Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 06.08.2014 betreffend Rückbau von Windkraftanlagen in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Die Hessische Landesregierung plant die Zahl der Windkraftanlagen massiv, auch im Wald, auszubauen. Damit sind erhebliche Belastungen und Einschnitte für die Natur verbunden. Nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit muss der Rückbau dieser Anlagen gesichert sein. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz: Der sichere Betrieb einer Windenergieanlage ist mit mindestens 20 Jahren anzunehmen1. Schon jetzt wird dem Rückbau von Windenergieanlagen nach deren Abbau seitens der Hessischen Landesregierung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Zwar sind vom Gesetzgeber im Baugesetzbuch Regelungen vorgegeben, dass der Rückbau von Windenergieanlagen nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit erforderlich ist, dennoch ergaben sich in der Praxis unterschiedliche Vorgehensweisen . Daher wurde speziell zu diesem Thema ein gemeinsamer Erlass des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und des damaligen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (vom 17. Oktober 2011, StAnz. S. 1351, geändert am 15. März 2012, StAnz. S. 414 und am 7. November .2013, StAnz. S. 1454) erstellt. Dieser regelt und harmonisiert die "Umsetzung der bauplanungsrechtlichen Anforderungen zur Rückbauverpflichtung und Sicherheitsleistung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Außenbereich" in der hessischen Verwaltungspraxis. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Rückbau von Windkraftanlagen in Hessen und welche Behörden sind jeweils zuständig? § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB fordert für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegierten Vorhaben im Außenbereich als Zulässigkeitsvoraussetzung die Abgabe einer Verpflichtungserklärung , das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Die Errichtung, der Ersatz einer alten Windenergieanlage durch eine neue (Repowering) oder die sonstige Änderung einer Windenergieanlage ist nur zulässig, wenn zu oben genannten Sachverhalt eine Verpflichtungserklärung abgegeben wird. Windenergieanlagen sind Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 5 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und ab einer Gesamthöhe von mehr als 50 m nach diesem Gesetz genehmigungsbedürftig . Da die Genehmigung nach BImSchG die Baugenehmigung aufgrund ihrer Konzentrationswirkung (§ 13 BImSchG) einschließt, bedürfen Windenergieanlagen nur dann einer eigenständigen Baugenehmigung, wenn ihre Gesamthöhe unterhalb von 50 m liegt. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wird die Untere Bauaufsichtsbehörde beteiligt und deren Stellungnahme eingeholt. 1 Deutsches Institut für Bautechnik Berlin (DIBt), "Einwirkungen und Standsicherheitsnachweis für Turm und Grün- dung", Oktober 2012 Drucksache 19/763 23. 10. 2014 Eingegangen am 23. Oktober 2014 · Ausgegeben am 24. Oktober 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/763 Zuständig für die Entscheidung, - in welcher Art und in welcher Höhe Sicherheit gefordert wird, - ob von einer Sicherheitsleistung abgesehen wird, - ob es sich um ein geeignetes Sicherungsmittels handelt, ist die Untere Bauaufsichtsbehörde, da es sich bei der Rückbauverpflichtung um eine bauplanungsrechtliche Vorschrift handelt, für deren Erfüllung grundsätzlich die Untere Bauaufsichtsbehörde zuständig ist (§ 53 Abs. 2 HBO). Ist die Untere Bauaufsichtsbehörde nicht zugleich auch Genehmigungsbehörde, übermittelt sie die sich aus § 35 Abs.5 BauGB ergebenden Anforderungen dem Regierungspräsidium als der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde . Die Sicherheitsleistung ist bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, also bei Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m beim zuständigen Regierungspräsidium und bei kleineren Anlagen bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde, zu hinterlegen. Frage 2. Welche Auflagen sind mit dem Rückbau von Windkraftanlagen - insbesondere in Hinblick auf eine vollständige Beseitigung und Entsorgung der Stahlbetonfundamente, der Türme und Turbinen sowie der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im Bereich der Zuwegung und von den Windkraftanlagen genutzte Fläche - verbunden? Die gesetzliche Vorgabe nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB, welche die Abgabe einer Verpflichtungserklärung fordert, dass für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegierten Vorhaben im Außenbereich nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückgebaut werden und Bodenversiegelungen zu beseitigen sind, sind nicht zusätzlich durch Nebenbestimmungen festzulegen. In einer Genehmigung für eine Windenergieanlage werden in der Regel folgende Nebenbestimmungen festgelegt: - Die Genehmigung ergeht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Antragstellerin zur Einhaltung ihrer Rückbauverpflichtung spätestens bis zum Baubeginn der Anlage dem Land Hessen eine unbefristete Sicherheit leistet und diese beim Regierungspräsidium hinterlegt. - Mit den Bauarbeiten der Windenergieanlage darf erst begonnen werden, wenn die Genehmigungsbehörde das Sicherungsmittel als geeignet anerkannt und die Annahme schriftlich bestätigt hat. - Bei einem Betreiberwechsel muss der neue Betreiber spätestens 1 Monat nach dem Wechsel der zuständigen Genehmigungsbehörde eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückgebaut und nachweislich ordnungsgemäß entsorgt wird sowie eine auf ihn ausgestellte unbefristete Sicherheitsleistung in gleicher Höhe bei der Genehmigungsbehörde hinterlegt, sofern nicht die Sicherheitsleistung , welche die Rückbauverpflichtung des Vorbetreibers absichert, weiterhin für den neuen Betreiber gilt. Frage 3. In wieweit unterscheiden sich die Auflagen, insbesondere auch die Durchführung der Baumaß- nahmen betreffend, zwischen Windkraftstandorten im Wald und außerhalb von Waldflächen bzw. Flächen mit naturschutzrechtlichen Konfliktpotenzial? Da die Grundlage für den Rückbau § 35 Abs. 5 BauGB ist, es also um den Rückbau der baulichen Anlage geht, bedarf es keiner Unterscheidung zwischen Wald- und Freiflächenstandorten . Die naturschutzrechtliche und forstrechtliche Kompensation der mit der jeweiligen Baumaßnahme verbundenen Eingriffe, einschließlich der Rodungsarbeiten, ist bereits Bestandteil des Genehmigungsverfahrens. Einer zusätzlichen Herrichtung der Waldflächen bedarf es daher grundsätzlich nicht. Sonstige Anforderungen, die sich aus der Errichtung der Anlagen ergeben, werden an anderer Stelle im Zulassungsbescheid durch entsprechende Nebenbestimmungen geregelt. Frage 4. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung mit dem Rückbau von Windkraftanlagen bisher gemacht? Für den Rückbau genehmigungsbedürftiger Windenergieanlagen ist eine Anzeige gem. § 15 Abs. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz durch den Betreiber bei der Immissionsschutzbehörde des zuständigen Regierungspräsidiums erforderlich. Zusätzlich bedarf es einer Abbruchgenehmigung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde. Nach vorliegenden Informationen wurden die abgebauten Windenergieanlagen in vielen Fällen verkauft. Käuferländer liegen häufig in Osteuropa oder im Baltikum. In Einzelfällen überstiegen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/763 3 die erzielten Verkaufserlöse die Gesamtkosten für den Rückbau der Anlagen, der Fundamente und Kranstellflächen sowie der Entsorgungskosten deutlich. Informationen von Gewinnen von 37.000 € pro Anlage wurden genannt. Der Betonsockel wird maschinell zerkleinert und nach Entfernung der Stahlbewehrung, die noch Schrottwert besitzt, entsorgt. Auch Fälle von Sprengungen des Fundamentes sind bekannt. Sofern der Rückbau mit der Errichtung neuer, leistungsfähigerer Anlagen im Zusammenhang steht ("Repowering"), kommt es grundsätzlich in Betracht, das alte Material für die neuen Fundamente zu verwenden. Frage 5. Wie hoch sind die Kosten für den Rückbau erfahrungsgemäß? - Nach Rückbau der Zuwege und genutzten Flächen, - nach Rückbau und Entsorgung des Betonfundamentes (in Abhängigkeit zur Größe des Wind- rades), - nach Rückbau und Entsorgung des Turmes und der Turbine (in Abhängigkeit zur Größe des Windrades)? Über die Höhe der tatsächlichen Rückbaukosten sind keine Angaben möglich. Diese hängen vom Anlagentyp und -standort sowie davon ab, ob einzelne Teile verkauft oder verwertet werden können. Frage 6. Wer trägt die Kosten für den Rückbau von Windkraftanlagen und wie wird insbesondere rechts- verbindlich sichergestellt, dass im Falle einer Insolvenz des Betreibers bzw. Zahlungsunfähigkeit von Betreiber und Grundstückseigentümern der Rückbau finanziert werden kann. Die Kosten für den Rückbau von Windenergieanlagen trägt der Betreiber der Anlage. Für den Fall einer Insolvenz liegt der Genehmigungsbehörde die im Antragsverfahren geforderte Sicherheitsleistung vor (hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen). Frage 7. Ist verbindlich ausgeschlossen, dass bei Zahlungsausfall Dritter die öffentliche Hand und hier ins- besondere die Standortkommunen für Rückbaukosten aufkommen müssen? Sicherheitsleistungen im baulichen Verwaltungsrecht verfolgen im Wesentlichen einen doppelten Zweck. Neben dem allgemeinen Ziel, eine effektive Vollstreckung zu gewährleisten, soll insbesondere verhindert werden, dass die Allgemeinheit Kosten zu tragen hat, für die in erster Linie der Betreiber der Anlage einzustehen hat. Die Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BImSchG bedingen, dass auch bei Übertragungen der Genehmigung auf Dritte die Koppelung der Wirksamkeit von Genehmigung und Sicherheitsleistung erhalten bleibt. Ohne Hinterlegung einer Sicherheitsleistung gelten Errichtung und Betrieb der Windenergieanlage als nicht zugelassen . Ferner wird im Fall des Unwirksamwerdens der Sicherheitsleistung auch die Genehmigung unwirksam. Diese Koppelung stellt die Erfüllung der Rückbauverpflichtung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB sicher. Frage 8. Wie wird sichergestellt, dass Betreiber von Windkraftanlagen ausreichend finanzielle Mittel für den Rückbau zurückstellen und welche Instrumente haben die Behörden, um diese Praxis durchzusetzen ? Rückstellungen können individuell durch den Betreiber innerhalb seiner Buchhaltung vorgenommen werden. Es besteht seitens der Genehmigungsbehörde keine Verpflichtung für den Betreiber der Anlage Rückstellungen zu bilden. Die Behörde dagegen verpflichtet den Betreiber zu einer Bürgschaft bzw. einer Sicherheitsleistung . Ohne Hinterlegung einer Sicherheitsleistung oder eine Bürgschaft gilt die Windkraftanlage als nicht zugelassen und die Genehmigung ist nicht mehr wirksam. Frage 9. Werden Rückstellungen für den Rückbau von Windkraftanlagen in Ihrer Höhe an die allgemeinen Kostenentwicklungen und die tatsächliche zu erwartenden Rückbaukosten angepasst, um eine mögliche spätere Unterdeckung zu verhindern? Ob durch den Betreiber neben der erforderlich Sicherheitsleistung weitere Rückstellungen gebildet werden, ist den Genehmigungsbehörden nicht bekannt. Eine Anpassung der Sicherheitsleistung an die allgemeine Kostenentwicklung kann die Behörde jederzeit durch entsprechende Änderung der Formel: "Nabenhöhe der Windenergieanlage (m) x 1000 = Betrag der Sicherheitsleistung (€) vornehmen. Derzeit bildet die Formel jedoch eine realistische Grundlage für die Wertermittlung ab, um den Rückbau abgesichert vollziehen zu können. Wiesbaden, 14. Oktober 2014 Priska Hinz