Kleine Anfrage der Abg. Dr. Neuschäfer (SPD) vom 14.08.2014 betreffend Hebammenausbildung und Modellklausel und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Hohe fachliche Kompetenz, Einsatzbereitschaft, Geduld und Einfühlungsvermögen sind Eigenschaften, die den Alltag der Hebamme, sei es als Angestellte im Krankenhaus, in einer Hebammen-Praxis oder im Geburtshaus prägen. Die Ausbildung zur Hebamme bzw. zum Entbindungspfleger ist eine staatliche Ausbildung und dauert drei Jahre. Sie umfasst mindestens 1.600 Unterrichtsstunden in der Theorie und 3.000 Stunden in der Praxis. Gesetzliche Grundlagen für die Ausbildung sind das Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers (Hebammengesetz - HebG) vom 4. Juni 1985 sowie die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (Heb-APrV) vom 16. März 1987. Die staatliche Prüfung, die aus einem schriftlichen, einem mündlichen und einem praktischen Teil besteht, bildet den Abschluss der Ausbildung. Derzeit läuft eine Evaluierung der Modellklausel des Hebammengesetzes, welche durch das Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben wurde. Mit der Modellklausel wird die Möglichkeit gegeben, neue Qualifikationsanforderungen an die Pflegeberufe durch Einführung eines weiteren Ausbildungsniveaus an Fachhochschulen erwerben zu können. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Mit dem Gesetz zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden , Physiotherapeuten und Ergotherapeuten vom 25. September 2009 wurden die Voraussetzungen für eine Erprobung von Ausbildungsangeboten geschaffen, die der Weiterentwicklung der genannten Berufe unter Berücksichtigung der berufsfeldspezifischen Anforderungen sowie moderner berufspädagogischer Erkenntnisse dienen sollen. Die Erprobung umfasst auch die Möglichkeit, akademische Erstausbildungen in den betreffenden Berufen durchzuführen. Über die Erkenntnisse aus den Modellvorhaben hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dem Deutschen Bundestag bis Ende 2015 zu berichten. Um dieser Berichtspflicht nachkommen zu können, wurde vom BMG eine Evaluationsrichtlinie erlassen. Erste Ergebnisse der Evaluation der Modellvorhaben werden voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2015 vorliegen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Hebammen und Entbindungspfleger werden derzeit in Hessen jeweils an welchen Heb- ammenschulen bzw. anderen Einrichtungen ausgebildet? In Hessen sind vier Hebammenschulen zur grundständigen Ausbildung staatlich zugelassen: - In Wiesbaden die Hebammenschule der Dr. Horst Schmidt Klinik (HSK), Ludwig-Erhard- Str. 100, 65199 Wiesbaden. Die Ausbildung startet alle drei Jahre mit 18 Ausbildungsplätzen , aktuell werden dort 17 werdende Hebammen ausgebildet. - Am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg: an der Hebam- menschule der Elisabeth von Thüringen Akademie für Gesundheitsberufe, Sonnenblickallee 13, 35039 Marburg können jedes Jahr 20 Auszubildende die Hebammenausbildung beginnen . Derzeit sind 59 Plätze belegt. - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen: Hebammenschule im Bildungszentrum, Gaffkystraße 18, 35392 Gießen. Dort beginnt die Ausbildung alle 18 Monate in zwei Kursen mit jeweils 25 Schülerinnen, ausgebildet werden zurzeit 46 werdende Hebammen. Eingegangen am 23. Oktober 2014 · Ausgegeben am 24. Oktober 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/771 23. 10. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/771 - In Kassel die Gesundheit Nordhessen Holding AG, Bildung und Personalentwicklung, Hebammenschule , Mönchebergstraße 41 - 43, 34125 Kassel. Alle drei Jahre können jeweils 20 werdende Hebammen pro Jahr aufgenommen werden, aktuell sind 17 Hebammenschülerinnen zu verzeichnen. Des Weiteren gibt es einen Modellstudiengang "Hebammenkunde" mit den Abschlüssen "Bachelor of Science" und dem staatlichen Hebammenexamen an der Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit, Marquardstraße 35, 36039 Fulda. Die Genehmigung erfolgte 2011 durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration. Die erste Kohorte Studierender begann im Wintersemester 2012. Etwa 30 Studierende werden pro Jahr im Wintersemester aufgenommen . Derzeit befinden sich 24 Studierende im fünften Semester und 29 Studierende im dritten Semester. Für die Erstsemestergruppe 2014 sind derzeit 25 Studierende ordentlich eingeschrieben , diese Zahl könnte sich jedoch bis zum offiziellen Semesterbeginn im Oktober noch leicht verändern. Somit befinden sich aktuell insgesamt 78 Studierende in drei Fachsemestern. Frage 2. Wie viele Hebammen in Hessen sind derzeit in Krankenhäusern und Kliniken als angestellte Heb- amme tätig und wie viele Hebammen praktizieren in Hessen freiberuflich? Laut Krankenhausstatistik 2012 des Hessischen Statistischen Landesamtes waren im Jahr 2012 insgesamt 689 Hebammen und Entbindungspfleger in hessischen Krankenhäusern beschäftigt. Darunter befanden sich 503 Teilzeitbeschäftigte bzw. geringfügig beschäftigte Hebammen. Darüber hinaus waren 83 Beleghebammen und Belegentbindungspfleger an den hessischen Krankenhäusern im Jahr 2012 tätig. Daten zu den freiberuflichen Hebammen an den Krankenhäusern und freiberuflich ambulant tätigen Hebammen liegen nicht vor. Frage 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Erfahrungen mit der Modellklausel? In Hessen wird nur von der Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit, ein Studiengang Hebammenkunde als Ausbildungsangebot gemäß § 6 Hebammengesetz umgesetzt. Evaluiert wird hier der Zeitraum Wintersemester 2012/2013 bis Sommersemester 2017. Insoweit kann zurzeit noch nicht über Erfahrungen mit der Modellklausel berichtet werden. Frage 4. Wie soll nach Auffassung der Landesregierung die Hebammenausbildung zukünftig gestaltet wer- den? Ohne die Ergebnisse der Evaluation aus der Modellklausel nach § 6 Hebammengesetz zu kennen , kann diese Frage nicht beantwortet werden. Frage 4. a) Sieht sie einen Bedarf an akademisch ausgebildeten Hebammen bzw. Entbindungspflegern und wenn ja, für welche Tätigkeiten? Im europäischen Raum ist die Hebammenausbildung im Ausbildungsniveau unterschiedlich. In etlichen europäischen Ländern ist sie, wie auch andere Ausbildungen in Gesundheitsfachberufen , an Hochschulen etabliert (z.B. in Skandinavien, England, Frankreich, Spanien). In anderen Ländern, speziell im deutschsprachigen Raum, wird eine Akademisierung angestrebt oder ist bereits vollzogen. Ziel ist die Ermöglichung einer Mobilität der Berufsabsolventinnen und -absolventen innerhalb von Europa durch die Ermöglichung eines vergleichbaren Ausbildungsabschlusses . Des Weiteren soll die berufsspezifische Forschung unterstützt und hebammenspezifische wissenschaftliche Studien etabliert werden. Auch soll eine Aufwertung des Hebammenberufs dadurch erreicht werden. Ein Bedarf an akademisch ausgebildeten Hebammen ist an Universitäten, in der Forschung und in der Hebammenausbildung zu sehen. In den originären Bereichen, in denen Hebammen in Deutschland arbeiten, an Kliniken, in der ambulanten Versorgung von Schwangeren und Wöchnerinnen und in der Prävention stellt sich die Frage, ob in Anbetracht der sehr guten derzeitigen , grundständigen Hebammenausbildung mit hohem fachlichen Können akademisch ausgebildete Hebammen eine Anhebung des Leistungsniveaus bewirken können. Frage 4. b) Wird die Expertise der Schulen, Hochschulen sowie der Verbände in diese Überlegungen eingebunden? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Zur Bestimmung der weiteren Zukunft der Hebammenausbildung ist es unabdingbar, die Meinung aller an der Ausbildung beteiligten Institutionen einzubeziehen, zumal in diesen kontrovers diskutiert wird. So sollte neben den an der akademischen Hebammenausbildung beteiligten Hochschulen und den Berufsverbänden die unmittelbar an der grundständigen Ausbildung beteiligten Schulleitungen gehört werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/771 3 Frage 4. c) Welche Vorstellung hat die Landesregierung bezüglich der Zukunft der grundständigen Hebammenschulen in Hessen? Die hessischen Hebammenschulen arbeiten alle seit Jahren mit großem Erfolg in der Hebammenausbildung und bieten ein fachlich hohes und zeitgemäßes Niveau der für die Berufsausübung erforderlichen Ausbildungsstandards. Eine alleinige akademische Ausbildung für werdende Hebammen ist nicht am Bedarf der beruflichen Tätigkeit orientiert, die ein hohes Maß an praktischer Arbeit aufweist. Neben einer Hochschulausbildung für Hebammen sollte die grundständige Ausbildung weiter etabliert sein. Frage 5. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Arbeit der praktisch ausgebildeten Hebam- men zu? Wie kann nach Ansicht der Landesregierung sichergestellt werden, dass die Bedeutung der praktischen Arbeit im Rahmen einer zunehmenden Akademisierung erhalten bleibt? Die Bedeutung des Berufs der Hebamme in der Schwangerschaftsvor- und -nachsorge, bei der Geburt, der Wochenbettbetreuung und in der Stillzeit ist unstrittig und muss auch bei einer Weiterentwicklung der Ausbildung uneingeschränkt gewahrt werden. In derzeitigen Modellvorhaben der akademischen Hebammenausbildung ist sichergestellt, dass die praktische Ausbildung im Studium vollumfänglich der praktischen Ausbildung der grundständigen Ausbildung entspricht. Bei einer Etablierung der akademischen Hebammenausbildung über das Modellvorhaben hinaus ist zu sichern, dass der Umfang der Ausbildungspraxis nicht gemindert wird. Nur so kann gewährleistet werden, dass ein hohes Maß an praktischem Können in einem mit großer Verantwortung belegtem Arbeitsbereich gewährleistet ist. Bei der Evaluation der Modellklausel wird der Aspekt der praktischen Ausbildung ausdrücklich berücksichtigt. Frage 6. Welche beruflichen Chancen sieht die Landesregierung für die an den Berufsfachschulen ausge- bildeten Hebammen und Entbindungspflegern? Grundsätzlich werden die beruflichen Chancen für die an den Berufsfachschulen ausgebildeten Hebammen und Entbindungspfleger positiv gesehen. Auf die Vorbehaltstätigkeit von Hebammen und Entbindungspflegern nach § 4 Absatz 1 Hebammengesetz wird verwiesen. Frage 7. Wie kann nach Ansicht der Landesregierung die Existenz der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger besser gewährleistet werden, damit flächendeckend in Hessen werdende und junge Eltern umfassend betreut werden? Die Vergütung für Leistungen von Hebammen und Entbindungspflegern im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wurde 2007 auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Die bis dahin geltende Hebammenhilfe-Gebührenverordnung wurde durch die Schaffung des §134a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch durch eine Vertragslösung ersetzt. Hiernach schließt nunmehr der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) mit den maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen und den Verbänden der von Hebammen geleiteten Einrichtungen Verträge über die Versorgung mit Hebammenhilfe, die abrechnungsfähigen Leistungen sowie die Höhe der Vergütung und die Einzelheiten der Vergütungsabrechnung mit den Krankenkassen. Bei den Vertragsverhandlungen sind dabei der Bedarf der Versicherten an Hebammenhilfe, die Qualität der Leistungen, der Grundsatz der Beitragsstabilität und die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen zu berücksichtigen (vgl. § 134a Absatz 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch). Seit 1. Juli 2014 sind die Haftpflichtprämien für freiberuflich tätige Hebammen nun erneut - wie bereits in den vergangenen Jahren - gestiegen. Der GKV-SV hat in den vergangenen Monaten mit den Hebammenverbänden verhandelt, damit diese Kostensteigerung - wie in den Jahren zuvor - fristgerecht zum Anstieg der Prämie ausgeglichen wird. Erst Ende August 2014 konnte eine schriftliche Einigung für die Hebammen mit Geburtshilfe erreicht werden, die nun rückwirkend ab Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015 gilt. Die gefundene Lösung umfasst auch eine Regelung , um jene Hebammen besonders zu unterstützen, die wenige Geburten betreuen. Dieses hat der Gesetzgeber als Übergangslösung vorgesehen, bevor ab Mitte kommenden Jahres ein noch zu vereinbarender Sicherstellungszuschlag greift. Details dazu werden in den kommenden Monaten zwischen den Hebammenverbänden und den Krankenkassen verhandelt. Wiesbaden, 15. Oktober 2014 Stefan Grüttner