Kleine Anfrage des Abg. Hahn (FDP) vom 04.08.2014 betreffend Delegationsrecht bei Personalangelegenheiten im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Nach § 73 Absatz 1 Satz 1 HGO ist für die Personalangelegenheiten der Städte und Gemeinden der Gemeindevorstand zuständig; er stellt die Gemeindebediensteten ein, er befördert und entlässt sie. Da es sich insbesondere in größeren Städten um eine Vielzahl von personalrechtlichen Entscheidungen handelt , welche die Arbeit der Magistrate in erheblichem Maße belasten würden, falls diese über jedes einzelne Verfahren in Personalangelegenheiten selbst entscheiden müssten, erfolgt in der Praxis häufig eine Delegation von Auswahl- bzw. Letztentscheidung auf hauptamtliche kommunale Wahlbeamtinnen oder Wahlbeamte. Stellenweise erfolgt auch eine Delegation nur für den einfachen, mittleren oder Teile des gehobenen Dienstes bzw. die vergleichbare Eingruppierung nach TVöD, während ansonsten der Magistrat die Letztentscheidung trifft. Durch eine aktuelle Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.02.2014 ist diese Praxis nunmehr - mit Verweis auf den Wortlaut des § 73 Absatz 1 Satz 1 HGO und im Widerspruch zu früheren Urteilen - in Zweifel gezogen worden. Damit besteht derzeit eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Städte und Gemeinden, die eine Delegation auf hauptamtliche Wahlbeamtinnen oder Wahlbeamte vorgenommen haben . Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist nach Auffassung der Landesregierung eine Delegation von Auswahlentscheidungen bzw. der Letztentscheidung bei Personalangelegenheiten von den Magistraten bzw. dem Gemeindevorstand auf hauptamtliche kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte mit Blick auf den Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO zulässig? Frage 2. Hält die Landesregierung eine Entscheidung aller Personalangelegenheiten durch den Gemeinde- vorstand oder den Magistrat, insbesondere in größeren Städten, aus verwaltungsökonomischen Gründen für sinnvoll und mit Blick auf die Vielzahl der Verfahren aus tatsächlichen Gründen für durchführbar? Frage 3. Hält die Landesregierung ein Delegationsrecht bei Personalangelegenheiten von den Magistraten bzw. dem Gemeindevorstand auf hauptamtliche kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte nur der vorbereitenden Auswahlentscheidung oder weitergehend auch der Letztentscheidung für sinnvoll? § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO weist seinem Wortlaut nach Personalentscheidungen dem Gemeindevorstand zu. Mit der Regelung wird klargestellt, dass diese Angelegenheiten nicht in die Entscheidungskompetenz der Gemeindevertretung fallen, auch wenn sie für die Gemeinde im Einzelfall als durchaus wichtig angesehen werden mögen (vgl. z.B. VG Kassel, B. v. 13.01.1988 in HessVGRspr. 1988 S. 86 zur Berufung des Intendanten der Bad Hersfelder Festspiele). Dagegen lag es nicht in der Absicht des Gesetzgebers, dem Gemeindevorstand als Organ - das in der Regel (nur) einmal pro Woche (§ 69 Abs. 1 HGO) tagt - die Entscheidung über sämtliche Personalentscheidungen zuzuweisen. Die HGO verleiht dem Gemeindevorstand an vielen Stellen die Zuständigkeit und damit die Verantwortung für die Durchführung einer Aufgabe (z.B. für die Erhebung der Gemeindeabgaben in § 66 Abs.1 Nr. 5 HGO oder für die Durchführung von Weisungsaufgaben in § 4 Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 1 HGO). In allen diesen Fällen ist die grundsätzliche Regelung des § 70 Abs. 2 HGO zu beachten. Eingegangen am 12. September 2014 · Ausgegeben am 17. September 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/759 12. 09. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/759 § 70 Abs. 2 HGO besagt, dass die Entscheidungen nicht stets vom Gemeindevorstand in seiner Gesamtheit - als Kollegialorgan - getroffen werden müssen, sondern nur bei entsprechender ("nicht nur geringer") Bedeutung. Grundsätzlich sind Bürgermeister und - sofern vorhanden - Beigeordnete mit eigenem Geschäftsbereich zur selbstständigen Erledigung aufgerufen. Dass der Gesetzgeber mit § 73 Abs. 1 HGO (auch) die dort genannten Personalangelegenheiten dem Gemeindevorstand nicht als Beschlussorgan, sondern als Verwaltungsbehörde (§ 66 Abs. 1 S. 1 HGO) zuweisen wollte, ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift . Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen über die Hessische Gemeindeordnung in ihrem Entstehungsjahr 1952 wurde eine Anregung der kommunalen Spitzenverbände, in der Norm einen Zusatz aufzunehmen, wonach Personalentscheidungen auf ein einzelnes Mitglied des Gemeindevorstands übertragen werden könnten, von dem Kommunalpolitischen Ausschuss nicht aufgegriffen. Der Ausschuss stellte vielmehr übereinstimmend fest, "dass der Gemeindevorstand jederzeit das Recht habe, Aufgaben zu übertragen, wobei auch Personalangelegenheiten keine Ausnahme machten" (vgl. LT-Drs. II. Wahlper. Abt. II. Nr. 103 vom 21.01.1952 S. 193, zu § 74 des ursprünglichen Gesetzentwurfs). Diese Auffassung wird auch vertreten von dem für Kommunalrecht zuständigen Senat des Hessischen VGH. In einer Grundsatzentscheidung ( B. v. 22.12.1994 in HessVGRspr. 1995 S. 17 = NVWZ-RR 1995, 538) hat der Hess. VGH ausgeführt: "Dabei kommt es nur darauf an, ob und wie weit die von dem Antragsgegner dem Bürgermeister übertragenen Personalangelegenheiten wegen ihrer Bedeutung objektiv so gewichtig sind, dass eine Erledigung nur durch den Gemeindevorstand selbst als Verwaltungsspitze angemessen ist. Denn soweit es sich nicht um Angelegenheiten handelt, die entweder wegen ihrer Bedeutung für die Gemeinde so gewichtig sind, dass nur die Entscheidung durch den Gemeindevorstand als Gremium rechtmäßig erscheint , oder die als offensichtlich weniger bedeutsame der Bürgermeister oder die Beigeordneten zu erledigen haben, obliegt es dem Gemeindevorstand, einzuschätzen und zu bestimmen, was er sich als bedeutsam zur Entscheidung vorbehält." Die einschlägige Kommentarliteratur legt § 73 Abs. 1 HGO ebenfalls in diesem Sinne aus (vgl. Schneider/Dreßler, § 70 Rdnr. 46 und § 73 Rdnr. 6; Bennemann, § 73 HGO, Rdnr. 18; Schmitt, in Rauber u.a. § 73 Erl. 1; Muntzke/Schlempp § 73 Erl. I). Eine gewisse Rechtsunsicherheit ist dadurch entstanden, dass der für das Personalrecht zuständige Senat des Hessischen VGH in einem Eilverfahren aus dem Jahr 2012 betreffend die Stadt Frankfurt am Main eine gegenteilige Auffassung eingenommen hat (B. v. 10.07.2012 - 1 B 879/12). In dem anschließenden Hauptsacheverfahren ist am 18.02.2014 ein Urteil gesprochen worden, allerdings anders als in der Fragestellung angenommen - nicht durch den Hess. VGH, sondern erstinstanzlich durch das VG Frankfurt am Main (9 K 1784/13.F). Das VG hat sich nach den Umständen des Einzelfalls in dem hier dargestellten Auslegungsstreit nicht festlegen müssen und daher auch nicht Position bezogen. Das VG hat die divergierenden Voten der VGH-Senate allerdings ausführlich dargelegt, sodass die Hoffnung besteht, dass der Hessische VGH künftig (wieder) zu einer einheitlichen Auslegung der Norm finden wird. Frage 4. Plant die Landesregierung eine rechtliche Klarstellung der derzeitigen Situation, etwa durch eine entsprechende Änderung des § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO, um Rechtssicherheit für die hessischen Städte und Gemeinden zu schaffen? Die Landesregierung prüft ungeachtet der künftigen Entwicklung der Rechtsprechung eine klarstellende Ergänzung des § 73 Abs. 1 HGO bzw. des § 70 Abs. 2 HGO. Die Forderung nach einer Gesetzesnovelle ist allerdings bisher nur vom Hessischen Städtetag mit Schreiben vom 11.06.2014 - ohne Formulierungsvorschlag an die Landtagsfraktionen erhoben worden. Die beiden anderen Spitzenverbände haben sich zu der Problematik bisher noch nicht geäußert. Eine Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden wird im Rahmen des nächsten Regierungsentwurfs für eine HGO-Novelle erfolgen. Wiesbaden, 3. September 2014 Peter Beuth