Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 31.07.2014 betreffend Verbot von Fracking im Rahmen der Hessischen Bergverordnung und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Bei der 924. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2014 in Berlin hat die Hessische Umweltministerin zutreffend darauf hingewiesen, dass Fracking zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen energiepolitisch nicht notwendig , keinen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende leisten und die Abhängigkeit von Energieimporten nicht wirkungsvoll verringern kann. Hinzu kommen die Beeinträchtigungen, Risiken und Gefahren, die mit dem Einsatz dieser Technik verbunden sind. Die Hessische Umweltministerin selbst hat das ungelöste Problem der Entsorgung der anfallenden Abwässer und die nicht zu gewährleistende Sicherheit der Bohrlöcher und Förderanlagen genannt. Nicht erwähnt hat sie den signifikant höheren Flächenverbrauch durch die hohe Anzahl der benötigten Bohrungen, den enormen Verbrauch von Trinkwasser zur Herstellung der Frackflüssigkeiten, die Erdbebengefahr durch Fracking oder die Verpressung der großen Mengen von Abwässer (Flowback bzw. Lagerstättenwasser) in so genannte Versenkbohrungen sowie die negative Klimabilanz von gefracktem unkonventionellen Erdgas verglichen mit konventionellem Erdgas. Fracking widerspricht insbesondere den Zielen des Hessischen Energiegipfels einer sicheren, umweltschonenden , bezahlbaren und gesellschaftlich akzeptierten Energieversorgung für alle hessischen Bürger und Unternehmen. Flächen zum Schutz des Grundwassers und für die Trinkwassernutzung (Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für den Grundwasserschutz, Trinkwasserschutzgebiete), Flächen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (insbesondere FFH- und Vogelschutzgebiete) sowie auch Kulturerbestätten stehen der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen unter Einsatz von Frackingverfahren nicht nur entgegen, sondern schließen den Einsatz in und um diese Gebiete herum aus. (Eine Liste der Ausschlussgebiete für den Einsatz von Fracking zur Gewinnung fossiler Energieträger findet sich in der Anlage des Schreibens der BI Fracking freies Hessen an das Hessische Umweltministerium vom 28.06.2014, http://www.frackingfreieshessen.de/ index .php?page=Thread§threadID=668) Um ein Verbot von Fracking zu umgehen, beabsichtigen das Bundeswirtschaftsministerium sowie das Land Niedersachsen, die bisherige Definition der unkonventionellen Lagerstätten, die bis heute u.a. von der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) verwendet wird, zu verändern. Der Einsatz von Fracking - unabhängig von der Definition der konventionellen oder unkonventionellen Lagerstätten , ob mit oder ohne Verwendung "umwelttoxischer Substanzen" - lässt aus den vorstehend genannten Gründen das Eintreten von gemeinschädlichen Einwirkungen erwarten und ist mit den Zielen der Raumordnung und der Energiepolitik nicht vereinbar. Weder die vom Bundesministerium für Wirtschaft und vom Bundesministerium für Umwelt vorgelegten Eckpunkte noch die u.a. vom Land Hessen in einer Bundesratsinitiative vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sehen ein generelles Verbot von Fracking vor und sind deshalb nicht geeignet, den zu erwartenden gemeinschädlichen Einwirkungen wirksam zu begegnen. Dass ein Verbot des Frackings verfassungsrechtlich unbedenklich ist, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bereits in der Ausarbeitung vom 10.01.2011 festgestellt (s. WD 3 - 3000 - 372/10). Da eine entsprechende bundesweite Regelung nicht zu erwarten ist, kann die Hessische Landesregierung von den bestehenden Kompetenzen zum Erlass von Bergverordnungen Gebrauch machen, um ein generelles Verbot zu erreichen. Gemäß § 66 Satz 1 Nr. 2 Bundesberggesetz (BBergG) kann u.a. zur Wahrung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Absatz 2 BBergG bezeichneten Rechtsgüter und Belange durch Rechtsverordnung (Bergverordnung ) bestimmt werden, welche Anforderungen an Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsverfahren zu stellen sind. Zu dem möglichen Regelungsinhalt einer Bergverordnung gehört auch der Schutz vor bzw. die Abwehr von gemeinschädlichen Einwirkungen im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 BBergG werden Bergverordnungen auf Grund der §§ 65 bis 67 BBergG, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt, von den Landesregierungen erlassen. Da sich aus § 68 Abs. 2 BBergG nichts anderes ergibt, ist die Hessische Landesregierung demnach ermächtigt , eine Bergverordnung gemäß § 66 Satz 1 Nr. 2 BBergG zu erlassen und Anforderungen an Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsverfahren zur Abwehr von gemeinschädlichen Einwirkungen zu stellen. Eine derartige Bergverordnung stellt die Hessische Bergverordnung vom 30.08.2012 (GVBl.I S. 277) dar. Eingegangen am 15. September 2014 · Ausgegeben am 22. September 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/747 15. 09. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/747 Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Kohlenwasserstofflagerstätten gehören nach Auffassung der Landesregierung zu den kon- ventionellen, welche zu den unkonventionellen Lagerstätten? Die Landesregierung schließt sich hier der Definition der staatlichen geologischen Dienste Deutschlands (SGD) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) an. Danach gehören zu den unkonventionellen Lagerstätten Schiefergas- und Schieferöl-Lagerstätten sowie Kohleflözgas. Hierbei handelt es sich um die "Muttergesteine" von Kohlenwasserstoffen: Die Kohlenwasserstoffe befinden sich noch in demjenigen Gestein, in das sie während der Sedimentation als organische Substanz eingelagert worden sind. Durch entsprechende Druck- und Temperaturbedingungen sind sie im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte in diesem Gestein in Erdgas oder Erdöl umgewandelt worden. Konventionelle Kohlenwasserstofflagerstätten hingegen befinden sich in Fallenstrukturen oberhalb der Muttergesteine. Im Verlauf der Erdgeschichte ist Erdgas oder Erdöl aus den Muttergesteinen in durchlässige Speichergesteine (z.B. Sandsteine oder Kalksteine) gewandert und hat sich unterhalb von abdichtenden Gesteinsschichten über Jahrmillionen dort gehalten. Hiermit ist auch die Integrität (Undurchlässigkeit) der abdichtenden Gesteinsschichten nachgewiesen. Bei sogenannten Tight-Gas-Lagerstätten handelt es sich um schlecht durchlässige Sand- oder Kalksteine unterhalb undurchlässiger Gesteinsschichten, in die wie bei konventionellen Kohlenwasserstofflagerstätten Erdgas aus Muttergesteinen migriert ist. Eine Erdgasförderung ist auch hier nur nach künstlicher Erhöhung der Durchlässigkeiten durch Fracking möglich. Die TightGas -Lagerstätten werden zu den konventionellen Kohlenwasserstofflagerstätten gerechnet. Frage 2. Sieht die Landesregierung Gründe, von den von der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) verwendeten Definitionen der Lagerstätten abzuweichen? Die Landesregierung sieht keine Gründe, von der Definition der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie der SGD abzuweichen. Die Begründung findet sich in der Antwort zur Frage 1. Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) war bei der Formulierung der "Stellungnahme zu den geowissenschaftlichen Aussagen des UBAGutachtens , der Studie NRW und der Risikostudie des ExxonMobil InfoDialogprozesses" innerhalb eines Arbeitskreises der SGD beteiligt, wo u.a. diese Definition einvernehmlich getroffen wurde. Es wird dazu angemerkt, dass es in Hessen keine Tight-Gas-Lagerstätten gibt und die Erfahrungen hinsichtlich Geologie und Gasproduktion mit derartigen Lagerstätten auf die Kollegen in den geologischen Landesdiensten Norddeutschlands mit Kenntnissen über die Kohlenwasserstofflagerstätten des norddeutschen Beckens beschränkt sind. Frage 3. Aus welchen Gründen wird in der Bundesratsinitiative der Länder Schleswig-Holstein, Württem- berg und Hessen vom 01.07.2014 (Drs. 218/14) ein Verbot des Frackings bei der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen auf unkonventionelle Lagerstätten beschränkt? Frage 4. Aus welchen Gründen treten Beeinträchtigungen, Risiken und Gefahren, die ein Verbot des Frackings bei unkonventionellen Lagerstätten verlangen, aus Sicht der Landesregierung bei konventionellen Lagerstätten nicht auf? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Zwischen dem Fracking in konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten bestehen wesentliche Unterschiede, die insbesondere in der Anzahl der erforderlichen Fracs sowie in der Menge und der chemischen Zusammensetzung des anfallenden Flowbacks begründet sind. So sind die Anzahl der Fracs pro Bohrung in den konventionellen Lagerstätten deutlich geringer. Desweiteren sind die Durchlässigkeiten und die Porositäten der konventionellen Lagerstätten - wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt- deutlich höher, was zur Folge hat, dass der Einsatz von Chemikalien weit geringer, beziehungsweise in der Regel nicht erforderlich ist. Das im Rahmen der konventionellen Erdöl-/Erdgasförderung anfallende Lagerstättenwasser wird in der Regel nach seiner Separation von Erdöl und Erdgas direkt wieder zurück in die Lagerstätte injiziert und unterstützt hierdurch den gezielten Druckaufbau in Richtung Förderbohrungen, so dass sich die Kohlenwasserstoffe besser und vollständiger fördern lassen. Auch bei Tight-GasLagerstätten im Norddeutschen Becken werden Lagerstättenwässer und Flowback in benachbarte leergeförderte konventionelle Erdöl-/Erdgasfelder injiziert. Wie unter Frage 1 erläutert, ist bei den konventionellen Lagerstätten zudem die Integrität einer darüber liegenden hydraulischen Barriere über geologische Zeiträume nachgewiesen, so dass die Gefahr einer Verbindung der Lagerstätte mit Grundwasserleitern über geologische Strukturen (Klüfte, Verwerfungen, Fracs) mit Grundwasserleitern äußerst gering ist. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/747 3 Frage 5. Aus welchen Gründen beschränkt sich der Vorschlag der Landesregierung (Bundesratsinitiative Drs. 218/14) auf ein Verbot des Frackings mit "umwelttoxischen" Substanzen? Frage 6. Warum hält die Landesregierung den Einsatz von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen für generell zulässig, sofern "umwelttoxische" Substanzen dabei nicht verwendet werden? Die Fragen 5 und 6 werden zusammen beantwortet. Als größtes Problem wird bislang bei dem Fracking in unkonventionellen Lagerstätten der Umgang mit umwelttoxischen Substanzen in größeren Mengen an der Erdoberfläche (Transport, Lagerung) und das Risiko, dass diese Substanzen durch schadhafte Bohrlochverrohrungen in Grundwasserleiter gelangen, sowie die Entsorgung des Flowbacks eingeschätzt. Würden die umwelttoxischen Substanzen nicht mehr eingesetzt, würde nur noch Lagerstättenwasser anfallen . Damit wäre das Risiko vergleichbar mit der Förderung aus konventionellen Lagerstätten. Alle vorliegenden Gutachten, die auch das HLUG in seiner "Stellungnahme zu vorliegenden Gutachten zum Fracking in Deutschland im Zusammenhang mit dem Aufsuchungsantrag der BNK Deutschland GmbH auf Kohlenwasserstoffe im Erlaubnisfeld "Adler South" bereits 2013 ausführlich bewertet hat, schließen die Förderung aus nicht konventionellen Lagerstätten in Deutschland mit Hilfe des Frackingverfahrens nicht grundsätzlich aus, sondern stellen fest, dass Fracking prinzipiell mit den Anforderungen des Umwelt- und Gewässerschutzes vereinbar sein kann. Auch das im Juli 2014 vorgelegte UBA-Gutachten Teil II schließt Fracking in Schiefergaslagerstätten nicht grundsätzlich aus, sondern gibt Empfehlungen hinsichtlich der Anforderungen an das Grundwassermonitoring, zur Bewertung der Möglichkeit eines bundesweiten Frackingchemikalienkatasters , zur Bewertung einer umweltverträglichen Entsorgung von Flowback, zur Aufbereitung des Forschungsstandes zur Emissions-/Klimabilanz, zur Untersuchung hinsichtlich potenzieller Gefährdung durch induzierte Seismizität und zum Aufzeigen und zur Bewertung der raum- und flächenrelevanten Aspekte sowie der Auswirkungen auf Naturhaushalt, Landschaftsbild und biologische Vielfalt. Ein generelles Verbot von Fracking würde auch die in der Regel ohne Stützmittel und Chemikalien durchgeführten Stimulationsmaßnahmen in der Tiefengeothermie betreffen. Frage 7. Hat die Landesregierung den Weg, ein flächendeckendes Verbot bzw. einen weitgehenden Aus- schluss von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen in Hessen über eine Bergverordnung zu erreichen, geprüft? Ja. Frage 8. Wenn ja: Wer hat die Prüfung durchgeführt und welches Ergebnis hat die Prüfung erbracht? Die Prüfung wurde durch das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgenommen. Die im Bundesberggesetz statuierten Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen bieten keine Grundlage, ein großflächiges Frackingverbot in der Hessischen Bergverordnung zu regeln. Frage 9. Wenn nein: Warum wurde dieser Weg noch nicht geprüft? Siehe Antwort zu Frage Nr. 7. Frage 10 Wird die Landesregierung, für den Fall dass ein bundesrechtliches Verbot nicht zustande kommt, von der Ermächtigung auf Grundlage des § 68 Abs. 1 BBergG Gebrauch machen, um ein Verbot bzw. einen weitgehenden Ausschluss von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen zu erreichen? Nein. Siehe Antwort zu Frage Nr. 8. Wiesbaden, 29. August 2014 Priska Hinz