Kleine Anfrage des Abg. Dr. Spies (SPD) vom 19.08.2014 betreffend Krebsfrüherkennung in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Krebserkrankungen stellen mit 430.000 neuen Erkrankungen und 210.000 Sterbefällen jährlich eine der größten Gesundheitsbelastungen für die deutsche Bevölkerung dar. Im Laufe ihres Lebens erkranken 47 % der Männer und 38 % der Frauen an einer Krebserkrankung. Jeder vierte Mann und jede fünfte Frau verstirbt an einer Krebserkrankung. Jährlich sterben in Hessen ca. 15.000 Menschen an Krebs. Diese Daten des Jahres 2010 stammen aus dem zweiten hessischen Krebsbericht der im Jahr 2014 veröffentlicht wurde. Laut einer britischen Studie der "Queen Mary University of London" sind 40 % der Krebserkrankungen durch Prävention vermeidbar. Nach Schätzungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung nimmt jedoch nur jede zweite Frau und nur jeder fünfte Mann die angebotenen Krebsvorsorgeuntersuchungen wahr. Um die Teilnahmerate an den Krebsfrüherkennungsuntersuchungen nachhaltig zu steigern und die Lebensqualität der an Krebs erkrankten Menschen zu verbessern, hat das hessische Ministerium für Soziales und Integration zusammen mit der Hessischen Krebsgesellschaft und der Stiftung Leben mit Krebs 2012 die Kampagne DU BIST KOSTBAR Hessen gegen Krebs ins Leben gerufen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Personen haben in den letzten fünf Jahren jeweils welche Krebsfrüherkennungsunter- suchungen in Hessen wahrgenommen? Aus den Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist ersichtlich, wie hoch die Anzahl der in Hessen abgerechneten Krebsfrüherkennungsuntersuchungen ist. In den letzten fünf Jahren wurden in Hessen insgesamt 12.619.621 Krebsfrüherkennungsuntersuchungen abgerechnet. Eine personenbezogene Betrachtung der Krebsfrüherkennungsuntersuchungen ist leider nicht möglich. Da es Früherkennungsuntersuchungen gibt, die jährlich erbracht werden, lässt sich kein Rückschluss von der genannten Zahl auf die Personenzahl ziehen. Ein Patient könnte somit bis zu fünfmal innerhalb eines Fünfjahreszeitraums in der Auswertung auftauchen. In der nachstehenden Tabelle ist aufgegliedert, welche Art der Früherkennungsuntersuchung in den letzten fünf Jahren (2009 bis 2013) abgerechnet wurde. Zu beachten ist, dass sich die Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ausschließlich auf die gesetzlich versicherten Personen im Bundesland Hessen beziehen. Art der Früherkennungsuntersuchung Anzahl der abgerechneten Krebs- früherkennungsuntersuchungen für den Zeitraum 2009 bis 2013 Krebsfrüherkennungs-Untersuchung Frau (Gebärmutterhalskrebs) 5.450.499 Krebsfrüherkennungs-Untersuchung Mann (Prostatakrebs) 1.408.459 Untersuchung auf Blut im Stuhl (Frau) i. R. der Krebsfrüherkennung 946.340 Eingegangen am 2. Oktober 2014 · Ausgegeben am 9. Oktober 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/777 02. 10. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/777 Untersuchung auf Blut im Stuhl (Mann) i. R. der Krebsfrüherkennung 514.257 Beratung zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms (Frau) 538.947 Beratung zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms (Mann) 388.525 Koloskopischer Komplex - Krebsfrüherkennung (Frau) 76.094 Koloskopischer Komplex - Krebsfrüherkennung (Mann) 68.217 Früherkennungsuntersuchung Hautkrebs (Frau) 1.271.791 Früherkennungsuntersuchung Hautkrebs (Mann) 1.027.254 Mammographie-Screening 929.238 Gesamt 12.619.621 Frage 2. Bei wie vielen Personen wurde bei welchen Früherkennungsuntersuchungen in den letzten fünf Jahren jeweils ein Verdacht auf Krebs festgestellt? Frage 3. Bei wie vielen Personen hat sich bei welcher Früherkennungsuntersuchung der Verdacht in den letzten fünf Jahren jeweils bestätigt? Die Fragen 2 und 3 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Eine entsprechende Auswertung liegt zurzeit nur für das Mammographie-Screening vor. Für das Hautkrebsscreening führt das BQS Institut für Qualität & Patientensicherheit zurzeit eine Evaluation im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses durch. Da es sich um ein laufendes Projekt handelt, sind noch keine Ergebnisse veröffentlicht. Um entsprechende Daten für das Mammographie-Screening zu erhalten, wurde das Referenzzentrum Marburg der Mammographie-Kooperationsgemeinschaft angefragt. Zahlen liegen für den Zeitraum von 2009 bis 2012 vor. Die Kennwerte des Mammographie-Screenings liegen in Bezug auf Untersuchungen, nicht auf Personen vor. Bei einem Beobachtungszeitraum von vier Jahren haben viele Frauen gemäß des zweijährigen Turnus mehrfach am Screening teilgenommen. Die Tabelle zeigt, dass im Mammographie-Screening im Zeitraum von 2009 bis 2012 bei insgesamt 31.844 Untersuchungen (8,75 %) in Hessen ein Verdacht auf Krebs festgestellt wurde. Wiedereinladungen zu Abklärungsuntersuchungen "Verdacht auf Brustkrebs*" (2009 bis 2012) Erstuntersuchungen Folgeuntersuchungen Insgesamt absolut 18.822 13.022 31.844 relativ bezogen auf Anzahl Untersuchungen 5,94 % 2,81 % 8,75 % * Nicht nur wenn dringender Verdacht auf Brustkrebs gestellt werden muss, sondern auch wenn durch die primären Screening-Mammographie-Aufnahmen nicht sicher Brustkrebs ausgeschlossen werden kann, wird hierfür der Terminus "Verdacht auf Brustkrebs" verwendet. Von den 31.844 Verdachtsfällen wurde in 5.025 Fällen (1,32 % aller Untersuchungen) in Hessen im Zeitraum 2009 bis 2012 der Brustkrebs bestätigt. Anzahl Frauen mit Brustkrebs (2009 bis 2012) Erstuntersuchungen Folgeuntersuchungen Insgesamt absolut 2.414 2.611 5.025 relativ bezogen auf Anzahl Untersuchungen 0,76 % 0,56 % 1,32 % Frage 4. Welche Fortbildungen erhalten Ärztinnen und Ärzte in Hessen im Hinblick auf Früherkennungs- untersuchungen, insbesondere zur Interpretation von Untersuchungsergebnissen? Die Ärztinnen und Ärzte, welche in Hessen im Mammographie-Screening-Programm beschäftigt sind, erhalten von den Referenzzentren für Mammographie das Angebot über folgende verpflichtende Fortbildungen:  Fortbildungskurs zur Durchführung von Biopsien (BI),  Fortbildungskurs "Befundung von Screening-Mammographie-Aufnahmen" (BM), Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/777 3  Fortbildungskurs zur Erstellung von Screening-Mammographien (EM),  Fortbildungskurs "Angeleitete Tätigkeiten - Abklärungsdiagnostik" (ATA),  Fortbildungsveranstaltungen (FoBi),  Fortbildungskurs "Beurteilung der Histopathologischen Präparate" (HI),  Multidisziplinärer Kurs zur Einführung in das Programm zur Früherkennung von Brustkrebs (MD),  Fortbildungskurs für Programmverantworliche Ärzte (PVA),  Fortbildungskurs zur Untersuchung von Ultraschalluntersuchungen (US). Die beigefügte Anlage zeigt, für welche Ärztinnen und Ärzte im Mammographie-Screening welche Kurse, angeleiteten Tätigkeiten oder Fortbildungsveranstaltungen obligat sind. Um Leistungen zur Befundung von Screening-Mammographieaufnahmen ausführen und abrechnen zu können, müssen programmverantwortliche und befundende Ärzte vor Übernahme des Versorgungsauftrages zur Erlangung einer unbefristeten Genehmigung erfolgreich an einer Fallsammlungsprüfung zum Nachweis der fachlichen Befähigung teilnehmen. Im weiteren Verlauf müssen alle programmverantwortlichen und befundenden Ärzte einmal jährlich die erfolgreiche Teilnahme an einer Fallsammlungsprüfung zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der fachlichen Befähigung nachweisen. In Bezug zu den Hautkrebsscreenings haben Ärztinnen und Ärzte in Hessen die Möglichkeit, über die Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer Hessen oder über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen Fortbildungen wahrzunehmen, die sie zum Erwerb der Berechtigung führen, Früherkennungsuntersuchungen auf Hautkrebs durchzuführen und diese abzurechnen. Bei der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer Hessen richtet sich die Fortbildung in erster Linie an Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin. In diesem achtstündigen Kurs werden umfassende Früherkennungsmaßnahmen - mit Fallbeispielen, Diskussionen und praktischen Übungen sowie den notwendigen Details zur Dokumentation - unterrichtet . Das Fortbildungsprogramm der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen wird nach dem Fortbildungskonzept der Kommission Hautkrebs-Screening der Kassenärztlichen Bundesvereinigung durchgeführt und entspricht der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses . Für die Fortbildungsmaßnahmen der Ärztinnen und Ärzte im Hinblick auf Früherkennungsuntersuchungen zu Gebärmutterhalskrebs und Darmkrebs liegen dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration keine Informationen vor. Frage 5. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass Früherkennungsuntersuchungen wie z.B. das Mammografie-Screening wenig bis keinen Nutzen bringen? Wenn ja, warum? Angesichts der deutlich steigenden Zahl von Krebsneuerkrankungen gewinnt die Krebsfrüherkennung eine zunehmende Bedeutung. Leider wird das bestehende breite Krebsfrüherkennungsangebot in Deutschland von den Bürgerinnen und Bürgern noch nicht hinreichend genug wahrgenommen. Eines der Handlungsfelder des Nationalen Krebsplans ist die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung . Hierbei sollen die Strukturen, die Reichweite, die Wirksamkeit und die Qualität der bestehenden Krebsfrüherkennungsangebote nachhaltig verbessert werden. Durch das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (§ 25 und § 25a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ) soll die Krebsfrüherkennung verbessert werden, indem die bestehenden Angebote der Gebärmutterhalskrebsfrüherkennung und der Darmkrebsfrüherkennung in organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme mit durchgängiger Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle unter Berücksichtigung der Empfehlungen entsprechender Europäischer Leitlinien überführt werden. Durch gezielte Informationen soll den Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidung über die Inanspruchnahme erleichtert werden. Außerdem wird der bundesweite Aufbau von klinischen Krebsregistern zu einer deutlichen Verbesserung der onkologischen Behandlung führen. Das Mammographie-Screening wurde 2009 flächendeckend in Deutschland realisiert und seitdem wissenschaftlich begleitet. Für Screening-Programme gilt, dass diese erst nach bestimmten 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/777 Phasen wirksam sein können und daher aussagekräftige Datenauswertungen für den deutschen Kontext erst zehn Jahre nach der Programmeinführung zu erwarten sind. Der Bund beauftragt derzeit das Institut für Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) mit der Überarbeitung der Versicherteninformationen zum Mammographie -Screening nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen, so dass die Patientinnen selbstbestimmte Entscheidungen treffen können. Des Weiteren gilt es, die weitere Diskussion und Entwicklung auf Bundesebene über den Nutzen der Brustkrebs-Screenings zu verfolgen. Für die Früherkennung von Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Hautkrebs teilt die Landesregierung nicht die Einschätzung, dass die Maßnahmen wenig bis keinen Nutzen haben. Im Rahmen der Hessischen Krebspräventionsinitiative "du bist kostbar - Hessen gegen Krebs", die die Hessische Landesregierung gemeinsam mit der Hessischen Krebsgesellschaft und der Stiftung Leben mit Krebs durchführt, werden Bürgerinnen und Bürger über die Früherkennungs - und Präventionsmaßnahmen zu Darmkrebs, Haut- und Brustkrebs informiert und sensibilisiert . Ziel ist es, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger über die Möglichkeit einer gesetzlichen Vorsorgemaßnahme zu informieren. Frage 6. Wie hoch sind die Ausgaben von gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherun- gen für Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in Hessen? In der folgenden Tabelle sind Ausgaben für Krebsfrüherkennungsuntersuchungen der gesetzlichen Krankenkassen in Hessen für das Jahr 2013 aufgeführt. Nicht von allen Kassen waren Daten verfügbar. Die BKK und die Knappschaft Bahn-See haben auch ihre Ausgaben für den Zeitraum von 2009 bis 2013 angegeben. Die privaten Krankenversicherungen teilten mit, dass sie über die abgefragten Daten nicht verfügen . Krankenkasse Ausgaben gesamt 2013 Ausgaben gesamt (2009 bis 2013) BKK 10.037.923,11 € 58.975.779,38 € AOK 6.885.904,00 € Knappschaft Bahn-See 784.277,95 € 3.875.912,72 € Vdek 30.888.129,43 € * Die Ausgaben der Krebsfrüherkennung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau liegen nicht je Bundesland vor, sondern je Region und diese haben bundesländerübergreifend Versicherte. Die Eingrenzung der Ausgaben bezogen auf Versicherte im Bundesland Hessen ist nur mit einer extra Auswertung möglich, die allerdings recht aufwendig wäre und in der Kürze der Zeit nicht machbar wäre. Wiesbaden, 23. September 2014 Stefan Grüttner