Kleine Anfrage der Abg. Dr. Neuschäfer und Hofmann (SPD) vom 14.08.2014 betreffend K.O.-Tropfen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: In den letzten Jahren wird verstärkt über kriminellen Einsatz sogenannter K.O.- Tropfen (GammaHydroxybuttersäure - GHB) bei Raub- und Sexualdelikten berichtet. Die Dunkelziffer sei dabei erheblich höher als die registrierten Fälle. Der Einsatz von GHB ist verhängnisvoll und findet oftmals in Diskotheken, in Kneipen, auf Partys und/oder im Freundeskreis statt und hat Bewusstseinslosigkeit zur Folge. GHB ist geschmacks - und geruchslos und nur wenige Stunden nach Verabreichung nachweisbar. Die geringe Aufklärungsquote und die kurze Nachweisbarkeit der Substanzen verschärfen die Problematik. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Mit sogenannten K.O.-Tropfen sind Substanzen gemeint, die zu starken Bewusstseinsstörungen, bis hin zur Willen- und Bewusstlosigkeit führen können. Sie werden von den Tätern zumeist in ein offenes Getränk des Opfers gegeben und sind farb- sowie geruchslos. Vermischt mit einem anderen Getränk kann man K.O.-Tropfen meistens auch nicht schmecken. Dies macht ein Erkennen für Opfer besonders schwierig. Die Wirkung der Tropfen ist abhängig von der Verfassung des Opfers sowie von der Dosierung . Eine Kombination mit Alkohol und/oder anderen Drogen ist besonders gefährlich. In den meisten Fällen erfolgt die Zumischung der K.O.-Tropfen in Gaststätten oder Diskotheken bzw. bei öffentlichen Veranstaltungen. Die Opfer sind zunächst nur willenlos, können noch normal reden und sich auch bewegen. Die Bewusstlosigkeit setzt erst später ein. Nach dem Aufwachen können die Betroffenen sich oftmals nur bruchstückhaft oder gar nicht erinnern. Vor den Hintergrund des schnellen Abbaus der K.O.-Tropfen im Körper liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen der Hessischen Landesregierung auf Sensibilisierung und Aufklärung. Ziel ist es hierbei, eine unbemerkte Verabreichung zu verhindern bzw. nach Feststellung eine unmittelbare ärztliche Untersuchung zu veranlassen sowie Strafanzeige zu stellen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz und dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Welche Erkenntnisse liegen der hessischen Landesregierung über den kriminellen Einsatz so ge- nannter K.O Tropfen in Hessen - vor allem in der Jugendszene vor? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. Frage 2. Wie viele Opfer bzw. Taten sind bekannt? Wie viele davon konnten juristisch nachverfolgt und aufgeklärt werden? Wie soll ggf. die Erfassung der Taten verbessert werden? In wie vielen Fällen wurde Anklage er- hoben bzw. erfolgte eine Verurteilung bzw. Einstellung des Verfahrens? Der Einsatz von "K.O.-Tropfen" wird in den von der Justiz geführten Statistiken nicht gesondert erfasst, da die Verabreichung von "K.O.-Tropfen" kein spezieller Straftatbestand ist. Deshalb werden in entsprechenden Fällen die Ermittlungen hauptsächlich wegen der allgemeinen Straftatbestände der gefährlichen Körperverletzung, der Nötigung, des Raubes, der sexuellen Nötigung oder anderer Sexualdelikte sowie wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geführt. Die zu diesen Straftatbeständen vorhandenen Statistiken lassen keinen Rückschluss Eingegangen am 12. November 2014 · Ausgegeben am 18. November 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/773 12. 11. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/773 auf die darin miterfassten Verfahren im Zusammenhang mit "K.O.-Tropfen" zu. Eine Beantwortung der Frage wäre insoweit nur durch eine händische Auswertung aller wegen der genannten Delikte geführten Verfahren möglich, was mit einem letztlich nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Darüber hinaus weist auch die polizeiliche Kriminalstatistik das Kriminalitätsphänomen "K.O.- Tropfen" nicht explizit aus. Eine valide Aussage über die Langzeitentwicklung des o.g. Phänomenbereichs ist somit nicht möglich. Zudem ist nach der derzeitigen Erkenntnislage die Verabreichung von "K.O.-Tropfen" in Hessen ein eher seltenes Delikt; eine Initiative zur Erfassung dieser Fälle über die PKS ist daher nicht geplant. Frage 3. Gibt es bei bestimmten Delikten die Anweisung, bei den Opfern eine Untersuchung im Hinblick auf GHB vorzunehmen? Wenn ja, bei welchen Delikten? Wenn nein, warum nicht? Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität (ZfB) - hat einen Praxisleitfaden in Form einer "Kurz-Info" betreffend "Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) und Gamma-Butyrolacton (GBL)" herausgegeben, welcher über die E-Bibliothek allen hessischen Staatsanwaltschaften zur Verfügung steht. Darin wird auch auf die Nachweismöglichkeiten hinsichtlich "K.O.-Tropfen" hingewiesen. Im Übrigen werden insbesondere die mit der Bearbeitung von Sexualdelikten betrauten Kriminalbeamten und Staatsanwälte aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen bei entsprechenden Anhaltspunkten im Einzelfall regelmäßig eine diesbezügliche Untersuchung veranlassen. Frage 4. Welche Aufklärungsmaßnahmen betreiben die Landesregierung bzw. andere Institutionen, Ver- bände und Organisationen zu GHB? Sind weitere Maßnahmen in Planung? Der Schutz vor "K.O.-Tropfen" fällt aus polizeilicher Sicht in den Bereich der Suchtprävention. Die Polizei leistet in der Suchtprävention ihren Beitrag, indem sie u. a. sachlich über aktuelle Erscheinungsformen und Gefahren im Umgang mit legalen und illegalen Suchtstoffen informiert . Spezielle landesweite Kampagnen der Polizei zur Aufklärung und Prävention in Bezug auf den Schutz vor "K.O.-Tropfen" fanden bisher nicht statt. Die polizeiliche Präventionsstrategie für diesen Bereich verfolgt eine allgemeine und anlassbezogene Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der zielgruppenorientierten Vermittlung von Informationen. Im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen zur Sucht- und Gewaltprävention wird seit langem und fortlaufend vor dem Missbrauch und den Gefahren von K.O.-Tropfen und anderen Stoffen im Zusammenhang mit "K.O.-Tropfen" mit folgenden Grundaussagen gewarnt:  Getränke bei der Bedienung bestellen und selbst entgegennehmen.  Von Unbekannten keine offenen Getränke oder angebrochene "Schnapsfläschchen" annehmen (auf unbeschädigte Verschlusskappen achten!).  Offene Getränke nicht unbeaufsichtigt lassen.  Bei Übelkeit Hilfe beim Personal suchen.  Freundinnen und Freunde achten aufeinander und lassen ihre Getränke nicht aus den Augen.  Freundinnen und Freunde holen im Ernstfall sofort ärztliche Hilfe für das Opfer (Notruf 112) und verständigen das Personal.  Beim Vorliegen von Verdachtsgründen einer K.O.-Tropfenverabreichung - auch wenn bereits mehrere Stunden vergangen sind - unverzüglich Krankenhaus bzw. Notarzt aufsuchen und eine Untersuchung veranlassen, u. a. nach Missbrauchsspuren, Gewaltanwendungen und DNA-Anhaftungen. Unverzüglich zur Polizei (Notruf 110) und/oder zum Frauennotruf Hessen Kontakt aufnehmen (Ansprechstellen unter www.frauennotruf-hessen.de). Diese Botschaften vermittelt die Hessische Polizei schwerpunktmäßig  bei Suchtpräventionswochen an Schulen,  bei Vorbeugungsaktionen im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, z.B. Hessentag, Tage der offenen Tür, Verkehrssicherheitstage (Zielgruppe Fahranfänger/- anfängerinnen, junge Fahrer/Fahrerinnen),  bei Großveranstaltungen, z.B. Open Air-Konzerten, Kirmes, Jahrmärkten, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/773 3  anlassbezogen, sobald Fallzahlen auffallend steigen bzw. eine Straftatenserie vorliegt (oftmals sehr stark regional begrenzt),  bei Jahreszeit bedingten Veranstaltungen wie Frühlingsfesten, Fasching etc. Zu Letzterem wurde am 5. Februar 2013 durch das HLKA die Pressemeldung "Fastnacht feiern ohne Folgen" herausgegeben, in der explizit vor "K.O.-Tropfen" gewarnt wird. In Folge gab es mehrere Anfragen zu dieser Pressemeldung, u.a. von HR 1, der hierüber am 08. Februar 2013 einen Rundfunkbeitrag unter Beteiligung der Zentralstelle für Kriminal- und Verkehrsprävention im HLKA sendete. Als polizeiliches Präventionsmedium wird die Broschüre "SehnSucht - so schützen Sie Ihr Kind vor Drogen" des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes - ProPK - eingesetzt. Auf Seite 30 wird dort auf "K.O.-Tropfen" und die Gefahren hingewiesen sowie Tipps zum Vorbeugen gegeben. ProPK informiert auf der Präventions-Web-Site www.polizei-beratung.de umfassend über "K.O.-Tropfen" (Link: "www.polizei-beratung.de/startseite-und-aktionen/aktuelles). Des Weiteren warnt der aktuelle "ProPK-Bürger-Newsletter" über die Gefahren von "K.O.-Tropfen". Die aufgeführten Maßnahmen erscheinen polizeilicherseits angemessen und ausreichend. Potenzielle Opfer werden damit seitens der Polizei hinreichend über die Gefahren von "K.O.- Tropfen" informiert und mit geeigneten Vorbeugungstipps versorgt, ohne übersteigerte Ängste zu verursachen. Insbesondere zählen im Sinne des Opferschutzes dazu auch die Hinweise auf Folgemaßnahmen und geeignete Ansprechpartner im Falle einer Straftat. In jedem hessischen Landkreis und jeder kreisfreien hessischen Stadt gibt es eine Fachstelle für Suchtprävention. Von den Fachkräften für Suchtprävention werden verschiedene suchtpräventive Maßnahmen sowie Informations- und Aufklärungsveranstaltungen mit verschiedenen Zielgruppen vor Ort durchgeführt. Zwar existieren im suchtpräventiven Bereich derzeit keine konkreten Kampagnen zu sogenannten Partydrogen, respektive "K.O.-Tropfen". Jedoch kommen die Themen Partydrogen bzw. "K.O.-Tropfen" bei allgemeinen suchtpräventiven Informationsveranstaltungen in Schulen, Jugendclubs, Elternabenden etc. häufig zur Sprache. Von den Fachkräften für Suchtprävention werden die Wirkungsweise sowie mögliche Schutzmaßnahmen dieser Substanzen kenntnisreich dargestellt. Im Jahr 2010 hat das Hessische Sozialministerium die Entwicklung eines sechs-seitigen Flyers mit dem Titel "Kontrollverlust: "Filmriss - bewusstlos, hilflos, willenlos - Die Folgen von K.O.-Tropfen und Alkohol", kurz genannt "Filmriss", gefördert. Dieser Flyer ist altersgerecht für Jugendliche und junge Erwachsene gestaltet und klärt über die Bedeutung von Kontrollverlust nach Alkoholkonsum und durch sog. K.O.-Tropfen/bewusstseinsbeeinträchtigende Substanzen auf. Er ist auf dem neuesten Stand der Medizin und wird vom Adressatenkreis bis heute rege beansprucht. Zum einen macht der Flyer junge Menschen auf die Gefahren von massivem Alkoholkonsum und von K.O.-Tropfen aufmerksam. Zum anderen gibt er Empfehlungen, wie Betroffene sich schützen können. Mit der Veröffentlichung des Flyers, der als Download unter http://www.frauennotruf-frankfurt.de/Flyer-Filmriss.109.0.html verfügbar ist, starteten die hessischen Frauennotrufberatungsstellen eine Informationskampagne, um junge Menschen, Eltern sowie Fachkräfte aus Medizin, Schulwesen und Jugendarbeit umfassend zu informieren, die in mehreren Fachtagungen und Aufklärungsveranstaltungen in Hessen mündete. Die Frauennotrufberatungsstellen stehen weiterhin für Fachgespräche zu diesem Komplex wie auch für die Beratung und Begleitung von Betroffenen zur Verfügung. Jenseits dieser Aktivitäten informieren Fraueninitiativen und Frauenberatungsstellen auch in anderen Bundesländern explizit zur Gefährdung durch "K.O.-Tropfen", z.B. unter www.frauengesundheitsportal .de/themen/gewalt/informationen-materialien-broschueren/k-o-tropfenbronlineinformationen -lokaler-und-regionaler-anbieter/ Die Landesregierung begrüßt sowohl die Aktivitäten der polizeilichen Präventionsarbeit, der Fachstellen für Suchtprävention als auch die Strategie der hessischen Frauennotrufe mit Hilfe eines wissensbasierten und zugleich optimal altersgerecht gestalteten Flyers Informationen zu den Substanzen bereitzuhalten. Wichtig sind diese Aktivitäten und Kampagnen, da die benannten Substanzen u.a. das Erinnerungsvermögen einschränken und damit die Vulnerabilität und das Risiko, sexualisierter Gewalt ausgesetzt zu sein, exponentiell verstärken. Dies steht in einer 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/773 bewährten Tradition der Frauenberatungsstellen wie auch anderer Frauenunterstützungseinrichtungen , über Gewaltrisiken aufzuklären und zugleich die Angebote der spezialisierten Unterstützungseinrichtungen in Hessen bekannt zu machen. Kampagnen, die geeignet sind, fundiertes Wissen um die Risiken bewusstseinsbeeinträchtigender Substanzen und auch die Schutzmöglichkeiten zu vermitteln, sind zu befürworten. Wiesbaden, 30. Oktober 2014 Peter Beuth