Kleine Anfrage der Abg. Löber und Dr. Spies (SPD) vom 19.08.2014 betreffend Ambrosie in Hessen auf dem Vormarsch und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: "Die Beifuß-Ambrosie ist eine aus Nordamerika eingeschleppte Pflanze, die sich zunehmend in Europa und auch in Deutschland ausbreitet. Ihre Pollen enthalten aggressive Allergene und bereiten betroffenen Allergikern durch ihren späten Pollenflug auch nach der Beschwerdesaison durch heimische Pflanzen weitere Krankheitssymptome. Die Verlängerung der Beschwerdesaison für Pollenallergiker durch die BeifußAmbrosie verursacht hohe Kosten, die direkt z.B. durch Therapiekosten oder indirekt durch krankheitsbedingte Fehlzeiten entstehen. Eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Allergie -Zentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München schätzt die Kosten, die durch die Ausbreitung des neuen Allergens entstehen, jetzt erstmalig auf etwa 200 Millionen bis über eine Milliarde Euro pro Jahr. Dazu hatten die Wissenschaftler Pollenallergiker in Süddeutschland befragt und die daraus gewonnenen Ergebnisse auf Deutschland hochgerechnet. Die möglichen Kosten und der hohe Leidensdruck der betroffenen Patienten unterstreichen die Notwendigkeit von konzertierten Vorsorgemaßnahmen in Deutschland wie auch in Europa", schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Umweltmedizin in Forschung und Praxis". Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Ist der Landesregierung bekannt, wie weit sich die Beifuß-Ambrosie in Hessen bereits ausgebrei- tet hat? Es wird angenommen, dass die Beifuß-Ambrosie über Vogelfutter sowie als Beimischung zu Getreide- und Saatenlieferungen nach Europa eingeschleppt worden ist. In manchen südeuropäischen Ländern hat sich die Pflanze bereits stark ausgebreitet. Bis zum Jahr 2005 waren in Hessen nur wenige Vorkommen der Beifuß-Ambrosie (zumeist in Gärten) bekannt. Die Anzahl der Funde hat seither stark zugenommen. Mittlerweile treten in Hessen viele, mehrere Tausend Individuen der Ambrosie umfassende Bestände auf. Der Schwerpunkt der Verbreitung liegt in Südhessen, es sind aber auch Bestände aus den anderen Landesteilen bekannt. Im Jahr 2009 waren lediglich aus den Landkreisen Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder-Kreis, Landkreis Fulda , Westerwaldkreis und Odenwaldkreis keine Vorkommen bekannt. (Alle Angaben aus: Alberternst & Nawrath (2009): Situationsbericht und Maßnahmenvorschläge zur Beifußblättrigen Ambrosie in Hessen.) Landesweite, systematisch erhobene Daten zur aktuellen Verbreitung der Ambrosie liegen nicht vor. Frage 2. Kann die Ausbreitung der Beifuß-Ambrosie in Hessen grafisch dargestellt werden? (Wenn mög- lich, die Ausbreitung der innerhalb letzten 5 Jahre darstellen) Hierzu wird auf die Anlage verwiesen. Frage 3. In welcher Geschwindigkeit breitet sich die Pflanze in Hessen aus? Wie der Entwicklung 2005 bis 2009 zu entnehmen ist, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ambrosia als hoch anzusehen. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz zeigen jüngere Untersuchungen aus Deutschland, dass sich Ambrosia entlang von Straßen oder durch Erdtransporte innerhalb weniger Jahre stark ausbreiten und dabei auch größere Distanzen überwinden kann. Eingegangen am 11. November 2014 · Ausgegeben am 12. November 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/779 11. 11. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/779 Frage 4. Wie sehen die Verbreitungsmechanismen aus? Eine einzelne weibliche Ambrosiapflanze produziert im Durchschnitt etwa 3000 Samen. Die Ambrosiasamen werden vor allem durch den Menschen transportiert, d.h. die Ausbreitung wird derzeit hauptsächlich entlang von Verkehrswegen und mit Erdtransport beobachtet, eine Ausbreitung auch über Wasser und Tiere ist anzunehmen. Die langlebigen Samen bleiben bis zu 40 Jahre keimfähig. Frage 5. a) Sieht die Landesregierung aufgrund der gesundheitlichen Gefahren dieser Pflanze für den Menschen Handlungsbedarf? Aus gesundheitlicher Sicht zählen für den Menschen die Pollen der Beifuß-Ambrosie-Pflanze zu den allergologisch bedeutsamsten Allergenträgern. So können bereits wenige Ambrosie-Pollen bei sensibilisierten Menschen zu heftigen allergischen Reaktionen führen sowie allergische Atemwegserkrankungen auslösen. Pollen-assoziierte allergische Atemwegserkrankungen führen bei Betroffenen in der Regel auch zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebensqualität. Hinzu kommt, dass sich der bisherige saisonale Beschwerdezeitraum von Betroffenen aufgrund des Blütezeitraums der Ambrosie-Pflanze deutlich verlängert. Zudem ist mit dem Klimawandel eine stärkere Ausbreitung der Beifuß-Ambrosie-Pflanze in Deutschland zu erwarten und damit ein zunehmendes Risiko einer Sensibilisierung und Allergie auf Ambrosie-Pollen zu befürchten. Das Vorkommen dieser invasiven Pflanze ist generell als von nicht unerheblicher gesundheitlicher Relevanz zu bewerten und spielt damit auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht eine bedeutsame Rolle. Für Hessen sind jedoch bis heute keine allergologisch auffälligen Erkrankungen bekannt, deren Ursache eindeutig auf die Beifuß-Ambrosie-Pflanze zurückgeht. Auch liegen keine Daten vor, in welchem Ausmaß in Hessen eine Exposition und eine mögliche spezifische Sensibilisierung gegenüber Ambrosie-Pollen vorliegen. Dies schließt jedoch das Vorkommen von einzelnen Fällen nicht aus, bei denen eine Allergie gegenüber diesen Pollen besteht. Verbindliche Vorgaben zur Meldeverpflichtung von Pflanzenfundorten bestehen in Hessen nicht. Frage 5. b) Falls ja, welchen? Bislang ist in Hessen eine landes- bzw. auch eine bundesrechtliche Rechtsgrundlage für die vorsorgliche Bekämpfung der Beifuß-Ambrosie-Pflanze aus gesundheitlichen Gründen nicht vorhanden . Für eine rechtliche Regelung zur nachhaltigen Bekämpfung dieser invasiven Pflanzenart sind jedoch auch ausreichend belastbare Kosten-Nutzen-Analysen gefordert. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass belastbare Kostenschätzungen im Gesundheitsbereich für das Land Hessen und für Deutschland nicht vorliegen. Dies betrifft auch die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage zitierte Studie von Born W. et al. (2012), die sich mangels ausreichender Daten ausschließlich auf eine hypothesengeleistete Abschätzung stützt und deren Autoren sich im Ergebnis für die Notwendigkeit umfangreicherer Untersuchungen aussprechen. Dies zusammen berücksichtigend und im Sinne eines gesundheitlich vorsorgenden Vorgehens hat das Land Hessen den Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden im November 2011 befürwortet, die Ergebnisse aus einem laufenden europäischen Forschungsprojekt zu "Bewertung und Eindämmung der Verbreitung und der Auswirkungen der Beifuß-Ambrosie in Europa" abzuwarten. Dieses europäische Vorhaben, dessen Ergebnisse erst kürzlich veröffentlicht wurden, verfolgt insbesondere das Ziel, entsprechende Erkenntnisse über soziale, ökologische sowie wirtschaftliche Auswirkungen bereitzustellen, um so für den Gesundheitsbereich zu belastbaren Abschätzungen der anfallenden Kosten zu gelangen. Die weitere Befassung durch die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden steht daher noch aus und wird von der Landesregierung zunächst abgewartet. Frage 6. a) Hat die Landesregierung - ähnlich Bayern - ein Konzept, wie man gegen die Ausbreitung die- ser Pflanze vorgehen kann? b) Falls ja, wie sieht dieses aus? c) Falls nein, was wird die Landesregierung gegen die weitere Ausbreitung der Pflanze unter- nehmen und welche Vorsorgemaßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, damit die Folgekosten nicht weiter steigen? Aus gesundheitlichen Vorsorgegründen sind durch die Landesregierung seit dem Jahr 2007 Maßnahmen im Sinne der Primärprävention eingesetzt, um die weitere Ausbreitung der Pflanze zu unterbinden und um bestehende Pflanzen zu beseitigen. Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit informiert das Land Hessen durch Maßnahmen zur Prävention über die Pflanze, Erkennungsmerkmale , Bekämpfungsempfehlungen und Gesundheitsrisiken. Im Vordergrund stehen eine Beobachtung der Verbreitung der Pflanze und entsprechend frühzeitig einsetzende Maßnahmen mit dem Ziel der Verbreitungsverminderung und Verhinderung Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/779 3 der Pflanzenetablierung, dies sind Maßnahmen der Primärprävention. Vor dem Hintergrund, dass keine Melde- und Bekämpfungspflicht besteht, zählen zu diesen Maßnahmen neben der bereits genannten Öffentlichkeitsarbeit, auch eine freiwillige Standorterfassung und -meldung durch Beobachtung, eine Bekämpfung von Ausbreitungswegen und Einschleppmöglichkeiten (Erdbewegungen, Pflege von Straßenrändern, Äckern und anderen Flächen) und letztlich die unmittelbare Pflanzenbekämpfung (Ausreißen der Pflanze unter anderem). Als Bundesoberbehörde hat das Julius Kühn-Institut (Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland) im Jahr 2007 ein Aktionsprogramm zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Pflanze gestartet. Auch im Jahr 2007 wurde eine umfassendere Informationskampagne der Landesregierung zur Eindämmung der Ambrosie unter Federführung des Umweltressorts und unter Beteiligung des damaligen Sozialministeriums durchgeführt. Wiesbaden, 3. November 2014 In Vertretung: Dr. Beatrix Tappeser Anlage Anlage zu Frage 2 KA 19/779 Abb. 1: Ambrosienfunde in Hessen 2000 bis 2009. Nach 2005 nur Funde außerhalb von Gärten. (aus Alberternst & Nawrath (2009): Situationsbericht und Maßnahmenvorschläge zur Beifußblättrigen Ambrosie in Hessen) 1