Kleine Anfrage der Abg. Frankenberger, Barth, Eckert, Faeser, Gremmels, Grüger und Weiß (SPD) vom 16.09.2014 betreffend Bericht des Verkehrsministers 2013 und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Zum Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen bleibt dank CDU und FDP mobil - Masterplan 2020 für den Hessischen Straßenbau (Drucksache 18/7520) hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung am 1. Oktober 2013 einen Bericht abgegeben. Auf diesen Bericht beziehen sich die nachfolgenden Fragen. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Neben den steigenden Erhaltungsaufgaben sind die Landesstraßenbauhaushalte der nächsten Jahre erheblich vorbelastet durch bereits laufende Neu- und Ausbauvorhaben sowie die Rückzahlungsverpflichtungen des seinerzeitigen Vorfinanzierungsmodells im Landesstraßenbau, dem Kommunalen Interessenmodell (KIM I). Aufgrund dieser Situation lassen sich selbst bei konstanter Mittelausstattung im Landesstraßenbau in der Höhe von rund 90 Mio. € keine Finanzierungsperspektiven für Neubaumaßnahmen, wie z.B. Ortsumgehungen, aufzeigen. Andererseits legt die Hessische Landesregierung einen hohen Wert auf die Fortführung des Programms wichtiger Ortsumgehungen, um den von den Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs betroffenen Anwohnern von Ortsdurchfahrten an Landesstraßen Entlastung zu verschaffen . Um die Planung und Realisierung nicht auf unbestimmte Zeit aussetzen zu müssen, hat die Hessische Landesregierung 2013 ein neues Vorfinanzierungsmodell (KIM II) aufgelegt. Während die im Bau befindlichen Ortsumgehungen auch weiterhin direkt aus dem Landesstraßenbauhaushalt finanziert werden, hat die Landesregierung den Städten und Gemeinden, deren Ortsumgehungen bereits Aufnahme in das Planungsprogramm des Landes gefunden haben, die Vorfinanzierung der Baukosten angeboten. Für alle Maßnahmen des Bundesfern- und Landesstraßenbaus gilt, dass für deren Realisierung sowohl das Baurecht bestandskräftig vorliegen als auch die Finanzierung der Maßnahme durch den Haushaltsgesetzgeber sichergestellt werden muss. Im Bundesfernstraßenbau erfolgt dies mit der Freigabe der konkreten Maßnahme durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. a) In der Nr. 1 des Berichtes wird die Behauptung aufgestellt, dass mit der deutlichen Erhöhung der Investitionsmittel im Landesstraßenbau auf 100 Mio. € der dramatische Substanzverzehr aus den 90er Jahren gestoppt werden konnte. Wie hoch sind nach der Vermögensrechnung (Bilanz) 2012 des Landes Hessen die Abschreibungen des Infrastrukturvermögens Landesstraßennetz? b) Wie hat sich das Infrastrukturvermögen Landesstraßennetz 2012 im Vergleich zu 2011 entwickelt ? Die Fragen 1 a und 1 b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die genannte Investitionssumme von 100 Mio. € basiert auf dem Investitionsbegriff der kameralen Haushaltsführung und beinhaltet ausschließlich die im Haushaltsjahr 2012 für das Landesstraßenbauprogramm (diverse Titel der Hauptgruppen 7 und 8) ausgegebenen liquiden Mittel. Eingegangen am 28. Oktober 2014 · Ausgegeben am 29. Oktober 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/878 28. 10. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/878 Diese kamerale Investitionsgröße kann nicht unmittelbar in eine doppische Investitionsgröße umgerechnet werden. Entsprechend der in der hessischen Landesverwaltung geltenden Bilanzierungsvorschriften nach Handelsrecht wird ein Straßenbauprojekt erst nach der Verkehrsfreigabe vollständig im Anlagevermögen bilanziert. In der Phase vom Projektbeginn bis zur Verkehrsfreigabe bildet das Projekt handelsrechtlich (ggf. für mehrere Jahre) eine sogenannte "Anlage im Bau". Die in dieser Zeit für das Projekt ausgegebenen Geldmittel (kamerale Sicht) erhöhen also erst dann das abzuschreibende Anlagevermögen, wenn die handelsrechtlichen Bilanzierungsvoraussetzungen vorliegen. Die Doppik wiederum erfasst Eigenleistungen der Verwaltung, die zur Vermögensmehrung beitragen . Diese betrugen in 2012 rund 20,2 Mio. €. Es handelt sich um Personal- und Verwaltungsaufwendungen , die im Einklang mit dem Handelsrecht und nach Prüfung durch die vom Hessischen Rechnungshof beauftragten Wirtschaftsprüfer als werterhöhend für das Anlagevermögen eingestuft werden. In der Kameralistik findet sich die Entsprechung zu diesen doppischen Aufwendungen bei den Personal- und Sachausgaben der Hauptgruppen 4 und 5, die nicht Bestandteil des Landesstraßenbauprogrammes sind. Die nachfolgende tabellarische Übersicht stellt die Entwicklung der Bilanzwerte und Abschreibungen des im Teilkonzernabschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL bzw. HMWVL) seit 2011 bilanzierten Verkehrsinfrastrukturvermögens dar: Stichtag Bilanzwert Verkehrsinfrastruktur in T€ Abschreibungen Verkehrsinfrastruktur in T€ 31.12.2011 4.142.399 171.537 31.12.2012 4.093.632 177.205 Im Jahr 2012 lagen keine wesentlichen rechtlichen oder sonstigen außerplanmäßigen Wertveränderungen vor. Die nachfolgend dargestellte Wertentwicklung entspricht insoweit dem üblichen Geschäftsablauf: Anfangsbestand 01.01.2012: 4.142.399 T€ (=Endbestand zum 31.12.2011) Bilanzielle Wertkorrekturen: - 1.442 T€ (Vermögensabgänge, Umstufungen u. ä.) Zugänge: + 80.311 T€ (= in 2012 begonnene u. abgeschlossene Projekte) Zugänge aus Anlagen im Bau: + 49.569 T€ (= vor 2012 begonnen und in 2012 abgeschlossen) Abschreibungen: - 177.205 T€ (inklusive Abschreibungen auf Straßenausstattung) Endbestand 31.12.2012: 4.093.632 T€ Die Summe der Zugänge in 2012 beträgt 129.880 T€, damit werden aus bilanzieller Sicht rund 70 % des in 2012 abgeschriebenen Vermögens wieder ersetzt. Für eine abschließende Beurteilung der Investitionswirkung ist die Auswertung eines Bilanzjahres nicht ausreichend. Aus der Jahresbetrachtung ergeben sich lediglich Anhaltspunkte für eine mögliche Entwicklung. In der langfristigen Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass die für bilanzielle Zwecke festgelegten kaufmännischen Nutzungsdauern (die letztlich die Höhe der Abschreibung bestimmen) und die tatsächliche technische Lebensdauer des bilanzierten Vermögens sehr unterschiedlich sein können. Auch die Bilanzierungshistorie der Verkehrsinfrastrukturbilanzierung ist bei der Bewertung der Investitionswirkungen zu berücksichtigen. Die erstmalige Bilanzierung 2003 erfolgte noch auf der Basis eines pauschalen Bewertungsansatzes, da historische Anschaffungs- und Baukosten nicht auswertbar waren. Erst seit 2005 können die Kosten der hessischen Straßenbauprojekte vollständig erfasst werden. Daher wird erst in den nächsten Jahren bei Projekten, die nach 2005 begonnen wurden und für die eine vollständige Bilanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten vorgenommen wurde, eine aussagefähige Bewertung der technischen und kaufmännischen Parameter (insbesondere der Nutzungsdauer) möglich sein. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/878 3 Frage 2. Wann werden die in der Nr. 3 des Berichtes genannten Ausbauvorhaben an Bundesfernstraßen fertiggestellt sein? Die Fertigstellung dieser Vorhaben ist wie folgt geplant: Projekt Voraussichtliche Fertigstellung A 44 Kassel - Herleshausen 2 Abschnitte unter Verkehr, 5 Abschnitte in Bau, 3 Abschnitte ohne Finanzierungsfreigabe des Bundes, 1 Abschnitt in Planung A 49 Neuental - Gemünden (Felda) Tunnel Frankenhain in Bau, sonstige Maßnahme ohne Finanzierungsfreigabe des Bundes A 66 Riederwaldtunnel 2022 A 66 Lückenschluss Frankfurt - Fulda unter Verkehr A 643/A 66 Neubau Rheinbrücke Schierstein 2019 A 643/A 66 Ausbau des Schiersteiner Kreuzes ohne Finanzierungsfreigabe des Bundes B 3 OU Wöllstadt 2016 B 27 OU Hauneck 2017 B 45 OU Nidderau 2014 B 49 vierstreifiger Ausbau zwischen Limburg und Wetzlar 7 Bauabschnitte fertiggestellt, 2 Bauabschnitte in Bau (bis 2017), 2 Bauabschnitte ohne Finanzierungs- freigabe des Bundes, 2 Bauabschnitte in Planung B 249 OU Meinhard/Frieda 2015 B 252 OU Münchhausen, Simtshausen, Todenhausen, Wetter bis Lahntal/Göttingen 1 Abschnitt in Bau (bis 2018) Sonstige Maßnahme ohne Finanzierungsfreigabe des Bundes B 253 Ausbau zwischen Biedenkopf-Ludwigshütte und Eifa (Sackpfeife) 2015 Frage 3. Wann werden die in der Nr. 4 des Berichtes genannten weiteren Bundesfernstraßenvorhaben ab- geschlossen sein? Zur Beantwortung der Frage wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 4. Wann werden die in der Nr. 6 des Berichtes genannten Landesstraßen fertiggestellt? Die Fertigstellung dieser Vorhaben für eine Verkehrsfreigabe stellt sich wie folgt dar: Projekt Fertigstellung L 3001 OU Dreieich/Offenthal 2014 L 3146 OU Staufenberg/Mainzlar unter Verkehr L 3181 Westspange Neuhof 2016 L 3193 OU Ronneburg/Hüttengesäß unter Verkehr L 3193 OU Erlensee/Langendiebach und Neuberg/Ravolzhausen 2014 L 3351 OU Karben/Groß-Karben 2016 L 3379 Verbindungsspange Künzell sowie die Entlastungsstraße Petersberg (KIM I) noch offen 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/878 Frage 5. Wann werden die in der Nr. 7 genannten Landesstraßenprojekte in Planung realisiert sein? Zur Beantwortung der Frage wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 6. Gibt es für die in der Nr. 8 des Berichtes genannten Ortsumgehungen im Zuge von Landes- straßen Finanzierungsmöglichkeiten? Für diese Ortsumgehungen, deren Entlastungswirkungen und Wirtschaftlichkeit landesweit bewertet wurde, konnte eine hohe Dringlichkeit festgestellt werden. Mit Blick auf die Vorbelastungen im Landesstraßenbauhaushalt ist es eine große Herausforderung, auch für diese Maßnahmen in den nächsten Jahren eine Finanzierungsperspektive aufzuzeigen. Wiesbaden, 17. Oktober 2014 Tarek Al-Wazir