Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 04.09.2014 betreffend Bebauungsplan Bachwiesen Röddenau der Stadt Frankenberg/Eder und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Stadt Frankenberg plant im Überschwemmungsgebiet des Goldbachs in den Bachwiesen, ein Neubaugebiet zu errichten (Bebauungsplanes Nr. 09/6 "Bachwiesen/Im Hof/Auf der Lache"). Naturschutzfachliche Bedenken - z.B. kommt in dem Gebiet die geschützte Anhang IV-Art Dunkler Wiesenkopf-Ameisenbläuling vor (s. die Stellungnahme Schütz 06.2014), die Bedeutung von Retensionsflächen für den Hochwasserschutz und mangelnde Nachfrage nach Bauplätzen, rechtfertigen Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Baulandentwicklung. Angeblich mangelt es in Frankenberg an Bauplätzen. Bürgermeister Rüdiger Heß hatte noch Ende 2012 verkündet, es gäbe zu wenig Bauwillige in Frankenberg und deshalb würden keine weiteren Bauabschnitte in einem anderen Baugebiet mehr erschlossen. Zudem steht im selben Ortsteil eine weitere im Regionalplan als Baugebiet ausgewiesene Fläche zur Verfügung, die die Stadt aber als ungeeignet erachtet. Angeregt durch Mitglieder des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Kreisverband Waldeck-Frankenberg e.V. erbitten wir Informationen zum konkreten Vorhaben sowie generell zu administrativen und planungsrechtlichen Möglichkeiten den Flächenverbrauch gemäß des 30- Hektar-Ziels der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu verringern. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt: Frage 1. Was wird vom Land Hessen unternommen, den Flächenverbrauch in Hessen zu reduzieren, bzw. welche Instrumente stehen der Landesregierung zur Verfügung, damit dieses erklärte Nachhaltigkeitsziel bei konkreten Vorhaben in der Fläche umgesetzt werden kann? Der Begrenzung des Flächenverbrauchs wird durch entsprechende Zielformulierungen im Landesentwicklungsplan Hessen 2000 (LEP) sowie deren Konkretisierung in den Regionalplänen Rechnung getragen. Der LEP enthält als zwei wesentliche Ansatzpunkte hierzu Vorgaben zur Steuerung der Siedlungsentwicklung sowie Maßgaben zum Freiraumschutz. Die Vorgaben zur Steuerung der Siedlungsflächenentwicklung enthalten u.a. die Orientierung am Zentrale-OrteKonzept , die vorrangige Nutzung von Innenentwicklungspotenzialen und die gemeindeweise Ermittlung und Darstellung des voraussichtlichen Bedarfs an Wohnsiedlungsflächen. Bezüglich des Freiraumschutzes enthält der LEP Vorgaben zur Ausweisung für regionale Grünzüge, für Schutzgebietsausweisungen und bezüglich agrarischer und forstlicher Vorzugsräume. Die Ziele des LEP sind in den Regionalplänen zu übernehmen und können weiter konkretisiert werden. Bezüglich der Steuerung der Siedlungsflächenentwicklung legt der Regionalplan Nordhessen 2009 fest, dass neue Fläche für Siedlungszwecke nur dann ausgewiesen werden dürfen, wenn Bestandsflächen nicht verfügbar oder für die vorgesehene Nutzung nicht geeignet sind (vgl. Regionalplan Nordhessen, Kapitel 3.1, Ziel 3, S. 34 ff.). Als Obergrenze für die von den Gemeinden für Wohnsiedlungszwecke in Anspruch zu nehmenden Flächen bis 2020 wurde der Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf für das Mittelzentrum Frankenberg mit 61 ha und u.a. der Stadtteil Röddenau als Wohnsiedlungsschwerpunkt festgelegt. Die Beachtung der Ziele des Regionalplans wird im Rahmen der Genehmigung von Flächennutzungsplänen bzw. Flächennutzungsplanänderungen vom Regierungspräsidium Kassel geprüft. Weiterhin nimmt das Regierungspräsidium als Träger öffentlicher Belange bei Bauleitplanverfahren Stellung. Eingegangen am 17. November 2014 · Ausgegeben am 21. November 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/802 17. 11. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/802 Die Thematik der teilweise hohen Obergrenzen für den Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf u.a. aufgrund nicht mehr aktueller Bevölkerungsprognosen sowie die unterschiedliche Vorgehensweise bei der Überprüfung der vorrangigen Inanspruchnahme von Bestandsflächen ist bekannt. Im Rahmen der Fortschreibung des Landesentwicklungsplanes 2025 ist vorgesehen, die diesbezüglichen Regelungen zu überprüfen und ggf. die Vorgaben für die vorrangige Nutzung von Bestandsflächen zu konkretisieren. Zur Umsetzung des Prinzips "Innen- vor Außenentwicklung" wurde im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen und des Projektes "Nachhaltiges Flächenmanagement" eine Flächenmanagementdatenbank als ein leicht handbares Instrument zur Erfassung und Aktivierung von Brachflächen, leerstehenden Gebäuden, Baulücken u.a. entwickelt, die allen hessischen Kommunen seit Mitte 2012 lizenzkostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Die Flächenmanagementdatenbank umfasst über die reine Erfassung von Innenentwicklungspotenzialen auch ein Modul zur Eigentümeransprache und ein Modul Bauland- und Immobilienbörse. Sie ist insbesondere für diejenigen Kommunen geeignet, die bisher noch nicht über eine entsprechende Datenbank verfügen. Weiterhin wird die Reduzierung des Flächenverbrauchs mit einer Reihe von weiteren Projekten und Maßnahmen vorangebracht; hinzuweisen ist insbesondere auf zahlreiche Fördermaßnahmen und Informationsveranstaltungen im Rahmen der Städtebauförderung und der Dorfentwicklung . Frage 2. Ist der Hessischen Landesregierung bekannt, dass die Stadt Frankenberg beabsichtigt ein Neu- baugebiet in einem Überflutungsgebiet zu errichten und damit wertvolle Retentionsflächen aufgeben will? Die Fachdezernate und Träger öffentlicher Belange des Regierungspräsidiums Kassel wurden mit Schreiben des beauftragten Planungsbüros vom 27.05.2014 über die von der Stadt Frankenberg beabsichtigte Bauleitplanung gemäß § 4 (1) BauGB unterrichtet. Das Plangebiet liegt nach den Unterlagen des Regierungspräsidiums Kassel und den Ergebnissen der Planumweltprüfung zufolge außerhalb von gemäß § 76 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) festgesetzten Überschwemmungsgebieten. Daher konnte das Regierungspräsidium Kassel der gemeindlichen Bauleitplanung mit Stellungnahme vom 1. Juli 2014 zustimmen. Die Änderung des Flächennutzungsplanes hat der oberen Wasserbehörde beim Regierungspräsidium Kassel zur Stellungnahme vorgelegen. In der Begründung war angegeben, dass Überschwemmungsgebiete nicht berührt werden. Dies trifft auf durch Rechtsverordnung nach § 76 Abs. 2 WHG festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu. Für das natürliche Überschwemmungsgebiet des Goldbaches kann dies aber nicht mit Sicherheit angegeben werden, da für den Goldbach zwar ein Überschwemmungsgebiet gemäß § 76 Abs. 1 WHG besteht, dieses aber nicht nach § 76 Abs. 2 WHG festzusetzen ist, da kein signifikantes Hochwasserrisiko im Sinne des § 73 Abs. 1 WHG zu erkennen ist. Demzufolge war eine Bestimmung der Begrenzung der Überschwemmungsgebiete nicht vorgenommen worden. Frage 3. Ist es vor dem Hintergrund, dass, auch im Hinblick künftig häufiger zu erwartender Starkregen- ereignisse und den mühsamen Anstrengungen andernorts Retentionsflächen zu schaffen, vertretbar , solche Flächen, trotz alternativer Baugebiete, weiter zu reduzieren? (Antwort bitte mit Begründung ) Die Einschätzung, dass das Plangebiet mindestens teilweise im natürlichen Überschwemmungsgebiet des Goldbaches liegt, wird durch der oberen Wasserbehörde vorliegende Fotos nahegelegt ; auch die bei der oberen Wasserbehörde vorhandene Kenntnis der örtlichen topografischen Situation unterstützt diese Annahme. Die besonderen Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete nach § 78 WHG sind für das Überschwemmungsgebiet des Goldbaches nicht einschlägig. Nach § 77 WHG sind aber auch die nicht festgesetzten Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. Die Ausweisung eines neuen Baugebietes durch einen Bauleitplan in diesem Bereich ist daher nur möglich, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit gegen den Erhalt der Rückhaltefunktion sprechen würden. Für diesen Fall sieht § 77 WHG vor, rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Frage 4. Welche Möglichkeiten gibt es, die Planungshoheit der Kommunen außer Kraft zu setzen, wenn negative Auswirkungen außerhalb des Stadtgebietes zu erwarten sind? Die Planungshoheit der Gemeinden ergibt sich unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes . Eine außer Kraft Setzung der Planungshoheit ist daher nicht möglich. Allerdings haben die Gemeinden im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung kann das Oberverwal- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/802 3 tungsgericht (in Hessen der Verwaltungsgerichtshof) auf Antrag über die Gültigkeit eines Bauleitplanes entscheiden. Frage 5. Kann, oder muss, die Schaffung neuer Retentionsräume auch im Hinblick auf die Umsetzung der WRRL, zur Auflage gemacht werden? Sowohl die Wasserrahmenrichtlinie als auch die Hochwasserrisikomanagementrichtlinie der Europäischen Union sind vollständig in das in Hessen geltende Wasserrecht umgesetzt. Eine Vorschrift zur Schaffung von Retentionsräumen findet sich in § 77 Satz 3 WHG, in dem festgelegt ist, dass frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, so weit wie möglich wiederhergestellt werden sollen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen. Frage 6. Wie wird die Umsetzung des § 1a Abs. 2 BauGB, der einen schonenden Umgang mit Grund und Boden vorschreibt, überprüft? Frage 7. Welche Anstrengungen zur Vermeidung von Flächenverbrauch (Leerstandsmanagement, Schlie- ßen von Baulücken, etc.) müssen Vorhabensträger nachweisen, bevor sie Neubaugebiete ausweisen können? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Kommunen sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne an das Postulat des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden gebunden. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 1a Abs. 2 BauGB sowie aus den Zielen der Landesplanung und Raumordnung des Landesentwicklungsplanes LEP 2000 und den entsprechenden Zielen des Regionalplanes Nordhessen (vgl. auch Antwort zu Frage 1), für die die Anpassungspflicht gemäß § 1 Abs. 4 BauGB besteht. Danach hat die Nutzung bislang unbebauter Flächen sowie die Reaktivierung nicht mehr genutzter Gewerbeflächen und leer stehender Gebäude im Siedlungszusammenhang, d.h. auf nach § 30 bzw. 34 BauGB bebaubaren Grundstücken Vorrang vor der Ausweisung neuer Siedlungsflächen am Ortsrand. Die Kommunen haben im Bauleitplanverfahren sowohl den Bedarf nachzuweisen (Planerfordernis ) als auch Alternativen darzulegen und in die Abwägung einzustellen. Im Rahmen des Bauleitplanverfahrens prüfen diverse Fachdezernate des Regierungspräsidiums Kassel die Umsetzung des § 1 a BauGB und geben Stellungnahmen ab. Diese Stellungnahmen sind von den Kommunen in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen. Die Umsetzung des § 1 a Abs. 2 BauGB wird bei Flächennutzungsplänen bzw. Flächennutzungsplanänderungen außerdem im Genehmigungsverfahren geprüft. Im Umweltbericht zum Flächennutzungsplan sind nach Anlage 1 zum BauGB Nummer 2 d die in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten im Stadt-/Gemeindegebiet aufzuzeigen. Im Bebauungsplanverfahren sind die anderweitigen Planungsmöglichkeiten zu prüfen. Bebauungspläne , die aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden, bedürfen jedoch keiner Genehmigung und werden von der Kommune selbstständig in Kraft gesetzt. In Hinblick darauf, dass Frankenberg Mittelzentrum und der Stadtteil Röddenau als Wohnsiedlungsschwerpunkt ausgewiesen ist sowie in Hinblick auf den für Frankenberg prognostizierten Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf von 61 ha wurden über die in der Begründung zum Bebauungsplanentwurf enthaltenen Ausführungen zur Bedarfssituation und Standortauswahl vom Regierungspräsidium Kassel keine weiteren Angaben gefordert. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei dem in Rede stehenden Bebauungsplanverfahren die Abwägung nach § 1 Abs. 7 und § 2 Abs. 3 BauGB noch nicht erfolgt. Wie die Gemeinde mit Schreiben vom 19.9.2014 mitgeteilt hat, hat die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 BauGB und die frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 BauGB vom 2. Juni 2014 bis 4. Juli 2014 stattgefunden. Derzeit werden die eingegangenen Anregungen und Bedenken überprüft und fachlich bewertet; die Erkenntnisse werden bei der Überarbeitung der Planung einfließen. Der Bauleitplanentwurf ist dann gemäß § 3 Abs. 2 BauGB für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Hier besteht nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme. Gemäß Bericht des Regierungspräsidiums Kassel sind die Anstrengungen der Kommunen zur Vermeidung von Flächenverbrauch und zur Reduktion des Flächenverbrauchs durch Nachverdichtung im Innenbereich sehr unterschiedlich. Da in erster Linie nur Flächen, die sich im Eigentum der Kommune befinden zielgerichtet vermarktet werden können, werden in der Regel in allen Kommunen Versuche unternommen, Flächen im Innenbereich zu erwerben. Die Versuche reichen von Anfragen zur Verkaufsbereitschaft bei Eigentümern (Baulücken) bei konkreten Bauprojekten über jährlich wiederkehrende Anfragen bei Eigentümern von potenziellen Baulandflächen bis zu Leerstandskatastern. Von Seiten der Landesregierung wird geprüft, noch weitergehende Schritte zur Vermeidung des Immobilienleerstands und zur Stärkung der Innenentwicklung auf den Weg zu bringen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/802 Frage 8. Lässt sich das oben benannte Vorhaben mit dem Ziel des Schutzes der Biodiversität in Einklang bringen? (Antwort bitte mit Begründung) Zur Beantwortung dieser Frage liegen der Landesregierung keine vertieften Kenntnisse vor. Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit der Planung mit dem Ziel des Schutzes der Biodiversität im Rahmen der zulassungsrelevanten naturschutzrechtlichen Kriterien abzuprüfen und ansonsten Bestandteil der bauleitplanerischen Abwägung. Ausgewiesene Schutzgegenstände des Naturschutzrechts sind nicht betroffen. Ferner sind im Zuge der hessischen Biotopkartierung in diesem Bereich keine relevanten Biotope ermittelt worden. In Stellungnahmen der oberen und unteren Naturschutzbehörde wird auf eine Verkleinerung der Fläche auf die weniger konfliktträchtigen Bestandteile abgehoben, da innerhalb des Plangebietes Teilflächen mit naturschutzfachlich und artenschutzrechtlich wertvollen Teilbereichen vorhanden sind. Um im Zuge der bauleitplanerischen Abwägung entsprechende Abschätzungen und Abgrenzungen treffen zu können, wird eine detaillierte Untersuchung (Bestandsaufnahme) und Bewertung gefordert, auf deren Grundlage sodann eine Flächenabgrenzung einschließlich aller Vermeidungs - und Minimierungsmaßnahmen sowie Festlegung von Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestands relevanter ökologischer Funktionen (CEF) entwickelt werden kann. Diese Vorgehensweise sichert die Umsetzung der Biodiversitätsziele. Wiesbaden, 31. Oktober 2014 Tarek Al-Wazir