Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 29.10.2018 betreffend psychosoziale Betreuung geflüchteter Menschen – Teil III und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Für die soziale und psychosoziale Betreuung von Geflüchteten, die den Gebietskörperschaften zugewiesen sind, sind grundsätzlich die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte verantwortlich . Um die psychosoziale Versorgung geflüchteter Menschen sowohl in den Erstaufnahmeeinrichtungen als auch in den kommunalen Einrichtungen weiter zu verbessern, fördert das Land Hessen seit Ende 2017 den Aufbau und die Weiterentwicklung von vier Zentren zur psychosozialen Beratung, Stabilisierung und Betreuung von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den Kommunen. Das Angebot soll sich prioritär an Geflüchtete mit Bleibeperspektive und in Folge der Flucht traumatisierte und psychisch belastete Menschen sowie Opfer von Folter und Gewalt richten. Im Rahmen der förderfähigen psychosozialen Betreuung von Geflüchteten aus kommunalen Einrichtungen dienen die Psychosozialen Zentren als erste Anlaufstellen zu Krisenintervention und Stabilisierung, wobei der Fokus auf schwere Fälle gelegt werden soll. Bei erweitertem Behandlungsbedarf haben die Psychosozialen Zentren die Aufgabe, geeignete weiterführende Hilfen im Rahmen der Regelversorgung zu vermitteln. Der Höchstbetrag der Landesförderung beträgt 400.000 € pro Jahr und Zentrum. Die Zuwendung wird als Festbetragsfinanzierung im Wege einer Projektförderung gewährt. Über den genannten Förderbetrag hinausgehende Personal- und Sachausgaben werden durch die jeweiligen Träger der Psychosozialen Zentren in Form von Eigen- und/oder Drittmitteln bzw. Fördermitteln getragen. Antragsberechtigt waren öffentliche, kirchliche, gemeinnützige und private Träger sowie eingetragene Vereine aus Hessen mit entsprechender Erfahrung und Expertise im Bereich der psychosozialen Beratung und Betreuung von traumatisierten sowie psychisch belasteten Geflüchteten. Im Einzelnen wird auf die Förderrichtlinie zum Aufbau Psychosozialer Zentren für Geflüchtete verwiesen, die im Staatsanzeiger für das Land Hessen veröffentlicht wurde (StAnz. 34/2017 S. 779). Die Träger der Psychosozialen Zentren wurden an der Beantwortung der kleinen Anfrage beteiligt . Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass im Hinblick auf die Beratungs- und Unterstützungsbedarfe und die zu betreuende Region die derzeitige Personal- und Sachausstattung ausreichend ist? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass diese Förderung einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, dass die psychosoziale Versorgung von Geflüchteten in Hessen verbessert wird. Im Übrigen werden die Psychosozialen Zentren durch das Forschungsinstitut für Psychoanalyse und ihre Anwendungen Sigmund-Freud-Institut evaluiert. Erkenntnisse liegen der Landesregierung noch nicht vor. Frage 2. Wie kann die Landesregierung veranlassen, dass durch eine verstärkte psychosoziale Unterstützung die hohe Anzahl an Selbsttötungen bzw. Versuche von Flüchtlingen verhindert werden könnte? Im Zeitraum Januar 2017 bis Oktober 2018 sind im Bereich der Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Hessen 1 Suizidfall und 60 Suizidversuche bzw. Selbstverletzungen bekannt geworden. Eingegangen am 11. Dezember 2018 · Bearbeitet am 11. Dezember 2018 · Ausgegeben am 14. Dezember 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6816 11. 12. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6816 Die Grenzen zwischen einer Selbstverletzung und einem versuchten Suizid sind fließend. Es ist deshalb in der Regel nicht mit Sicherheit feststellbar, wann eine Selbstverletzung mit einer suizidalen Absicht zugefügt wird. Aus diesem Grund können diese Handlungen nicht bei allen Vorfällen trenngenau unterschieden werden. Im Bereich Erstaufnahme werden ankommende Geflüchtete durch vielschichtige Angebote und Konzepte in allen Lebenslagen umfänglich betreut. Einen Baustein bildet hierbei die psychosoziale Versorgung. Schutzsuchende, die bereits bei ihrer Ankunft in Hessen selbstverletzendes oder suizidales Verhalten zeigen oder diesbezügliche Gedanken äußern, können in der Regel durch das medizinische Fachpersonal im Ankunftszentrum in Gießen im Rahmen der medizinischen Erstuntersuchung bzw. durch die Landessozialarbeiterinnen und Landessozialarbeiter identifiziert werden. In diesem Zuge werden die Bedarfe ermittelt. Eine Anbindung an die Psychosozialen Zentren und eine psychosoziale Beratung und Betreuung können hierdurch schon ab dem ersten Tag erfolgen. Um zu gewährleisten, dass suizidgefährdete Geflüchtete in den Erstaufnahmeeinrichtungen frühestmöglich erkannt und betreut werden, finden für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Bereiche der Verwaltung, des medizinischen Dienstes und der Sozialbetreuung sowie für Dienstleister, die Kontakt mit Bewohnerinnen und Bewohnern haben, in regelmäßigen Abständen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen statt. Im kommunalen Bereich sind in erster Linie die Landkreise und kreisfreien Städte für die psychosoziale Versorgung zuständig. Diese werden durch das Angebot der Psychosozialen Zentren unterstützt. Frage 3. Wie schätzt die Landesregierung die Ausstattung mit PSZ im Vergleich zu Rheinland-Pfalz (6 Zentren und eine Koordinierungsstelle bei weniger Einwohnern bzw. Flüchtlingen) ein? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Frage 4. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die PSZ ihrem Beratungs- und Unterstützungsauftrag in der erforderlichen Qualität und Quantität mittelfristig nachkommen können? Durch die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Arbeit der Psychosozialen Zentren durch das Sigmund-Freud-Institut werden sowohl qualitative als auch quantitative Erkenntnisse gewonnen, die der weiteren Arbeit und Fortentwicklung der Psychosozialen Zentren dienen. Darüber hinaus finden mindestens dreimal pro Jahr Diskussionen zum Projektstand sowie zur Steuerung der Projektentwicklung im Rahmen der Lenkungsgruppe statt. Fortbildungen und eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit der Psychosozialen Zentren ermöglichen zudem voneinander zu lernen und unterstützen die Weiterentwicklung der Psychosozialen Zentren. Frage 5. Wo sieht die Landesregierung kurz-, mittel- oder langfristig Änderungsbedarf? Es wird auf die Evaluierung der Psychosozialen Zentren durch das Forschungsinstitut für Psychoanalyse und ihre Anwendungen Sigmund-Freud-Institut verwiesen. Wiesbaden, 3. Dezember 2018 Stefan Grüttner