Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 10.10.2018 betreffend Aufarbeitung von Missständen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Das effiziente Vorgehen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung ist ein maßgebliches Instrument zur Bekämpfung schwerster krimineller Tatbestände. In der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), die als zentraler Akteur die "Verhinderung, Aufdeckung und Unterstützung bei der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung" (Artikel 32 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2015/849) gewährleisten soll, bestehen nach Ansicht des Fragestellers gravierende Missstände. Seitdem die FIU zum 26.06.2017 fachlich und strukturell neu ausgerichtet und zur Generalzolldirektion in das Zollkriminalamt überführt wurde, mehren sich Belege und Hinweise, dass die FIU Meldungen, die mit Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche in Zusammenhang stehen, nicht innerhalb der gesetzlichen Frist an die zuständigen (Strafverfolgungs-)Behörden der Länder weitergeleitet hat. Transaktionen möglicher inkriminierter Gelder sollen deshalb von den zuständigen Stellen nicht mehr rechtzeitig vor einem Eingang in den Geldkreislauf angehalten bzw. ausgesetzt worden sein. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen am 26.06.2017 werden Verdachtsmeldungen ausschließlich der FIU zugeleitet. Eine Weiterleitung der Sachverhalte an die Strafverfolgungsbehörden erfolgt nur noch, soweit die FIU im Rahmen ihres Clearings feststellt, dass ein Vermögensgegenstand mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder einer sonstigen Straftat in Zusammenhang steht bzw. Hinweise auf Gefährdungen der Steuer- oder Sozialsysteme vorliegen. Des Weiteren erfolgt die Weiterleitung durch die FIU nur an eine zuständige Strafverfolgungsbehörde. In Hessen erfolgt die Weiterleitung der Verdachtsmeldungen, die in Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen, an das Hessische Landeskriminalamt. Verdachtsmeldungen , die ausschließlich steuerlich relevant sein können, werden durch die FIU direkt den Steuerfahndungsstellen zugeleitet. Sofern Verdachtsmeldungen neben Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung auch steuerlich Relevanz haben, werden diese über die zuständige Strafverfolgungsbehörde der Finanzbehörde zugeleitet. Diese Vorbemerkungen vorangestellt beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz und dem Minister der Finanzen wie folgt: Frage 1. Wie viele Verdachtsmeldungen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorfinanzierung stehen, wurden den zuständigen (Strafverfolgungs-) Behörden in Hessen seit dem 26. Juni 2017 von der FIU übermittelt? Seit der Verlagerung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) vom Bundeskriminalamt (BKA) zum Zollkriminalamt (ZKA) sind in Hessen 2374 Verdachtsmeldungen beim Hessischen Landeskriminalamt registriert worden. Zudem hat die FIU insgesamt 221 Meldungen direkt an die Steuerfahndungsstellen der hessischen Finanzämter übermittelt (Stand Oktober 2018). Eingegangen am 27. November 2018 · Bearbeitet am 28. November 2018 · Ausgegeben am 30. November 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6802 27. 11. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6802 Frage 2. Wie viele nicht fristgerecht weitergeleitete Geldwäscheverdachtsmeldungen gemäß §§ 43 Abs. 1, 46 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 des Geldwäschegesetzes (GWG) - sogenannte Fristfälle - sind der Landesregierung oder den ihr nachgeordneten Behörden seit dem 26.06.2017 bekannt geworden (Bitte um Angabe in tabellarischer Form, sortiert nach Datum und Höhe der Transaktion in Euro. Bitte in der Antwort explizit auch Informationen des Bundesinnenministeriums, anderer Landeskriminalämter, der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem BKA (AG Kripo) sowie weiterer Behörden und Stellen auflisten)? In Hessen ist bislang eine Verdachtsmeldung, die von dem Verpflichteten als Fristfall gekennzeichnet war, nach der gesetzlich vorgegebenen Dreitagesfrist eingegangen. Datum der Verdachtsmeldung Eingang im HLKA Höhe der Transaktion 06.09.2017 12.06.2018 49.000 € Informationen aus anderen Bundesländern oder dem Bund liegen hier nicht vor. Frage 3. Wie viele dieser Fälle standen in Zusammenhang bzw. in Verdacht mit Geldwäsche oder Terrorfinanzierung (Bitte nach den einzelnen Arten getrennt aufschlüsseln)? In diesem einen Fall wurde die Verdachtsmeldung nach Bearbeitung im HLKA (Clearing) zusammen mit dem FIU-Analysebericht der zuständigen Staatsanwaltschaft in Gießen übermittelt. Ob ein Anfangsverdacht hinsichtlich Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung vorlag, steht noch nicht fest, da die Rückmeldung der Staatsanwaltschaft noch aussteht und der Verpflichtete die Verdachtsmeldung nicht mit dem Merker "Terrorismusfinanzierung" gekennzeichnet hatte. Frage 4. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen wurden unmittelbar vor Fristablauf von der FIU an die (Strafverfolgungs-)Behörden übermittelt, so dass nicht mehr die Möglichkeit einer fristgerechten Vornahme strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen bestand? Hierzu finden keine statistischen Erhebungen statt. Frage 5. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen sind nach Kenntnis der Landesregierung oder den ihr nachgeordneten Behörden den (Strafverfolgungs-)Behörden seit dem 26.06.2017 mit dem Hinweis "Russian Laundromat" weitergeleitet worden? Seit dem 26.06.2017 wurden 19 Verdachtsmeldungen mit dem Bezug zum Komplex "Russian Laundromat" nach Hessen übermittelt. Frage 6. Wie viele Strafverfahren wurden seit dem 26.6.2017 von den zuständigen (Strafverfolgungs-) Behörden eingeleitet, in denen die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Informationen zugeliefert hat? Eingehende Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche werden bei den Staatsanwaltschaften elektronisch mit einer Verfahrensklasse und einem Sachgebiet erfasst. Damit kann ausgewertet werden, wie viele Geldwäscheverfahren seit dem 26.06.2017 bei den Staatsanwaltschaften eingetragen wurden. Für die größte Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main waren dies beispielsweise bis zum Stichtag 19.10.2018 insgesamt 1443 Verfahren. Unter diesen Verfahren befinden sich aber nicht nur solche Vorgänge, bei denen die FIU seit dem 26.06.2017 Informationen zugeliefert hat, sondern auch Verfahren, bei denen die Geldwäscheverdachtsmeldung durch die Verpflichteten bereits vor dem 26.06.2017 und damit auf dem zuvor geltenden Meldeweg erstattet wurde. Von einer händischen Auswertung sämtlicher Einzelvorgänge wurde aufgrund des damit einhergehenden erheblichen Verwaltungsaufwandes für die hessischen Staatsanwaltschaften abgesehen. Die Staatsanwaltschaften haben auf der Grundlage der Erfahrungen der mit solchen Verfahren befassten Dezernentinnen und Dezernenten berichtet, dass nach dem 26.06.2017 längere Zeit nahezu keine Geldwäscheverdachtsmeldung von der neuen FIU bei ihnen eingegangen sei, sondern die Neueingänge fast ausschließlich aus Verfahren aus dem zuvor geltenden Meldeweg stammten. Erst in der jüngeren Vergangenheit sei ein regelmäßiger Eingang von Verfahren der neuen FIU zu verzeichnen. In Steuerstrafverfahren hat die FIU in sechs eingeleiteten Verfahren Informationen zugeliefert. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6802 3 Frage 7. In wie vielen Fällen hat die zuständige Staatsanwaltschaft die FIU seit dem 26.06.2017 über die weitere strafprozessuale Entwicklung gemäß § 42 des Geldwäschegesetzes in Kenntnis gesetzt (bitte sortiert nach Datum und Art der Übersendung (Anklageschrift, begründeten Einstellungsentscheidung und Urteil des Strafverfahrens))? Die Staatsanwaltschaften haben der FIU nach § 42 Abs. 1 GWG (neu) die Klageerhebung bzw. den Ausgang des Verfahrens mitzuteilen. Die gleiche Verpflichtung enthielt zuvor § 11 Abs. 8 GWG (alt). Flankiert wird dies -noch in Bezug auf die alte gesetzliche Regelung- durch Nr. 52 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra). Die tatsächliche Abgabe der Mitteilung wird aber statistisch nicht erfasst, so dass die Übermittlung der Mitteilung nur durch eine händische Überprüfung sämtlicher betroffener Verfahren erfolgen könnte. Insoweit wurde von einer händischen Auswertung sämtlicher Einzelvorgänge aufgrund des damit einhergehenden erheblichen Verwaltungsaufwandes für die hessischen Staatsanwaltschaften abgesehen. Unter Berücksichtigung, dass die Finanzbehörden in selbstständig durchgeführten Ermittlungsverfahren nach § 399 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaften wahrnehmen, so dass es sich bei den Bußgeld- und Strafsachenstellen der hessischen Finanzämter um den Staatsanwaltschaften gleichgestellte Stellen handelt, wird folgender ergänzender Hinweis gegeben: Von Rückmeldungen über die Verwendung der an die Finanzbehörde übermittelten Informationen und insbesondere der aufgrund dieser Informationen getroffenen Maßnahmen (einschließlich der steuerlichen Auswirkung und der steuerstrafrechtlichen Würdigung des mitgeteilten Sachverhalts ) nach § 42 Abs. 2 GWG sieht die Finanzverwaltung derzeit ab, da dies nicht mit § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO (Steuergeheimnis) vereinbar ist. Das Steuergeheimnis wird nicht durch die Regelung in § 42 Abs. 2 GWG durchbrochen. Frage 8. Gibt es nach Einschätzung der (Strafverfolgungs-)Behörden hinsichtlich der Verwertbarkeit der von der FIU übersandten Analysen zwischen Mitteilungen, die vor dem 26.06.2017 und danach eingetroffen sind, nennenswerte qualitative Unterschiede bzw. worin unterscheidet sich die Verwertbarkeit der Analysen konkret? Vor dem 26.06.2017 gingen die Geldwäscheverdachtsmeldungen direkt bei den Strafverfolgungsbehörden ein. Seit dem 26.06.2017 werden sämtliche Verdachtsmeldungen durch die Verpflichteten an die FIU übermittelt. Dort findet eine Analyse der gemeldeten Transaktionen statt und anschließend wird dort entschieden, ob die Verdachtsmeldung und der Analysebericht an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten ist oder im Monitoring der FIU verbleibt (Filterfunktion ). Eine qualitative Unterscheidung hinsichtlich der Verwertbarkeit von Analysen, die Mitteilungen vor bzw. nach dem 26.06.2017 betreffen, ist daher nicht möglich. Die beteiligten Staatsanwaltschaften beklagen allerdings in Bezug auf die Abgabe von Geldwäscheverdachtsmeldungen durch die neue FIU und die dazugehörigen Analyseberichte regelmäßig die erheblichen zeitlichen Verzögerungen und die Tatsache, dass der Tatvorwurf oft unklar sei - hier war vorher durch die Bearbeitung bei der Generalstaatsanwaltschaft regelmäßig der Tatbestand genannt, auf den sich ein Anfangsverdacht bezog. Zudem bemängeln sie die oftmals unübersichtlichen Meldungen bzw. Datenmengen und die wenigen weiterführenden Informationen in den beigefügten Analyseberichten. Bedeutend ist der Unterschied der Filterfunktion beim alten und neuen Meldeweg. Während die Strafverfolgungsbehörden bis zum 26.06.2017 die Geldwäscheverdachtsmeldungen unmittelbar erhalten haben und bewerten konnten, ist dies seit dem Zuständigkeitswechsel nicht mehr der Fall. Vor dem 26.06.2017 haben in Hessen die Generalstaatsanwaltschaft als Vorprüfstelle und das HLKA als polizeiliche Empfangsstelle sofort eine erste Sichtung der eingehenden Verdachtsmeldung vorgenommen. Seit dem 26.06.2017 erhalten die Strafverfolgungsbehörden nicht mehr unmittelbar Kenntnis von einer Geldwäscheverdachtsmeldung. Die administrativ aufgestellte neue FIU ist alleiniger Empfänger der Verdachtsmeldung und entscheidet auf Grundlage der dort vorhandenen Erkenntnisse und ohne direkten Zugang zu den landespolizeilichen Datenbeständen , ob die Meldung hinreichende Hinweise auf ein mögliches strafbares Verhalten enthält und daher den Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis zu geben ist. Frage 9. Wurden nach Ansicht der Landesregierung die Bedenken und Hinweise der (Strafverfolgungs-) Behörden hinsichtlich der Neuaufstellung der FIU, die im Rahmen der 4. EU-Geldwäscherichtlinie erfolgte und die die Zusammenarbeit der (Strafverfolgungs-) Behörden mit der FIU betrifft , ausreichend vom Gesetzgeber berücksichtigt? Das Hessische Ministerium der Justiz hat im Gesetzgebungsverfahren zum neuen Geldwäschegesetz im Oktober 2016 gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bedenken gegen eine Verlagerung der FIU vom Bundeskriminalamt in den Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums und das Entfallen der Weiterleitung sämtlicher Geldwäscheverdachtsanzeigen an die Strafverfolgungsbehörden erhoben. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6802 Frage 10. Inwiefern setzt sich die Landesregierung konkret für eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit der FIU ein? Bedienstete des Hessischen Landeskriminalamtes nehmen regelmäßig an Tagungen, Workshops, Umfragen und Beteiligungsverfahren der FIU zu unterschiedlichen fachlichen und technischen Themen teil. Zudem werden die vorgesehenen Hospitationen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FIU im Hessischen Landeskriminalamt unterstützt. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FIU im Rahmen ihrer Analyse der Verdachtsmeldungen für die steuerlichen bzw. steuerstrafrechtlich relevanten Sachverhalte zu sensibilisieren, haben hessische Steuerfahnder bereits im Dezember 2017 einen Workshop bei der FIU für die dortigen Bediensteten durchgeführt. Wiesbaden, 20. November 2018 Peter Beuth