Kleine Anfrage der Abg. Hofmann (SPD) vom 22.09.2014 betreffend verspätete Haftentlassung und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragestellerin: Einem Pressebericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19. August 2014 über die ehemals in der JVA Frankfurt III inhaftierte Frau V. kann entnommen werden, dass sie nach einer zunächst unterlassenen Prüfung auf Vollzugslockerung durch die JVA Frankfurt III zehn Monate zu spät aus der Haft entlassen wurde. In der Berichterstattung wird mitgeteilt dass Frau V. aufgrund von "verbal unkontrollierten Reaktionen " und von "wenig Angepasstheit und Akzeptanz der Realität" weiter in Haft blieb. Das Landgericht hat mittlerweile entscheiden, dass schon auf die Prüfung von Vollzugslockerungen nicht hätte verzichtet werden dürfen. In dem Beschluss heißt es, es sei "schlicht nicht nachzuvollziehen, wie die Anstalt auf dieser dünnen Grundlage ohne sachverständige Hilfe die sichere Nicht-Eignung feststellen können meint." Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Der in Bezug genommene Presseartikel der FAZ vom 19. August 2014 erweckt den Eindruck, dass im Jahr 2013 aus der JVA Frankfurt am Main III durch ein Verschulden von Bediensteten zwei Gefangene zu spät entlassen worden seien. Dies ist nicht zutreffend. Richtig ist, dass es im Januar 2013 in dieser Anstalt zu einem erheblichen Fehler gekommen ist. Eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe wurde versehentlich über rund vier Monate vollzogen, da übersehen worden war, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt war. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, die Presse, der Rechts- und Integrationsausschuss sowie der Unterausschuss Justizvollzug wurden über den Fall sowie über die Maßnahmen zur Vermeidung verspäteter Haftentlassungen ausführlich informiert. Die hier angesprochene ehemalige Gefangene, im Folgenden, wie in dem "FAZ"-Artikel Frau V. genannt, wurde hingegen nicht verspätet entlassen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung den in der Vorbemerkung dargestellten Sachverhalt? Frage 2. Aus welchen Gründen ist im vorliegenden Fall die Erstellung der Gutachten, die für die Gewäh- rung einer Vollzugslockerung zum Strafende hin notwendig sind, unterblieben und wie beurteilt die Landesregierung dies? Frage 3. Inwiefern sieht die Hessische Landesregierung durch das Absehen von Gutachten und das Unter- lassen der Lockerung durch die Justizvollzugsanstalt einen Verstoß gegen § 13 HStVollzG? Die Fragen 1. bis 3. werden gemeinsam beantwortet. Die Beauftragung von externen Gutachten zur Frage der Eignung für vollzugsöffnende Maßnahmen kommt in der Regel erst dann in Betracht, wenn die Anstalt zuvor selbst zu einer positiven Prognose gekommen ist. Diese Regelung entspricht § 454 Abs. 2 StPO; danach hat das Gericht nur dann ein Gutachten einzuholen, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe auszusetzen; die Einholung eines Gutachtens ist hingegen nicht erforderlich, wenn das Gericht die Aussetzung ablehnen will. Die Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main III hatte, nachdem sie in den Jahren 2008 und 2010 jeweils externe Gutachten zur Frage des erreichten Behandlungsstandes und zur Frage weiterer Eingegangen am 5. November 2014 · Ausgegeben am 7. November 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/902 05. 11. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/902 Behandlungsmöglichkeiten in Auftrag gegeben hat, die wegen Doppelmordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schuldschwere verurteilte, erheblich vorbestrafte Frau V. zunächst nicht für geeignet erachtet, vollzugsöffnende Maßnahmen ohne Begleitung zu bewältigen . Die Beauftragung von zusätzlichen Gutachten zur Frage der Eignung für weitergehende Vollzugslockerungen war mithin nicht angezeigt. Gegen diese Vollzugsplanung hat Frau V. Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Mit Beschluss vom Januar 2012 hat das Landgericht Frankfurt am Main die Vollzugsplanung aufgehoben und der Justizvollzugsanstalt aufgegeben, Gutachten zur Frage der Eignung einzuholen. Die Anstalt hat die Entscheidung des Gerichts unverzüglich umgesetzt. Da die Prognosen der Gutachter positiv waren, wurden Frau V. in der Folge Ausgänge und Hafturlaube gewährt. Entsprechend dem Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom Juni 2013 wurde Frau V. nach Eintritt der Rechtskraft im Juli 2013 ordnungsgemäß entlassen. Frage 4. Gab es in Hessen von 2005 bis heute derartige Fälle, in denen Gefangene ohne vorherige Locke- rungsmaßnahmen entlassen worden sind? Falls ja, aus welchen Gründen und wie beurteilt die Landesregierung dies? Ich bitte um Darstellung nach Jahren. Wie dargelegt, wurde Frau V. aus dem offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main III entlassen. Vor ihrer Entlassung wurden ihr zahlreiche vollzugsöffnende Maßnahmen (Ausführungen, Ausgänge und Freistellungen aus der Haft) gewährt. In Hessen ist gesetzlich festgelegt, dass die Anstalt frühzeitig, spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, darauf hin arbeitet, dass die Gefangenen über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf in nachsorgende Maßnahmen vermittelt werden (§ 16 HStVollzG, § 16 HessJStVollzG sowie § 16 HSVVollzG). Hierbei arbeitet die Anstalt mit Dritten, insbesondere der Bewährungshilfe, den Führungsaufsichtsstellen und der freien Straffälligenhilfe zum Zwecke der sozialen und beruflichen Eingliederung der Gefangenen zusammen. Die Bewährungshilfe ist zu einer solchen Zusammenarbeit schon während des Vollzugs verpflichtet , um einen bestmöglichen Übergang der Betreuung zu gewährleisten. Ferner sollen zur Vorbereitung der Entlassung vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden. Jedoch gilt im Zeitraum der Entlassungsvorbereitung gleichermaßen wie zuvor, dass die Gefangenen für die jeweiligen vollzugsöffnenden Maßnahmen geeignet sein müssen, insbesondere also nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen. Für jeden Gefangenen ist eine individuelle Entlassungsvorbereitung zu treffen. Dass Gefangene, insbesondere mit langen Freiheitsstrafen, ohne vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen entlassen werden, ist selten. Konkrete Zahlen dazu liegen nicht vor. Frage 5. Wie haben sich Insassen- und Personalzahlen an den einzelnen Hessischen Justizvollzugsanstalten in den Jahren 2005 bis heute entwickelt? - Bitte Aufschlüsseln nach Justizvollzugsanstalten. - Dem hessischen Justizvollzug standen, über alle Laufbahnen und Laufbahnzweige betrachtet, zu keinem Zeitpunkt der letzten 20 Jahre mehr Stellen zur Verfügung als im Jahr 2013. Dabei ist zu beachten, dass im Betrachtungszeitraum (ab 2005) die Durchschnittsbelegung in den hessischen Justizvollzugsanstalten um fast 500 Gefangene gesunken ist (siehe dazu die als Anlage beigefügte Aufstellung). Hinsichtlich einzelner Veränderungen und größerer Reduzierung im Stellenbestand sei auf Folgendes hingewiesen: JVA Butzbach: Die Reduzierung des Stellenbestandes in den Jahren 2007 und 2008 ergibt sich zum ganz wesentlichen Teil aus:  der organisatorischen Anbindung des vormals dienstrechtlich an die JVA Butzbach angegliederten Verwaltungs-Competence-Centers Mittelhessen an das H.B. Wagnitz-Seminar,  der Umwidmung der Zweiganstalt Friedberg (Strafhaft) in eine Jugendarrestanstalt und der damit verbundenen organisatorischen Anbindung an die Justizvollzugsanstalt Rockenberg. JVA Darmstadt: Die Reduzierung des Stellenbestandes im Jahr 2007 ergibt sich zum ganz wesentlichen Teil aus der organisatorischen Anbindung des vormals dienstrechtlich an die JVA Darmstadt angegliederten Verwaltungs-Competence-Centers Südhessen an das H.B. Wagnitz-Seminar. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/902 3 JVA Frankfurt am Main III: Die Reduzierung des Stellenbestandes in den Jahren 2007 und 2009 ergibt sich zum ganz wesentlichen Teil aus:  der organisatorischen Anbindung des vormals dienstrechtlich an die JVA Frankfurt am Main III angegliederten Verwaltungs-Competence-Centers Frankfurt am Main an das H.B. Wagnitz -Seminar (2007),  der organisatorischen Anbindung aller Werkbediensteten der Frankfurter Justizvollzugsanstalten an das H.B. Wagnitz-Seminar. Seit 2004 waren die Werkbediensteten aller Frankfurter Vollzugsanstalten dienstrechtlich der JVA Frankfurt am Main III zugeordnet. Im Rahmen einer Geschäftsprozessoptimierung wurden zu Beginn des Jahres 2009 diejenigen Werkbediensteten, die zentrale Dienste für alle Frankfurter Justizvollzugsanstalten erbringen (z.B. Heizwerk, Bauunterhaltung, Elektrik/Haustechnik, Sanitärunterhaltung), organisatorisch dem H.B. Wagnitz-Seminar, Außenstelle VCC Frankfurt, angegliedert. JVA Frankfurt am Main IV: Die Reduzierung des Stellenbestandes im Jahr 2007 ergibt sich zum ganz wesentlichen Teil aus der organisatorischen Anbindung der vormals dienstrechtlich an die JVA Frankfurt am Main IV angegliederten Jugendarrestanstalt Gelnhausen an die JVA Rockenberg. Eine weitere Reduzierung des Stellenbestandes in 2012 resultiert aus der Zusammenlegung der Außenpforten der Justizvollzugsanstalten Frankfurt am Main I und IV zu einer gemeinsamen Außenpforte und dienstrechtlicher Anbindung an die JVA Frankfurt am Main I. JVA Kassel I: Die Reduzierung des Stellenbestandes in 2007 und von 2011 bis 2013 ergibt sich aus:  der organisatorischen Anbindung des vormals dienstrechtlich an die JVA Kassel I angegliederten Verwaltungs-Competence-Centers Nordhessen an das H.B. Wagnitz-Seminar und  des sozialverträglichen Abbaus von "Überhangstellen", resultierend aus der Schließung der JVA Kassel III - Elwe - in 2010. Frage 6. Welche Maßnahmen und Konsequenzen wird die Hessische Landesregierung bis zu welchem Zeitpunkt ergreifen, um das Auftreten verspäteter Haftentlassungen auszuschließen bzw. zu reduzieren ? Sollten keine Maßnahmen geplant seien, bitte ich um Angabe einer Begründung. Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkung der Ministerin der Justiz Bezug genommen. Wiesbaden, 28. Oktober 2014 In Vertretung: Thomas Metz Anlagen