Kleine Anfrage des Abg. Eckert (SPD) vom 26.08.2014 betreffend wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Die Gemeinde Elbtal beabsichtigt sich als Postagent der Deutschen Post AG anzubieten, um die örtliche Postagentur mit Öffnungszeiten von vier Stunden werktags und zwei Stunden an Samstagen als wichtiges Angebot für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort aufrechterhalten zu können. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Die Gemeinde Elbtal hatte ursprünglich beabsichtigt, eine Postagentur verbunden mit einer Lotto-Annahmestelle als eine zusammengehörige wirtschaftliche Betätigung zu betreiben, wobei die Einnahmen aus der Lottoannahme die Postagentur finanzieren sollten. Diesbezüglich hatte der Landrat des Landkreises Limburg-Weilburg als zuständige Kommunalaufsicht Kontakt mit dem Gemeindevorstand aufgenommen und das Vorhaben erörtert. Im Anschluss wurde dem Gemeindevorstand mitgeteilt, dass der Betrieb einer Lotto-Annahmestelle - im Gegensatz zur Unterhaltung einer Postagentur - für nicht zulässig erachtet wird. Eine formelle Beanstandung nach § 138 Hessische Gemeindeordnung (HGO) erfolgte nicht. Die Würdigung des Sachverhaltes und die im Rahmen der Ausübung präventiver Aufsicht gewählte Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Der Betrieb einer Lotto-Annahmestelle durch eine Gemeinde ist nicht mit § 121 Abs. 1 HGO in Einklang zu bringen; insbesondere ist ein die Betätigung rechtfertigender öffentlicher Zweck nicht zu erkennen. Die Aufnahme des Betriebs einer Lotto-Annahmestelle beabsichtigt die Gemeinde aktuell nicht mehr. Sie steht jedoch weiterhin in Verhandlungen mit der Deutschen Post AG, um eine Vereinbarung zum Betrieb der Postagentur zu treffen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele und welche Bitten um rechtliche Bewertung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kommune haben die Aufsichtsbehörden in Hessen in den Jahren 2010 bis heute erhalten und wie wurden diese beantwortet? Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen untersteht in Hessen generell keinem kommunalrechtlichen Genehmigungsvorbehalt. Aufgabe der Kommunalaufsicht ist es jedoch sicherzustellen , dass die Gemeinden in Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden. Bedienen sie sich zur Ausübung der Betätigung einer Unternehmensrechtsform, besteht Anzeigepflicht. Anzeigepflichtig nach § 127 a HGO sind die dort enumerativ genannten Sachverhalte, wie u.a. Errichtung , Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens oder auch die Gründung oder Beteiligung an einer Gesellschaft. Sofern rechtliche Bedenken seitens der Aufsichtsbehörden bestehen, werden diese im Rahmen der Anzeigeverfahren mit den Gebietskörperschaften erörtert. Insbesondere präventiv werden Hinweise zum Änderungsbedarf der vorgelegten Gesellschaftsverträge - sofern erforderlich - gegeben. Bei der Prüfung der Erfüllung der gesetzlich normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen für wirtschaftliche Betätigung (§§ 121 ff HGO) sind gesetzlich - vgl. § 121 Abs. 1 Nr. 2 HGO – die Interdependenzen zur Haushaltssituation der Kommune in die Betrachtung einzubeziehen . Eingegangen am 12. November 2014 · Ausgegeben am 18. November 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/794 12. 11. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/794 Eine zentrale Erfassung von Anfragen bei den Aufsichtsbehörden und Rückfragen der Aufsichtsbehörden erfolgt nicht, so dass hinsichtlich der Fallzahlen keine Auskunft möglich ist. Inhaltlich kann jedoch für den angefragten Zeitraum festgehalten werden, dass weit überwiegend die Beurteilung wirtschaftlicher Betätigung auf den Feldern der erneuerbaren Energien (Wind- und Solarparks nebst Flächenverpachtung), der Möglichkeiten zur Übernahme von Stromverteilnetzen sowie des Netzbetriebs und von Vorhaben auf dem Gebiet der Breitbandund Wasserversorgung anstand. Frage 2. In wie vielen und welchen Fällen haben die Aufsichtsbehörden in Hessen in den Jahren 2010 bis heute Einwände gegen die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune erhoben oder diese untersagt ? Hinsichtlich der Erfassung von Sachverhalten wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Gemäß der Berichterstattung der Aufsichtsbehörden war jedoch im Ergebnis eine aufsichtsrechtlich förmliche Untersagung einer beabsichtigten wirtschaftlichen Betätigung in keinem Falle erforderlich. Frage 3. In wie vielen und welchen Fällen hat die Entscheidung oder Stellungnahme der Aufsichtsbehörden gegen die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune dazu geführt, dass Angebote der Daseinsvorsorge vor Ort eingeschränkt oder ganz eingestellt werden mussten? Es sei zunächst der Hinweis gestattet, dass weder das Grundgesetz in Art. 28, noch die Hessische Verfassung in Art. 137, noch die Hessische Gemeindeordnung in Gänze die Begrifflichkeit der Daseinsvorsorge verwenden. Für das Bundesverfassungsgericht ist Daseinsvorsorge eine Leistung, derer der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf (BVerfGE 66,248 (258)). In der Verwaltungswissenschaft wird der Begriff der öffentlichen Daseinsvorsorge meist definiert als grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen. Die Zuständigkeit der Gemeinden erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ; sie haben öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Was letztlich zum Inhalt einer in diesem Sinne interpretierten Daseinsvorsorge vor Ort wird, entscheidet jede Kommune im Rahmen der Selbstverwaltung. Dies vorausgeschickt berichten die Aufsichtsbehörden unisono, dass auf Grund deren Befassung mit und Beurteilung von wirtschaftlicher Betätigung in keinem Fall entsprechend vorgesehene Angebote eingeschränkt oder ganz eingestellt werden mussten. Frage 4. In wie vielen und welchen Fällen hat die Entscheidung oder Stellungnahme der Aufsichtsbehörden gegen die wirtschaftliche Beteiligung der Kommune weiterhin dazu geführt, dass sonstige Angebote für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, wie etwa Postagenturen, Einkaufsmärkte etc., ihr Angebot einschränken mussten oder komplett weggefallen sind? Es sei auf die Antwort zu Frage 4. verwiesen. Frage 5. Durch welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung sicherzustellen, dass den Kommunen in Hessen die Möglichkeit eröffnet wird, durch eine wirtschaftliche Betätigung Angebote der Daseinsvorsorge und sonstige wirtschaftliche Angebote in der Kommune zu sichern, zu verbessern oder neu aufzubauen? Die Landesregierung verweist darauf, dass mit Gesetz vom 18.07.2014 (GVBl. S. 178) die Bestimmung des § 121 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) unlängst geändert wurde. Die Änderungen erweitern die Möglichkeiten einer Betätigung hessischer Kommunen in den Sektoren Energie- und Breitbandversorgung. Die Neufassung der Regelungen soll, durchaus auch im Sinne der Fragestellung, die Durchführung öffentlicher Aufgaben vor Ort sichern und verbessern und beschleunigen und es den Kommunen z.B. leichter ermöglichen, gewisse Betätigungen wie den Betrieb von Verteilnetzen aufzunehmen. Mit dieser Rechtslage ist die grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen (im Sinne von Daseinsvorsorge) gesichert. Weiteren Änderungsbedarf sieht die Landesregierung derzeit nicht. Wiesbaden, 30. Oktober 2014 Peter Beuth