Kleine Anfrage des Abg. Merz (SPD) vom 30.07.2014 betreffend Sexualerziehung in Kindertagesstätten in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Fragestellers: Kinder werden in der modernen Medienwelt immer früher mit Informationen und Bildern zum Thema Sexualität konfrontiert. Dies hat vor Jahren dazu geführt, Sexualkundeunterricht bereits für die 3. Klassen an hessischen Grundschulen einzuführen. Bei vielen Erzieherinnen und Erziehern sowie bei Eltern gibt es Interesse , Sexualerziehung in dem jeweiligen kindlichen Entwicklungsstand angemessener Form bereits in Kindertagesstätten anzubieten. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit von Sexualerziehung in Kindertagesstätten? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass Kinder mit all ihren Fähigkeiten, Bedürfnissen , Wünschen und Kompetenzen im Mittelpunkt des pädagogischen Handelns stehen und ganzheitlich wahrgenommen werden müssen. Kindliche Sexualität gehört dabei zur Gesamtentwicklung der Kinder und ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Entwicklung. "Sexualerziehung" in der Kindertagesstätte nach dem Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan bedeutet nicht, Kindern einen vorgezogenen Sexualunterricht anzubieten. Vielmehr sind Aspekte einer Sexualerziehung bei Kindern im Kindergartenalter in ein ganzheitliches Konzept einzubinden. Ziel ist dabei vor allem, Kinder in ihrer gesamten Entwicklung zu stärken und ihnen dabei auch zu helfen, ein positives Körper- und Selbstkonzept auszubilden. Dabei entdecken sie auch ihre eigene Sexualität und die Geschlechterunterschiede, wobei sie Behutsamkeit, Respekt, Schutz ihrer Intimsphäre und Gleichwertigkeit im sozialen Miteinander von Jungen und Mädchen erfahren müssen. Kinder sollen in der Kindertagesstätte u.a. ihren Handlungs- und Erfahrungsraum erweitern und Wissen über ihren Körper erwerben. Dazu gehört, dass sie ein Gespür für die eigenen körperlichen Fähigkeiten und Grenzen sowie die der anderen entwickeln lernen und diese auch annehmen können. Der Umgang mit diesen Inhalten ist von kulturellen, religiösen, sozialen und familiären Vorstellungen abhängig. Es muss eine wichtige Verabredung zwischen Trägern, Fachkräften und den Eltern sein, in welcher Weise diese Ziele im öffentlichen Raum der Kindertagesstätte konzeptionell und pädagogisch umgesetzt werden können. Kinder in ihrem Selbstkonzept und in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, stellt nach Ansicht der Landesregierung auch eine der wichtigsten Präventionsstrategien im Umgang mit sexuellen Übergriffen dar. Frage 2. Sind der Landesregierung Kindertagesstätten bekannt, die Sexualerziehung bereits anbieten oder anbieten wollen? Frage 3. Wenn ja, welche sind dies und in welcher Trägerschaft arbeiten diese und seit wann bieten sie Sexualerziehung an (Antwort bitte nach Landkreisen aufgeschlüsselt)? Die Fragen 2 und 3 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Nein, der Landesregierung sind keine einzelnen Kindertagesstätten bekannt. Eingegangen am 2. September 2014 · Ausgegeben am 4. September 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/740 03. 09. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/740 Frage 4. Gibt es seitens des Landes ein Konzept, ein Programm oder Handreichungen für Sexualerzie- hung in Kindertagesstätten? Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan beinhaltet auch Aspekte dieses Themas. Er gibt Hinweise, in welcher Weise wichtige Bereiche, die zu einer Sexualerziehung gehören, im Rahmen einer ganzheitlichen Bildung von Kindern umgesetzt werden können, um Kinder angemessen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Hierzu gehören z.B. die Bereiche "Emotionale und soziale Kompetenzen", "Gesundes Aufwachsen" und "Resilienz". Geplant ist darüber hinaus, dieses Thema noch expliziter im Kontext der Neukonzeption der BEP-Fortbildungen, die für nächstes Jahr geplant sind, aufzunehmen bzw. zu beachten. Frage 5. Fördert die Landesregierung Sexualerziehung in Kindertagesstätten? a) Wenn ja, mit welchen Mitteln? Es ist vorrangig die Aufgabe des Trägers, in enger Absprache mit den Eltern, diese Konzepte umzusetzen. Gesonderte Fördermittel seitens des Landes sind hierfür nicht vorgesehen. Allerdings finanziert das Land im Rahmen der Implementierung des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans Fortbildungen, die für Fach- und Lehrkräfte kostenlos in Anspruch genommen werden können. Einzelne BEP-Fortbildungsmodule enthalten Aspekte, die zu einer ganzheitlichen Sexualerziehung der Kinder gehören. Frage 5. b) Wenn nein, gibt es Bundesländer, in denen die Sexualerziehung in Kindertagesstätten geför- dert wird? In nahezu allen Bundesländern wird das Thema für Kinder im Kindergartenalter in den Bildungsplänen - wie im Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan auch - im dargelegten ganzheitlichen Kontext bearbeitet. Fast überall finden entsprechend eingebettete Fortbildungen statt. In Thüringen findet darüber hinaus Sexualerziehung im Rahmen von einzelnen Projekten zur Gesundheitsförderung in Thüringer Kindertageseinrichtungen statt. Das Sozialpädagogische Fortbildungszentrum der Freien Hansestadt Hamburg bietet eine umfangreiche Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte zur sexualpädagogischen Fachkraft an. Frage 5. c) Wenn nein, warum fördert Hessen nicht? Die vorhandenen Fortbildungsangebote des Landes werden für Kinder im Elementarbereich als ausreichend erachtet. Frage 6. Mit welchen Institutionen und freien Trägern wird zu diesem Thema kooperiert bzw. wäre eine Zusammenarbeit denkbar? In die für das nächste Jahr geplante Neukonzeption der Landesfortbildungen zum Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan werden verschiedene Expertinnen und Experten einbezogen werden . Die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten, Trägern von Kindertageseinrichtungen , erfahrenen Fachkräften, Fortbildnerinnen und Fortbildnern ist in Planung und muss noch weiter konkretisiert werden. Wiesbaden, 25. August 2014 In Vertretung: Dr. Wolfgang Dippel