Kleine Anfrage der Abg. Di Benedetto und Merz (SPD) vom 22.10.2018 betreffend Anzeigen gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker wegen Meinungsäußerungen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Reaktionäre Kräfte versuchen, den politischen Diskurs in Hessen zu blockieren und politische Gegnerinnen und Gegner und Kritikerinnen und Kritiker mit juristischen Maßnahmen einzuschüchtern. In Hessen wurden mehrere Mandatsträgerinnen und Mandatsträger für Meinungsäußerungen in kommunalpolitischen Gremien, also im Rahmen der Ausübung ihrer Mandate, von reaktionären Politikerinnen und Politiker abgemahnt und/oder angezeigt. Dieses Vorgehen ist bei zivilrechtlichen Unterlassungsbegehren zumeist mit erheblichen Kostenforderungen verbunden. Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens entstandenen Anwaltskosten werden meist auch trotz einer Einstellung nicht ersetzt. Es ist im Interesse der Gemeinschaft, ehrenamtliche kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger im Falle von zivil- und strafrechtlichen Verfahren, die auf Äußerungen im Rahmen ihrer Tätigkeit beruhen, finanziell abzusichern. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Die Fragesteller weisen in der Vorbemerkung zu ihrer Anfrage darauf hin, dass in "Hessen […] mehrere Mandatsträgerinnen und Mandatsträger für Meinungsäußerungen in kommunalpolitischen Gremien, also im Rahmen der Ausübung ihrer Mandate, von reaktionären Politikerinnen und Politikern abgemahnt und/oder angezeigt" worden seien. Das Hessische Ministerium der Justiz hat mitgeteilt, dass es technisch nicht möglich sei, statistische Daten zum Gegenstand der Anfrage mitzuteilen. Über die Berufszugehörigkeit von Verfahrensbeteiligten oder über ihre kommunalen Ämter werden keine statistischen Daten erhoben. Auch wenn es sich dabei nicht um belastbare statistische Daten handele, seien jedoch die jeweiligen Staatsanwaltschaften um eine Einschätzung gebeten worden. Nach der Erinnerung der bei den Staatsanwaltschaften zuständigen Dezernenten existieren vereinzelt Ermittlungsverfahren gegen Kommunalpolitiker. Nach überwiegender Meinung der Staatsanwaltschaften lasse sich jedoch keine signifikante Häufung von Ermittlungsverfahren gegen Kommunalpolitiker beobachten . Lediglich die Staatsanwaltschaft Darmstadt beobachte eine Zunahme solcher Verfahren auf Betreiben der AfD. Der Hessischen Polizei liegen keine statistischen Daten zu Abmahnungen oder Anzeigen gegen kommunalpolitische Mandatsträgerinnen oder Mandatsträger vor. Sensibilisierungen einzelner Personen erfolgen im Rahmen des polizeilichen Gefährdungslagenmanagements, wenn Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Person vorliegen. Auch die kommunalen Spitzenverbände wurden darum gebeten, darzulegen, ob ihnen nähere Erkenntnisse zu den in der Kleinen Anfrage dargestellten Sachverhalten vorliegen. Der HSGB hat dazu mitgeteilt, dass Anzeigen gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker - sofern der Verband davon überhaupt Kenntnis erhält - nicht quantifizierbar seien. Konkrete Fälle konnten nicht benannt werden. Der Hessische Landkreistag hat nach Rückfrage bei den Kreisen wenige konkrete Fälle benennen können. In seiner Funktion als oberste Kommunalaufsichtsbehörde ist dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport bislang kein solcher Fall vorgetragen geworden, insbesondere hat sich keine Kommune mit Fragen zu möglichen Kostenerstattungen an die oberste Kommunalaufsicht gewandt. Eingegangen am 20. Dezember 2018 · Ausgegeben am 4. Januar 2019 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6810 20. 12. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6810 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz wie folgt: Frage 1. Wie ist die Meinung der Landesregierung zu dem Vorgehen, politische Gegnerinnen und Gegner juristisch unter Druck zu setzen? Die Landesregierung ist der Ansicht, dass der politische Diskurs auf allen Ebenen möglichst sachlich geführt werden sollte. Drohungen jeglicher Art verurteilt die Landesregierung unabhängig davon, aus welchem politischen Spektrum sie stammen. Sie können kein adäquates Mittel politischer Kommunikation sein. Ein juristisches Vorgehen ist in einem Rechtsstaat grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein bloßer Einsatz als "Mittel zum Zweck" ist hiervon jedoch nicht umfasst. Frage 2. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf hinsichtlich der Verbesserung des Schutzes ehrenamtlicher kommunaler Mandatsträgerinnen und Mandatsträger vor juristischen Auseinandersetzungen? Die Möglichkeit, gegebenenfalls auch mit Rechtsmitteln gegen bestimmte Äußerungen vorzugehen , kann bereits aufgrund der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die einschlägigen Gesetze (Bürgerliches Gesetzbuch, Zivilprozessordnung, Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung) durch den Landesgesetzgeber und die Landesregierung nicht eingeschränkt werden. Frage 3. Hält es die Landesregierung für geboten, kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger im Fall einer rechtlichen Auseinandersetzung wegen einer Äußerung, welche im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit gefallen ist, finanziell durch Kostenübernahmeerklärung abzusichern? Frage 4. Welche sonstigen Maßnahmen hält die Landesregierung für die Absicherung von ehrenamtlich tätigen kommunalen Politikerinnen und Politiker für geboten? Frage 5. Welche Maßnahmen sieht die Landesregierung vor, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker gegenüber Drohungen reaktionärer Politikerinnen und Politiker zu sensibilisieren? Die Fragen 3 bis 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Dezember 2017 wurden die Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Rechtsschutz für Landesbedienstete neu erlassen (StAnz 2018, S. 12). Die Vorschrift dient als Rechtsgrundlage für die Gewährung von Rechtsschutz für Landesbedienstete in Strafverfahren und auch für die Übernahme von Kosten der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung in Zivilsachen. Voraussetzung ist jeweils, dass ein dienstliches Interesse an der rechtlichen Klärung besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein dienstliches Verhalten Gegenstand der Rechtsverteidigung oder -verfolgung ist (vgl. Nr. 2.2 und 4.2). Die Vorschrift ist den Gemeinden und Gemeindeverbänden zur entsprechenden Anwendung für ihre Bediensteten empfohlen. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, durch Beschluss der gemeindlichen Gremien die Vorschrift auch für Mandatsträger für entsprechend anwendbar zu erklären, insbesondere soweit es um Verfahren geht, die im direkten Zusammenhang mit der Tätigkeit als Mandatsträger stehen . Für eine solche Vorgehensweise gibt es bereits Beispiele aus der kommunalen Praxis. So hat z.B. die Landeshauptstadt Wiesbaden mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 12. Juni 2008 (Beschluss Nr. 0252) ihren Stadtverordneten auf Basis der o.g. Verwaltungsvorschrift Rechtsschutz gewährt. Daneben besteht auch die Möglichkeit des Abschlusses einer (Straf-)Rechtsschutzversicherung durch die Kommune, die auch die Absicherung von Organmitgliedern anbietet. Zur Sensibilisierung einzelner Personen durch die Hessische Polizei wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 6. Inwiefern strebt die Landesregierung eine Erneuerung des Rechtsschutzes für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in der Kommunalpolitik an? Die Frage einer möglichen Absicherung kommunaler Mandatsträger ist in erster Linie eine solche der kommunalen Selbstverwaltung. Seitens der Landesregierung sind derzeit keine Maßnahmen mit dieser Zielrichtung geplant. Die Landesregierung wird das Thema jedoch weiterhin aufmerksam verfolgen. Wiesbaden, 13. Dezember 2018 Peter Beuth