Kleine Anfrage der Abg. Wissler (DIE LINKE) vom 31.07.2014 betreffend die vom Präsidium der TU Darmstadt geplante Umstrukturierung des Instituts für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Ziel der Lehrerbildung ist die Vermittlung erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlicher, fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Kompetenzen (siehe § 1 Abs. 2 Hessisches Lehrerbildungsgesetz). Dabei spielen pädagogische Grundwissenschaften, die an der Technischen Universität Darmstadt vom Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik angeboten werden, eine wichtige Rolle. Die zu vermittelnden Kompetenzen sind in § 15 Abs. 1 Satz 2 Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbGDV) definiert, beim Studium für das Lehramt an Gymnasien sollen diesem Bereich in der Regel 60 Leistungspunkte gewidmet sein (§ 18 Abs. 4 HLbGDV). Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Seit mehreren Jahren entwickelt die Technische Universität Darmstadt (TUD) im Zuge eines Generationswechsels das Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik weiter. Grundlage dafür ist das Gutachten einer externen Strukturkommission aus dem Jahr 2009, die eine Konzentration des Instituts auf die Lehrerbildung empfohlen hat. Daneben sieht die Planung weiterhin eine disziplinär verankerte Pädagogik mit einem eigenständigen Studienangebot im Bachelor und Master vor. Die Neuberufungen der letzten Jahre im Institut (drei W3-Professuren seit 2009) folgen diesen Entwicklungsleitlinien. Das Präsidium der TUD hat in seinem Programm ab 2014 eine Profilbildung der Universität in der Lehrerbildung vorgeschlagen. Im Bereich des Lehramts Gymnasium soll die TUD sich demnach stärker auf die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern mit MINT-Fächern (Mathematik , Informatik, Naturwissenschaften, Technik) konzentrieren. Im Berufsschullehramt will das Präsidium die bestehende Kleinteiligkeit der Studiengangstruktur verringern. Mit beiden Veränderungen zielt das Präsidium strategisch darauf, der gesellschaftlichen Verantwortung der TUD für die Ausbildung von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern noch besser gerecht zu werden und die besonderen Kompetenzen in der Lehrerausbildung zu stärken. Die Vorschläge des Präsidiums werden zurzeit in der Universität diskutiert. Die erste Umsetzungsmaßnahme betrifft den stark nachgefragten Studiengang für das Berufsschullehramt Körperpflege . Bisher wurde die Lehre im Studiengang überwiegend durch eine befristete Stiftungsprofessur im Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik getragen, deren Finanzierung im Herbst 2014 ausläuft. Im Einvernehmen mit Fachbereich und Institut wird der Studiengang durch die Umwidmung einer vakanten Professur für Berufspädagogik nun nachhaltig gesichert . Weitere Entscheidungen sind noch nicht gefallen. Das (Lehramts-)Studium einer Fächerkombination ohne MINT-Fach ist daher – abseits etwaiger Numerus-clausus-Vorgaben – aktuell nicht eingeschränkt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Kultusministerium wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die geplante massive Kürzung von aktuell fünf auf drei grundwissenschaftlich-pädagogische Professuren an der TU Darmstadt, die die Ausbildung in den pädagogischen Grundwissenschaften der Lehramtsstudiengänge sowie den grundständigen Studiengängen Bachelor of Arts Pädagogik und Master of Arts Bildungswissenschaften leisten? Frage 2. Sieht die Landesregierung trotz der aktuellen Planung die Qualität der Lehramtsausbildung für Gymnasien und Berufsschulen an der TUD als gesichert an? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Eingegangen am 8. Oktober 2014 · Ausgegeben am 13. Oktober 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/746 08. 10. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/746 Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, wurde eine Professur für Berufspädagogik des Instituts für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik umgewidmet, um den stark nachgefragten Studiengang für das Berufsschullehramt Körperpflege strukturell abzusichern. Die damit verbundene Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern für Berufsschulen (Ausbildungsberufe Friseurhandwerk und Kosmetik) gibt es neben der TUD bundesweit in ähnlicher Form nur an einem weiteren Standort. Die TUD sah sich daher in einer besonderen Verantwortung, den Studiengang fortzuführen. Entsprechende Schwerpunktsetzungen sind grundsätzlich Kern hochschulischer Autonomie in Hessen und widersprechen vorliegend auch nicht dem Interesse des Landes. Denn sowohl der geschilderte langjährige Entwicklungsprozess für das Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik wie die Vorschläge des Präsidiums zielen darauf ab, die Lehramtsausbildung (Gymnasium und Berufsschule) an der TUD weiter zu verbessern. Das Präsidium der TUD will durch die angedachte Konzentration des Lehramts Gymnasium auf Fächerkombinationen mit mindestens einem MINT-Fach ihr besonderes Profil in der Lehrerausbildung schärfen. Die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer an der TUD sind schon immer stark auf Fragen ausgerichtet, die durch Technik und Naturwissenschaften aufgeworfen werden. Indem auch im Lehramt diese Interdisziplinarität verstärkt wird, kann die TUD sich deutlicher von benachbarten Universitäten mit sehr umfangreichen Lehramtsbereichen unterscheiden und noch attraktiver für entsprechend interessierte Studierende werden. Im Bereich des Berufsschullehramts (Bachelor und Master of Education) will das Präsidium die Kleinteiligkeit des Studienangebots reduzieren. Neben großen Bachelorstudiengängen wie dem Berufsschullehramt Körperpflege sieht das Präsidium den Schwerpunkt künftig im Master of Education. Der Zugang zum Master erfolgt neben dem Bachelor of Education auch über einen ingenieurwissenschaftlichen Bachelor. Die TUD will auf diesem Weg künftig nicht weniger, sondern eher mehr Berufsschullehrerinnen und -lehrer ausbilden. Die TUD hat gegenüber der Landesregierung in diesem Zusammenhang nochmals explizit klargestellt , dass sie bei allen Maßnahmen auf die Qualität der Ausbildung in ihren Studiengängen achten und eine entsprechende Kapazität von Professuren sicherstellen wird. Die Landesregierung geht mithin davon aus, dass Studierende ihr Studium gemäß den gültigen Studienordnungen ordnungsgemäß ableisten können. Frage 3. Wie steht die Landesregierung zu den Plänen des Präsidiums der TU Darmstadt, die Fächerwahl im Lehramt am Gymnasium zukünftig nur noch auf Kombinationen mit mindestens einem MINT-Fach einzuschränken sowie den Bachelor of Education (mit Ausnahme der Ausrichtung Körperpflege) abzuschaffen? Wie in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 ausgeführt, will die TUD durch die angedachte Konzentration des Lehramts Gymnasium auf Fächerkombinationen mit mindestens einem MINTFach ihr besonderes Profil in der Lehrerausbildung schärfen. Wie dieses Ziel umgesetzt werden soll, ist nach Auskunft der TUD bisher nicht entschieden. Denkbar sei die Umsetzung durch die Einrichtung von Kombinationsstudiengängen, wie sie aktuell bereits im Bereich des Joint Bachelor und Master of Education bestünden. Auch hier seien bestimmte Fächerkombinationen ausgeschlossen . Werden die Unterrichtsfächer von vornherein nicht einzeln organisiert, sondern im Rahmen von Kombinationsstudiengängen mit entsprechenden Studienordnungen, welche die Fächerkombination selbst integriert, stellt dies letztlich ein neues Studienangebot dar, das einer freien Kombinierbarkeit vor dem Hintergrund von Artikel 12 Grundgesetz nicht zuwiderläuft. Die angedachte Einschränkung der fachlichen Kombinationsmöglichkeiten widerspricht auch nicht den gesetzlichen Vorgaben des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbG), da nicht jede Universität in Hessen jede nach § 12 HLbG denkbare Kombination anbieten muss. Frage 4. Erwartet die Landesregierung, dass auch weiterhin die grundständigen Studiengänge im Fach Pädagogik und Bildungswissenschaften an der TU Darmstadt angeboten werden? Ein grundständiges pädagogisches Studienangebot (Bachelor und Master) ist weiterhin Inhalt der Planungen des Präsidiums der TUD. Frage 5. Wie viele Studierende studieren an der TUD auf Lehramt und wie hoch ist ihr Anteil in den je- weiligen Fachbereichen? Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/746 3 Frage 6. Wie viele Lehramtsstudierende haben aktuell eine Fächerkombination, die kein MINT-Fach umfasst ? Die Fragen 5 und 6 werden im Zusammenhang beantwortet. Im Wintersemester 2013/14 studierten 1.540 Studierende im Lehramt Gymnasium und Berufsschule an der TU Darmstadt (entsprechend 6 % aller Studierenden der TUD). Davon haben 380 Lehramtsstudierende eine Fächerkombination gewählt, die kein MINT-Fach umfasste. Die Anteile an den einzelnen Fachbereichen liegen zwischen 0 % und 20 % (Berechnung nach Studienkapazität), mit Ausnahme des Fachbereichs Humanwissenschaften (zu dem das Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik gehört) mit einem Anteil von 38 % Frage 7. Welche Auswirkungen hätte es auf den Fortbestand der Studiengänge Germanistik und Ge- schichte, wenn eine Fächerkombination Deutsch und Geschichte zukünftig nicht mehr an der TUD studiert werden könnten? Die Studiengänge Germanistik und Geschichte wären von einer Einschränkung der Kombinationen im Lehramt nicht betroffen. Die Studiengänge werden an der TU Darmstadt als Joint Bachelor angeboten, in dem zwei Fächer des Fachbereichs Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften wie auch weiterer Fachbereiche kombiniert studierbar sind. Änderungen des Studienangebots im Joint Bachelor sind nicht vorgesehen. Darüber hinaus wird das Studienangebot der TU Darmstadt kontinuierlich weiterentwickelt. So befinden sich aktuell neue Studienangebote sowohl des Instituts für Sprach- und Literaturwissenschaften (zu dem die Germanistik gehört) wie des Instituts für Geschichte in Vorbereitung. Frage 8. Welche Auswirkungen hätte es auf die anderen Universitäten, wenn an der TUD nur noch ande- re Lehramtsstudierende, die mindestens ein MINT-Fach studieren, ausgebildet würden? Da ein fachliches Studienwahlverhalten zukünftiger Studierendengenerationen nicht prognostizierbar ist, ist diese Frage nicht seriös zu beantworten. Selbst unter der nicht validen Annahme, dass Studieninteressierte zukünftig der TUD fernblieben, weil sie dort nicht ohne eine MINTKombination im Lehramt studieren könnten, würde dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie an einer anderen hessischen Hochschule ein entsprechendes Lehramtsstudium aufnehmen würden . Im Übrigen ist auch die bisherige Gruppengröße der im Lehramt Gymnasium und Berufsschule an der TUD Studierenden ohne eine MINT-Fach in Relation zur Gesamtzahl der in Hessen im Lehramt Gymnasium und Berufsschule Studierenden (380 zu 13.975 im Wintersemester 2013/14) vergleichsweise gering. Frage 9. Gibt es Planungen an den anderen Universitäten angesichts dieser Umstrukturierung die Anzahl der Lehramtsstudierenden in den Nicht-MINT-Fächer-Kombinationen zu erhöhen, um wegfallende Fächerkombinationen an der TUD auszugleichen? Entsprechende Planungen sind der Landesregierung nicht bekannt. Wiesbaden, 20. September 2014 Boris Rhein