Kleine Anfrage der Abg. Frankenberger (SPD) vom 04.02.2014 betreffend Feldversuch Gigaliner in Hessen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Seit 2012 nimmt das Land Hessen an dem Feldversuch Gigaliner teil. Dieser Feldversuch war von Beginn an unter verkehrs- und umweltpolitischen Aspekten umstritten. Dabei beteiligen sich auch nicht alle Bundesländer an dem fünfjährigen Feldversuch. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein sowie die Bundestagsfraktionen von SPD und Grüne haben gegen die Ausnahmeverordnung, auf deren Grundlage der Feldversuch eingeführt wurde, Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Vorbemerkung des für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichnen Gigaliner Lastkraftwagen, die neben den heutigen allgemeinen Grenzen für die Fahrzeugabmessungen auch diejenigen für die Fahrzeugmasse übersteigen und mit einer Gesamtmasse von z.B. 60 t am Straßenverkehr teilnehmen. Solche Fahrzeuge durften und dürfen - abgesehen vom erlaubnispflichtigen Großraum- und Schwerverkehr - in Deutschland nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Im Gegensatz hierzu halten die sogenannten Lang-Lkw die allgemeinen Grenzen für die Fahrzeugmasse von 40 t bzw. im Kombinierten Verkehr 44 t ein. Lediglich die Länge dieser Fahrzeugkombinationen übersteigt die heute allgemein zulässige Länge von 16,50 m für Sattelkombinationen bzw. 18,75 m für Anhängerkombinationen . Dementsprechend nimmt Hessen auch nicht an einem Feldversuch Gigaliner, sondern am Feldversuch Lang-Lkw teil. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt sie den Feldversuch Gigaliner unter dem Aspekt, dass viele Kritiker der Gigaliner befürchten, dass durch deren Einsatz eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße stattfindet? Eine abschließende Beurteilung des Sachverhalts ist derzeit nicht möglich, da aus dem Feldversuch noch keine Endergebnisse vorliegen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat für Frühjahr dieses Jahres einen Zwischenbericht über die Ergebnisse der gesamten Analysephase der wissenschaftlichen Begleitung des Feldversuchs in Aussicht gestellt. Insgesamt bleiben für eine Evaluierung die Ergebnisse der Begleitforschung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) abzuwarten. Diese sind endgültig für Herbst 2014 angekündigt. Frage 2. Der Einsatz von Gigalinern auf den bestehenden Straßen wird von den Bundesländern, die sich nicht an dem Feldversuch beteiligen, auch als ein verkehrliches Sicherheitsrisiko bezeichnet. Welche Gründe haben bei der hessischen Landesregierung dazu geführt, dass Hessen bei der Einführung des Feldversuches diese Bedenken ignoriert hat? Hessen hat diese Bedenken im Rahmen seiner Entscheidung mit abgewogen. So muss fahrgeometrisch sichergestellt sein, dass diese Fahrzeugkombinationen beim Abbiegen oder beim Befahren von engen Kurven keine Flächen außerhalb der Fahrbahn, z.B. Gehwege, überrollen oder andere Teile dieser Fahrzeugkombinationen diese Flächen überstreichen müssen . Dies wird zum einen dadurch sichergestellt, dass diese Fahrzeugkombinationen hinsichtlich ihrer Kurvenlaufeigenschaften die Vorgaben des sogenannten BO-Kraft-Kreises (minimaler Wendekreis von 25 m) (§32 StVZO) einhalten und zum anderen dadurch, dass die Strecken, die Eingegangen am 10. April 2014 · Ausgegeben am 14. April 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/79 10. 04. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/79 diese Fahrzeuge befahren dürfen, hierfür geeignet sein müssen. Hierzu werden die Strecken vor Meldung an den Bund zur Aufnahme in die sog. Lang-Lkw-Verordnung sorgfältig von den zuständigen Behörden überprüft. Lang-Lkw dürfen ausschließlich die Strecken befahren, die dort ausdrücklich genannt sind; ausgenommen hiervon sind lediglich Sattelkombinationen mit einer Länge von bis zu 17,80 m. Beim überholt werden ist sicherzustellen, dass überholende Fahrzeugführer nicht den notwendigen Überholweg unterschätzen, und es hierdurch zu gefährlichen Situationen kommt. Deshalb ist am Fahrzeugheck der Lang-Lkw ein Schild mit der Aufschrift "Lang-Lkw" anzubringen. Sicherheitsrelevant ist diese Situation allerdings nur auf Landstraßen mit Überholen im Gegenverkehr . Überholt ein Fahrzeug mit 80 km/h einen mit 60 km/h fahrenden Lang-Lkw, beträgt der Zeitmehrbedarf bei Gegenüberstellung der maximal zulässigen Fahrzeuglängen knapp 1,2 Sekunden . Bei einer Geschwindigkeit des Überholers von 100 km/h halbiert sich diese Zeit nochmals . Auf Autobahnen und anderen Straßen mit eigenen Überholfahrstreifen stellen die längeren Überholwege hingegen für sich in der Regel kein Gefahrenmoment dar. In Hessen liegen die Be- bzw. Entladeorte von Lang-Lkw in der Regel wenige Kilometer von der nächsten Anschlussstelle einer Autobahn oder autobahnähnlich ausgebauten Straße entfernt. Der Fahrleistungsanteil , den Lang-Lkw vor diesem Hintergrund außerhalb der Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen erbringen, ist deshalb ebenso gering wie das sich hieraus ergebende zusätzliche Unfallrisiko. Die Führer von Lang-Lkw dürfen ihrerseits ausschließlich Fahrzeuge überholen , die nicht schneller als 25 km/h fahren können oder dürfen. Verkehrssicherheitsbedenken wurden bei der Freigabe berücksichtigt und es erfolgte eine restriktive Freigabe von Strecken. So ist z.B. die A 4 zwischen dem Kirchheimer Dreieck und Gerstungen nicht Bestandteil des Positivnetzes. In diesem Abschnitt verfügt sie noch weitgehend über einen nicht mehr zeitgemäßen Ausbaustandard, u.a. ohne Seitenstreifen und mit starken Steigungen. Abschnittsweise läuft derzeit der Ausbau, verbunden mit entsprechend engen Verkehrsführungen . Auch Strecken, auf denen die Straßenverkehrsbehörden Fahrverbote für Lkw angeordnet haben, wie z.B. die B 27, hat die Landesregierung trotz entsprechenden Interesses nicht zur Aufnahme an den Bund gemeldet. Selbstverständlich werden Strecken auch dann nicht dem Bund zur Aufnahme in das Positivnetz gemeldet, wenn diese - trotz Positivmeldungen kommunaler Straßenbaubehörden - schon nicht den Anforderungen des Bundes selbst (keine innerstädtischen Straßen, keine höhengleichen Bahnübergänge u.a.) genügen. Zusammen mit den weiteren Vorgaben des Bundes an Fahrzeugtechnik, Fahrer und deren Verhalten im Straßenverkehr hat dies zur Einschätzung der Landesregierung geführt, dass die Teilnahme am Feldversuch aus Sicht der Verkehrssicherheit für vertretbar erachtet worden ist. Frage 3. Wie beurteilt die Landesregierung die bisherigen Erkenntnisse aus dem Feldversuch? Der Bund hat der Landesregierung hierzu bislang keine Berichte vorgelegt, die entsprechende Auswertungen erlauben würden. Frage 4. Wird die Landesregierung an der Beteiligung des Landes Hessen an dem Feldversuch festhalten? Ja, anhand der Tatsache, dass Schleswig-Holstein am Feldversuch teilnimmt und zugleich Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht ist, sieht man, dass sich die Frage in dieser Form nicht stellt. Frage 4. a) Wenn ja, beabsichtigt die Landesregierung weitere Straßen für den Feldversuch Giga- liner zu öffnen? Die "Öffnung" von Straßen ist Sache des Bundes. Sie erfolgt, indem dieser die betreffenden Straßen im Rahmen einer Änderung der Verordnung in die dortige Positivliste (Anlage zu § 2 Absatz 1 der Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge) aufnimmt. Derzeit ist offen, ob der Bund ein weiteres Mal die Verordnung ändert, um zusätzliche Strecken aufzunehmen. Derzeit ist keine Meldung weiterer Strecken durch das Land vorgesehen. Wiesbaden, 26. März 2014 Tarek Al-Wazir