Kleine Anfrage des Abg. Hahn (FDP) vom 22.07.2014 betreffend Einstellung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) Bad Vilbel und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Fragestellers: Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) hat mit Vorstandsbeschluss den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in Bad Vilbel zum 1. Juli 2014 eingestellt. In der öffentlichen Diskussion wird von der KVH kommuniziert, dass die Zahl der 44 Arztsitze in Bad Vilbel nicht den Vorgaben der Bereitschaftsdienstordnung entspräche. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Die Zahl von mindestens 50 Arztsitzen ist in der Bereitschaftsdienstordnung der KV Hessen als Sollgröße formuliert. 50 Arztsitze bedeutet, dass jeder Arztsitz etwas mehr als eine Woche im Jahr aktiv Dienst im ÄBD hat, mit Einrichtung von Hintergrundbereitschaften noch einmal die gleiche Zahl an Rufbereitschaftstagen. Ziel seitens der KVH ist es, den Bereitschaftsdienst soweit zumutbar zu gestalten, dass auch junge Ärztinnen und Ärzte nicht von der Niederlassung abgeschreckt werden. Zum ÄBD Bad Vilbel hat die KVH zudem mitgeteilt, dass vor allem die regionale Dichte an ÄBD-Einrichtungen und deren Versorgungskapazität maßgeblich sei. Bad Vilbel sei mit rund 6 km Ausdehnung ein flächenmäßig sehr kleiner ÄBD-Bezirk, der zudem an drei Seiten vom ÄBD Frankfurt umschlossen sei. Der Frankfurter Hausbesuchsdienst müsse teilweise durch Bad Vilbel hindurchfahren, um bestimmte Hausbesuche in der Region zu fahren. Bad Vilbel liege im Mittel nur 8 km (Wegstrecke Pkw, nicht Luftlinie) von der nächstgelegenen ÄBD-Zentrale in Frankfurt am Bürgerhospital entfernt und das bei einer sehr guten Verkehrsinfrastruktur in der Region. Aber auch der ÄBD in Bad Homburg sei in etwa 15 bis 20 Minuten mit dem Pkw sehr schnell erreichbar, ebenso beispielsweise der ÄBD in Offenbach. Aber auch unter dem Aspekt der Versorgungskapazität bestehe keine Notwendigkeit, den ÄBD Bad Vilbel fortzuführen. Insbesondere während der Woche sei der ÄBD Bad Vilbel bisher nur sehr schwach frequentiert gewesen. Die Inanspruchnahme des ÄBD in Bad Vilbel könne vom ÄBD Frankfurt (rund 100.000 Fälle im Jahr gegenüber ca. 3.500 Fällen im Jahr in Bad Vilbel) vollständig übernommen werden. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist die diesem Beschluss zugrunde liegende Reform des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes Frank- furt am Main von der Hessischen Landesregierung vor Inkrafttreten geprüft, genehmigt und/oder gegenüber der KVH kommentiert worden? Frage 3. Ist die in Rede stehende Bereitschaftsdienstordnung der Hessischen Landesregierung vorgelegt, von ihr genehmigt und/oder gegenüber der KVH kommentiert worden? Die Fragen 1 und 3 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Organisation des ÄBD stellt eine originäre Aufgabe der KVH im Rahmen des ihr nach § 75 Abs. 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrages dar. Die KVH kann und muss den Bereitschaftsdienst im Rahmen ihrer Satzungsautonomie selbst regeln. Die vertragsärztliche Selbstverwaltung , die Vertreterversammlung der KVH, ist mit ihrem einstimmigen Beschluss vom 25. Mai 2013 dieser Verpflichtung nachgekommen. Entsprechende Entscheidungen wie insbesondere die Bereitschaftsdienstordnung unterliegen nicht der Genehmigungspflicht durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Eingegangen am 2. September 2014 · Ausgegeben am 4. September 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/719 02. 09. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/719 Frage 2. Um welche Bedenken handelte es sich, die in der Presseinformation des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration vom 26. Juni 2014 im zweiten Absatz veröffentlicht worden sind? Die Presseinformation bezieht sich auf den Sicherstellungsauftrag der KVH; das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat gegenüber der KVH betont, dass durch die Reform die Sicherstellung auch in den sprechstundenfreien Zeiten gewährleistet bleiben muss. Frage 4. Sieht die Hessische Landesregierung in den Entscheidungen der KV Hessen Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, gegen den Grundsatz der Kostendämpfung und gegen das Willkürverbot, wie es der Erste Stadtrat von Bad Vilbel im Schreiben vom 7. Juli 2014 rechtlich problematisiert hat? Die KVH wird vorliegend als untergesetzlicher Normgeber tätig. Ein Vergleich der Vorgaben zum Willkürverbot bei gesetzgeberischem Handeln liegt daher nahe. Das Bundesverfassungsgericht sieht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in der Ausprägung des Willkürverbots erst dann, wenn "offenkundig ist, dass für die angegriffene gesetzliche Regelung und die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund zu finden ist" (so z.B. BVerfG, 3. Juli 2014, 2 BvL 25/09). Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG fordert generell , dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt wird. Der "Grundsatz der Kostendämpfung" wird durch § 12 Abs. 1 SGB V definiert. Danach gilt auch für den ÄBD, dass dieser nicht zuletzt wirtschaftlich sein muss. Danach sind das ÄBD-Konzept sowie die Bereitschaftsdienstordnung weder willkürlich noch behandeln sie wesentlich Ungleiches gleich, denn jeweils werden sachliche Gründe seitens der KVH vorgetragen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist nach der gesetzlichen Systematik isoliert für den ÄBD zu betrachten. Ein Verstoß ist derzeit nicht ersichtlich. Zur Wirtschaftlichkeit ist bereits in § 8 Abs. 5 der Bereitschaftsdienstordnung eine Evaluation vorgesehen, deren Ergebnisse die Hessische Landesregierung sich vorlegen lassen wird. Zusammengefasst ist die ÄBD-Reform der KVH im Rahmen der Rechtsaufsicht nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu beanstanden. Unabhängig davon hat der Hessische Minister für Soziales und Integration im Rahmen eines Gesprächs am 8. August 2014 mit der KVH und weiteren Beteiligten wie dem Bürgermeister von Bad Vilbel an die KVH appelliert, die einheitliche Systematik des ÄBD für ganz Hessen zu überprüfen. Denn es könnte sinnvoll sein, unter Berücksichtigung der Selbstverwaltung gemeinsam mit den Betroffenen zu schauen, ob etwaige regionale Besonderheiten vorliegen, die in die Strukturierung des ÄBD in Hessen eingehen können. Frage 5. Hat es Kontakt zwischen der Landesregierung und der KVH im Zusammenhang mit der Reform des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes Frankfurt, der Bereitschaftsdienstordnung bzw. der kurzfristigen Schließung des ÄBD in Bad Vilbel gegeben? Ja. Zuletzt fand am 8. August 2014 auf Einladung des Hessischen Ministers für Soziales und Integration ein Gespräch statt, an dem u.a. die KVH und die Stadt Bad Vilbel teilgenommen haben . Frage 6. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass nach Schließung ärztlicher Bereit- schaftsdienste die Zahl der Rettungseinsätze sich erhöht? Da die Neuordnung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erst seit 01.01.2014 schrittweise eingeführt wird, lassen sich hierzu noch keine gesicherten Angaben machen. Mit dem Ziel, erste Tendenzen möglichst kurzfristig zu erkennen, werden auf Vorschlag des Ministers für Soziales und Integration Vertreter der KVH, der Hessischen Krankenhausgesellschaft , der kommunalen Seite (als Vertreter für den Rettungsdienst) und des Ministeriums für Soziales und Integration einen sehr einfachen, unbürokratischen Fragebogen zur Inanspruchnahme des ÄBD, des Rettungsdienstes oder einer Krankenhausambulanz in den sprechstundenfreien Zeiten entwickeln. Wiesbaden, 25. August 2014 In Vertretung: Dr. Wolfgang Dippel