegangen am 8. Oktober 2018 · Bearbeitet am 9. Oktober 2018 · Ausgegeben am 12. Oktober 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6770 08. 10. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6770 Frage 2. Welche Maßnahmen haben KV und/oder Landesregierung in den letzten Monaten ergriffen, um Allgemeinmediziner/innen zu unterstützen, die bereit sind, eine Praxis in Calden zu gründen bzw. zu übernehmen? Niederlassungsinteressierte Ärztinnen und Ärzte werden intensiv durch die BeratungsCenter der KVH persönlich betreut. Neben der persönlichen Beratung werden Abgeber und interessierte Gründer auf Initiative der KVH zum Beispiel durch die Netzwerkveranstaltung "Gründer- und Abgeberforum" zusammengebracht, welches in der Regel zwei Mal im Jahr unter anderem in Kassel stattfindet. Das nächste Gründer- und Abgeberforum findet am 17. November in Kassel statt. Auch die genannten Ärzte wurden eng durch das BeratungsCenter Kassel betreut und intensiv unterstützt. Die KV Hessen habe das Vorhaben der Gründung einer Zweigpraxis in Calden stets positiv begleitet. Im Juli 2018 erkundigte sich der Bürgermeister der Gemeinde Calden über eine mögliche Landesförderung der damals geplanten Zweigpraxis der drei Vellmarer Ärzte. Seither fand ein intensiver Beratungsaustausch mit dem Bürgermeister der Gemeinde Calden statt. Ein Förderantrag zum genannten Programm liegt der zuständigen Bewilligungsbehörde bis heute nicht vor. Frage 3. Welche Gründe gibt es nach Ansicht der Landesregierung für die fehlende Unterstützung der Ärzte bei der Praxisübernahme? Frage 4. Gibt es vergleichbare Klagen auch aus anderen Städten/Gemeinden des Landkreises Kassel? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die KVH führt mit Schreiben vom 18.09.2018 zu diesen beiden Fragen aus, dass - wie unter Frage 2. dargestellt -, das BeratungsCenter Kassel die Ärzte aus Vellmar betreut und bei der Gründung der Zweigpraxis beraten und unterstützt habe. Insofern gebe es keine fehlende Unterstützung zu beklagen, ausgenommen einer finanziellen. Das Beispiel belege jedoch deutlich die Gefahr der Fehlsteuerung aufgrund finanzieller Anreize. Unabhängig von einer monetären Unterstützung seien die Ärzte intensiv und positiv bei ihrem Vorhaben betreut und unterstützt worden. Immer mehr müsse man leider die Erfahrung machen , dass Ärztinnen und Ärzte ihre vertragsärztliche Tätigkeit von Geldzahlungen abhängig machen würden. Umso wichtiger sei es, dass z.B. die Ansiedlungsförderung der KVH ausschließlich in Regionen mit einem besonders dringenden Versorgungsbedarf greife. Die Sicherstellungsrichtlinie der KVH definiert für die Ansiedlungsförderung folgende Gebiete als solche mit einem regionalen Versorgungsbedarf: a) Planungsbereiche, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen b) Hessen Unterversorgung oder in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung festgestellt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V), c) Regionen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Hessen einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf festgestellt hat (§ 100 Abs. 3 SGB V), d) Hausärztliche Planungsbereiche, bei denen - der von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen berechnete, gemeindebezogene Versorgungsgrad unter 100% liegt und - der Versorgungsgrad im zugehörigen Mittelbereich gemäß gültigem Bedarfsplan unter 100% liegt und - der (fiktive) Versorgungsgrad im Mittelbereich unter Berücksichtigung nur der Ärzte im Alter< 60 Jahre unter 75% liegt. e) Allgemein-fachärztliche Planungsbereiche (…) Hausärztlich seien nach diesen Vorgaben 58 Städte/Gemeinden in Hessen als Fördergebiete ausgewiesen . Die Fördergebiete würden stets aktuell auf den Internetseiten der KVH veröffentlicht. Über diese Gebiete hinaus sei eine Ansiedlungsförderung nicht möglich. Die KVH hält es für wichtig, klare und transparente Regelungen zu haben, die es den interessierten Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, schnell einzuschätzen, ob der geplante Standort förderfähig sei. Calden könne derzeit unter Anwendung der genannten Kriterien leider nicht als ein Fördergebiet ausgewiesen werden. Vergleichbare Klagen über fehlende (finanzielle) Unterstützung seien der KVH aus dem Landkreis Kassel nicht bekannt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6770 3 Die Gemeinde Calden wurde zudem intensiv vom Ministerium über Fördermöglichkeiten des Landes bei der Gründung der Zweigpraxis informiert und beraten. Mit E-Mail vom 12.09.2018 wurde der Gemeinde mitgeteilt, dass eine Landesförderung nur dann in Frage kommt, falls über die Ansiedlungsförderung der KVH eine solche nicht möglich ist. Eine Rückmeldung der Gemeinde Calden über die Entscheidung der KVH über eine mögliche Ansiedlungsförderung sowie ein entsprechender Förderantrag liegen dem Ministerium bis heute nicht vor. Vergleichbare Klagen aus dem Landkreis Kassel sind auch dem HMSI nicht bekannt. Frage 5. Entspricht es den Tatsachen, dass Anträge auf Fördermittel des Landes für Praxisgründungen/- übernahmen so kompliziert sind und ihre Bearbeitung so langwierig ist, dass Ärzte die entsprechenden Mittel in der Regel vorfinanzieren müssen? Frage 6. Falls ja, welche Maßnahmen wird die Landesregierung kurzfristig ergreifen, um die Beantragung von Fördermitteln und die Verfahren zur Bearbeitung zu beschleunigen und damit Praxisansiedlungen /-übernahmen zu vereinfachen? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Nach Einschätzung der KVH sind ihre Förderprogramme betont unbürokratisch gehalten. Der 2-seitige Antrag auf Förderung könne bereits lange im Voraus der geplanten Niederlassung bzw. Zweigpraxistätigkeit gestellt werden, so dass frühzeitig Klarheit über die finanziellen Mittel besteht. Entscheide sich die Ärztin bzw. der Arzt für die Auszahlung in Jahrestranchen sei, ausgenommen der stets einzureichenden Mitteilung über die tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit, keine weitere Aktivität notwendig und der Förderbetrag würde über fünf Jahre jährlich ausbezahlt. Bei der Wahl als Einmalzahlung seien Rechnungskopien und Überweisungsnachweise einzureichen. Die Förderkandidaten lobten immer wieder den unbürokratischen Ablauf der Abwicklung. Für die Antragstellung zum Landesprogramm "Kommunale Maßnahmen zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum" steht ein elektronischer Vordruck auf der Internetseite des Ministeriums zur Verfügung. Darüber hinaus beraten die zuständigen Mitarbeiterinnen der Bewilligungsbehörde telefonisch gerne zu etwaigen Fragen. Aus den dargestellten Tatsachen zur Kleinen Anfrage ergibt sich aus Sicht der Landesregierung keine Notwendigkeit das bisherige Antragsverfahren zu verändern. Wiesbaden, 1. Oktober 2018 Stefan Grüttner