Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Abg. Gremmels, Schmitt, Eckert, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Siebel, Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend Rückbau des Atomkraftwerkes Biblis Drucksache 19/93 Vorbemerkung der Fragesteller: Aufgrund eines gemeinsamen Antrages von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN betreffend "Kernkraftwerk Biblis zeitnah zurückbauen" (Drucksache 18/5415) wurde vom Hessischen Landtag beschlossen : 1. Der Landtag spricht sich für einen zeitnahen Rückbau des Kernkraftwerkes Biblis unter Wahrung höchster Sicherheitsanforderungen aus. Dem Landtag ist bewusst, dass ein sicherer Rückbau einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. 2. Der Landtag bittet die Landesregierung, Anträge des Betreibers, die den Rückbau betreffen, schnellstmöglich zu bearbeiten, um den Rückbau - so weit wie unter Einhaltung aller Sicherheitsaspekte möglich - zu beschleunigen. Ein zügiger Rückbau schafft die Möglichkeit, auf Arbeitskräfte zurückzugreifen, die die Anlage gut kennen. Dies hilft, die technisch nicht ganz einfachen Rückbaumaßnahmen sicher zu gewährleisten . 3. Der Landtag bittet die Landesregierung, eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Atomgesetzes zu prüfen, um Betreibern zukünftig den Rückbau verbindlich vorschreiben zu können. 4. Der Landtag erwartet, dass der Betreiber oder die von ihm beauftragten Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Landesregierung eine aktive Informationspolitik entwickeln, um die Menschen der Region zeitnah und transparent über alle geplanten und durchgeführten Abbauschritte zu informieren. Vorbemerkung der Landesregierung: Die Vorbemerkung der Antragsteller zitiert den gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend "Kernkraftwerk Biblis zeitnah zurückbauen". Der Hessische Landtag hat diesen Antrag in seiner 103. Sitzung am 28. März 2012 einstimmig beschlossen (vergleiche Beschlussempfehlung Drucksache 18/5440). Über die Ausführung dieses Landtagsbeschlusses hat die damalige Ministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gemäß § 26 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags fristgerecht am 20. Juni 2012 berichtet. Die Beantwortung der Fragen 3 und 8 bis 12 ergeben sich bereits aus diesem Bericht. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantwortet die Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Große Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Frage 1. In welchem Stadium der Stilllegung befinden sich die beiden Kraftwerksblöcke Biblis A und B? Mit Inkrafttreten der 13. Novelle des Atomgesetzes am 6. August 2011 ist für die Blöcke A und B des Kernkraftwerkes Biblis die Berechtigung zum Leistungsbetrieb erloschen. Die Blöcke befinden sich im Nichtleistungsbetrieb (Nachbetriebsphase). Die Brennelemente wurden aus den Reaktordruckbehältern (RDB) in die Brennelement-Lagerbecken (BE-Becken) entladen. RWE hat für die beiden Kernkraftwerksblöcke am 6. August 2012 jeweils separate, aber inhaltsgleiche Stilllegungs- und Abbauanträge nach § 7 Abs. 3 Atomgesetz (AtG) gestellt. Die vorliegenden Anträge beinhalten die Erteilung einer Stilllegungsgenehmigung sowie einer ersten Genehmigung zum Abbau der Blöcke. RWE hat sich somit für den direkten Rückbau und nicht für den gemäß Atomgesetz zulässigen sicheren Einschluss entschieden. Der im Nichtleistungsbetrieb nicht mehr benötigte Generator im Maschinenhaus des Blocks A wurde von der Turbine getrennt und wird jetzt selbstständig als Elektromotor zur Regelung der Blindleistung (sogenannter Phasenschieber) betrieben. Er trägt nach Aussage der Bundesnetzagentur maßgeblich zur Netzstabilität im Rhein-Main-Neckar-Gebiet bei. Eingegangen am 17. April 2014 · Ausgegeben am 6. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/335 17. 04. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/335 Frage 2. Welche Abbaumaßnahmen wurden bisher (Stand 31.01.2014) durch die Betreiberin RWE durchgeführt ? Abbaumaßnahmen von Systemen oder Komponenten, die vom Umfang der atomrechtlichen Genehmigung umfasst sind, wurden bisher keine durchgeführt. Hierfür ist eine atomrechtliche Genehmigung nach § 7 Abs. 3 erforderlich. Seit dem Zeitpunkt des Wegfalls der Berechtigung zum Leistungsbetrieb wurden jedoch im Rahmen der bestehenden Betriebsgenehmigungen Anpassungen insbesondere des Betriebsreglements im Hinblick auf den langfristigen Nichtleistungsbetrieb vorgenommen. Beispielsweise handelt es sich um Änderungen der Betriebsorganisation und des Schichtbetriebes, um Anpassungen der Programme für Wiederkehrende Prüfungen sowie um Anpassungen der Programme zum Fachkundeerhalt. Voraussetzung hierfür war, dass der sichere langfristige Nichtleistungsbetrieb gewährleistet ist. Frage 3. Im Atomgesetz (§ 7 Abs. 3 AtG) wird festgelegt, dass für die Stilllegung einer kerntechnischen Anlage eine Genehmigung erforderlich ist. Seit wann liegt ein entsprechender Antrag der Betreiberin vor bzw. ist mit einer Vorlage zu rechnen? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage 4. Wann ist mit der Genehmigung zum Rückbau zu rechnen? Die derzeitige Terminplanung sieht vor, dass Ende 2015 eine Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für den Block A des Kernkraftwerkes Biblis erteilt werden kann. Eine Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für den Block B kann voraussichtlich in 2016 erteilt werden. Frage 5. Schon im Genehmigungsverfahren zum Bau und Betrieb von Atomkraftwerken sind Konzepte für den späteren Rückbau der Anlage vorzulegen. Welche Konzepte lagen der Genehmigung zur Betriebsaufnahme zugrunde? Die Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen für die Blöcke A und B wurden im Zeitraum 31. Juli 1970 bis 26. Juni 1977 erteilt. Da im kerntechnischen Regelwerk dieser Zeit keine Konzepte für den späteren Rückbau gefordert waren, sind in den Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen des Kernkraftwerkes Biblis diesbezüglich keine konkreten Festlegungen getroffen worden. Jedoch ist während der Betriebszeit des Kernkraftwerkes Biblis die technische Dokumentation beider Anlagenblöcke stetig aktualisiert worden. Dies betrifft insbesondere die Systeme der Anlage, Komponenten, Gebäude und Werkstoffe sowie die strahlenschutzrelevanten Daten. Des Weiteren wurden besondere Vorkommnisse und die Instandhaltungsvorkehrungen sowie die Wiederkehrenden Prüfungen dokumentiert. Die oben dargestellten aktuellen Anlagendaten können somit bei der Erstellung der Antragsunterlagen für die Stilllegung und den Abbau des Kernkraftwerkes Biblis als Basisdaten herangezogen werden. Die im Zusammenhang mit der Stilllegung und dem Abbau des Kernkraftwerkes Biblis vorgesehenen Tätigkeiten werden in den Antworten zu den Fragen 13 bis 16 näher erläutert. Frage 6. Wie hoch sind die Rückstellungen von RWE für den Rückbau der beiden Atomkraftwerke? Das Erfordernis von Rückstellungen ergibt sich aus handels- und gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen . Hiernach haben die Unternehmen Rückstellungen nach § 249 HGB zu bilden. RWE hat auf Anfrage erklärt, "dass Rückstellungen für den Rückbau der beiden Kernkraftwerksblöcke Biblis entsprechend gesetzlichen Vorgaben und auf Basis von Fachgutachten gebildet wurden. Hierbei wurden auch die Kosten der Endlagerung berücksichtigt. Die Höhe der Rückstellungen sowie die vorzunehmenden Anpassungen werden durch Wirtschafts- und Betriebsprüfer überwacht. Rückstellungen werden in den Geschäftsberichten gesondert und transparent ausgewiesen." Das Atom- und Strahlenschutzrecht enthält keine explizite Bestimmung, nach der ein Betreiber einer kerntechnischen Anlage der atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtbehörde die Höhe der Rückstellungen für den Abbau der Anlage mitteilen müsste. Die Höhe der Rückstellungen ist dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz daher nicht bekannt. Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht davon aus, dass eine ausreichend große Rückstellung gebildet wurde, damit ein ordnungsgemäßer Rückbau erfolgen kann. Frage 7. a) Mit welchen für RWE anfallenden Kosten rechnet die Landesregierung? RWE hat sich auf Anfrage zu den anfallenden Kosten nicht geäußert. Somit sind dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die für RWE anfallenden Kosten nicht bekannt. Im Übrigen sind diese Kosten für die atomrechtliche Genehmigungsund Aufsichtsbehörde nicht von Bedeutung. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/335 3 Frage 7. b) Welche Kosten fallen für die öffentliche Hand an? Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben für Entscheidungen über Anträge nach den §§ 4, 6, 7, 7a, 9, 9a und 9b AtG. RWE Power AG hat bisher zum Zwecke der Stilllegung des KKW Biblis zwei Anträge nach § 7 AtG gestellt. Nach § 2 Nr. 2 der Atomrechtlichen Kostenverordnung (AtKostV) können für solche Genehmigungen Gebühren in Höhe von 500 bis 1 Mio. € erhoben werden. Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht davon aus, dass weitere Genehmigungsanträge im Rahmen des Rückbaus gestellt werden. Für jede einzelne dieser Genehmigungen ist die Erhebung einer Gebühr im genannten Rahmen möglich. Nach der Erfahrung der Abteilung "Kerntechnik und Strahlenschutz" wird die Kappungsgrenze von 1 Mio. € nicht erreicht werden. Sollte dies dennoch der Fall sein, so würden die darüber hinausgehenden Kosten für den Verwaltungsaufwand der Behörde aus Rechtsgründen der öffentlichen Hand zur Last fallen. Dies ist in der Genehmigungspraxis des Landes Hessen noch nicht vorgekommen. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 5 werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben für Aufsichtsmaßnahmen nach § 19 AtG, die in der AtKostV näher bestimmt sind. Die einschlägige Regelung des § 5 AtKostV ermöglicht es, den Verwaltungsaufwand der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde weitgehend auf den Anlagenbetreiber umzulegen. Die Auslagen für atomrechtliche Sachverständige werden erfahrungsgemäß den größten Anteil an Kosten verursachen. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Begutachtung müssen die Auslagen vom Antragsteller vollständig getragen werden. Die zuvor genannten Rechtsgrundlagen schließen die Auslagen in die Regelungen jeweils ausdrücklich ein. Somit sind die anfallenden Kosten weitgehend auf den Anlagenbetreiber umzulegen. Frage 8. Wie bewertet die Landesregierung die beiden Rückbau-Alternativen a) "sicherer Einschluss", b) "direkter Rückbau"? Für die Stilllegung eines Kernkraftwerkes sieht das Atomgesetz entweder den direkten Abbau der Anlage oder den sicheren Einschluss der endgültig stillgelegten Anlage vor. Beim direkten Abbau wird nach der Entfernung der Brennelemente und anderer radioaktiven Medien und Hilfsstoffe der Rückbau eines Kernkraftwerkes zeitnah in Angriff genommen, nach dessen Abschluss eine Entlassung der Anlage aus der atomrechtlichen Überwachung erfolgen kann. Dagegen sieht der sichere Einschluss vor, den Bereich des Kernkraftwerks mit den wesentlichen radioaktiven Komponenten für einen längeren Zeitraum in einen sicheren Zustand zu überführen und zu versiegeln. Der endgültige Abbau und die Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung werden somit auf einen späteren Zeitraum verschoben, um Strahlenexposition des Personals infolge des natürlichen Abklingverhaltens der Radioaktivität zu reduzieren. Eine Rangfolge oder Priorisierung der Varianten direkter Abbau und sicherer Einschluss sieht das Atomgesetz nicht vor. Die Hessische Landesregierung hat schon immer den direkten Abbau favorisiert: einerseits kommt sie damit den Erwartungen der Bevölkerung entgegen, die einen zügigen Rückbau der stillgelegten Anlage erwartet. Zudem erachtet sie es als vorteilhaft, dass die Anlagen - und Betriebskenntnisse der teilweise noch vorhandenen Belegschaft für den Abbau verfügbar sind und eingebracht werden können. Schließlich lassen sich soziale Belange der Belegschaft hierbei am besten berücksichtigen. Dagegen hat durch Fortschritte bei den Dekontaminationstechniken und bei den Abbau- und Zerlegetechniken, insbesondere durch fernbediente Abbaumöglichkeiten , das Abklingen von Radioaktivität während des sicheren Einschlusses aus Sicht des Strahlenschutzes an Bedeutung verloren. Frage 9. Welche Alternativen bevorzugt die Landesregierung? Der Hessische Landtag hatte sich mit dem in der Vorbemerkung dargestellten Antrag befasst und sich in seiner 103. Sitzung am 28. März 2012 einstimmig für einen zeitnahen Rückbau des Kernkraftwerkes Biblis ausgesprochen (Drucksache 18/5540 zu Drucksache 18/5415). Wie in der Beantwortung der Frage 1 bereits dargestellt, hat die RWE Power AG am 6. August 2012 die für den direkten Abbau der Blöcke A und B des Kernkraftwerkes Biblis erforderliche Anträge gestellt. Somit wird dem Beschluss des Hessischen Landtags voll und ganz entsprochen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/335 Frage 10. Hat RWE bisher gegenüber der Landesregierung verbindlich erklärt, welche der beiden Rückbaualternativen ("sicherer Einschluss" oder "direkter Rückbau") beantragt werden wird? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Frage 11. Wann und wie hat die Landesregierung entsprechend dem in der Vorbemerkung dargestellten Beschluss unter Nr. 3 die Prüfung einer Bundesratsinitiative eingeleitet und was ist das Ergebnis der Prüfung? Zur Umsetzung der Nr. 3 des in der Vorbemerkung dargestellten Antrags wurde die Landesregierung gebeten, eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Atomgesetzes zu prüfen, um Betreibern zukünftig den direkten Abbau verbindlich vorschreiben zu können. Wie dem Bericht der damaligen Ministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gemäß § 26 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags über die Ausführung des Landtagsbeschlusses zur Umsetzung des o.g. Antrags - Drucksache 18/5540 zu Drucksache 18/5415 - zu entnehmen ist, hatte das hessische Umweltministerium hierzu umgehend entsprechende Prüfungen eingeleitet. RWE hatte zwischenzeitlich, wie in der Beantwortung der Frage 1 bereits dargestellt, am 6. August 2012 die für den direkten Abbau der Blöcke A und B des Kernkraftwerkes Biblis erforderliche Anträge gestellt. Nach dieser Entscheidung der RWE hielt die Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Atomgesetzes bezüglich einer Priorisierung des direkten Abbaus für nicht mehr erforderlich. Frage 12. Wurde von der Betreiberin gegenüber der Landesregierung dargelegt, welche Stilllegungsplanung verfolgt wird, und wie sieht diese gegebenenfalls aus? Mit der Antragstellung im Genehmigungsverfahren nach § 7 Abs. 3 AtG hat sich die RWE Power AG auf den direkten Rückbau beider Blöcke festgelegt und in den Antragsunterlagen das Vorhaben beschrieben. Die Stilllegungsplanung sieht vor, dass die Gebäude entkernt, gegebenenfalls dekontaminiert und an der stehenden Struktur freigemessen werden. Das Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren soll mit der Entlassung des Geländes und der Gebäude aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes enden. Da über die Nachnutzung des Geländes noch keine Entscheidung getroffen wurde, will sich RWE die Optionen "Weiternutzung der Gebäude" oder "konventioneller Abriss" offen halten. Nach geltender Rechtslage ist dies möglich , setzt aber voraus, dass die Gebäude nach einer Dekontamination radiologisch uneingeschränkt nutzbar sind. Frage 13. Wurden schon alle Anlagenteile und ihr radioaktives Inventar im Kontrollbereich der Atomkraftwerke durch die Betreiberin erfasst? Die Antragstellerin hat zur radiologischen Charakterisierung der beiden Blöcke entsprechende Antragsunterlagen vorgelegt. Bereits während des Leistungsbetriebs der Anlagen wurden radiologische Daten z.B. für die Planung von Tätigkeiten mit erhöhter Strahlenbelastung, zur Überwachung und Dokumentation von Tätigkeiten sowie für die Abfall-und Reststoffentsorgung erhoben. Zur radiologischen Charakterisierung im Rahmen der Stilllegungsplanung werden bereits vorhandene Daten herangezogen und neue Daten erhoben. Die Angaben zur Dosisleistung und Kontamination in Anlagenbereichen werden u.a. - für die Planung /Festlegung von Vorgehensweisen bei den Abbaumaßnahmen, - für die Abschätzung der beim Abbau anfallenden radioaktiven Reststoffe und Abfälle sowie für die Planung/Festlegung der vorgesehenen Entsorgungswege herangezogen. Grundsätzlich erfolgt die radiologische Charakterisierung innerhalb der einzelnen Gebäude des Kontrollbereiches raum- und systembezogen. Im Rahmen der Abbauplanung werden zu unterschiedlichen Zeiten und für verschiedene Aufgabenstellungen radiologische Daten in unterschiedlicher Detaillierung erforderlich. Werden radiologische Daten für einzelne Sachverhalte benötigt, sollen diese anforderungsorientiert erfasst werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/335 5 Nach Abschluss der Datenerfassung werden zusätzliche Daten dann erfasst, wenn dies zur Fortschreibung der Datenbasis erforderlich wird. Dies ist der Fall, wenn sich Veränderungen des radiologischen Anlagenzustandes z.B. aus folgenden Gründen ergeben: - Abbau von Komponenten, wenn dies zu relevanten Auswirkungen auf die radiologische Datenbasis führt (z.B. Dosisleistung in Räumen). - Dekontamination von Systembereichen, wenn dies zu relevanten Auswirkungen auf die radiologische Datenbasis führt (z.B. geändertes Aktivitätsinventar). Weiterhin werden abbaubegleitend zusätzliche repräsentative Materialproben gewonnen, um die radiologische Datenbasis z.B. für das Freigabeverfahren zu verifizieren. Frage 14. Welche Abfolge des Abbaus ist von der Betreiberin geplant? RWE hat in den Antragsunterlagen die Vorgehensweise beim Abbau der Anlage dargestellt. Der Abbau wird in mehrere Abbauphasen mit verschiedenen Abbaumaßnahmen und Demontagepaketen aufgeteilt. Während der Abbauphasen werden nicht kontaminierte Systeme, Systemteile und Komponenten, kontaminierte und/oder aktivierte Anlagenteile abgebaut und vorrangig leere, freigabefähige Räume hinterlassen. Die Abbaureihenfolge der für die jeweilige Abbauphase vorgesehenen Systeme, Komponenten und Anlagenteile wird so gewählt, dass innerhalb der einzelnen Abbaubereiche (z.B. eines Raumes) von geringer Ortsdosisleistung mit nicht/schwach kontaminierten Anlagenteilen zu Bereichen hoher Ortsdosisleistung mit stark kontaminierten Anlagenteilen vorgegangen wird, um eine mögliche Kontamination der geringfügig kontaminierten Anlagenteile durch die Demontage höher kontaminierter Anlagenteile zu vermeiden. Voraussetzung für den Abbau von Systemen, Systemteilen oder Komponenten ist die Stillsetzung der betroffenen Anlagenteile. Besteht am stillzusetzenden Anlagenteil eine Verbindung zu einem Restbetriebssystem, wird die vollständige und rückwirkungsfreie Trennung des stillzusetzenden Anlagenteils durchgeführt. Das Anlagenteil ist nach der Stillsetzung entleert, drucklos, von weiterbetriebenen Systemteilen mechanisch getrennt und verfahrenstechnisch rückwirkungsfrei und strom- und spannungslos (alle elektrischen Verbindungen aufgetrennt) und in einen Zustand versetzt, der ein gefahrloses Abbauen ermöglicht. Der Ablauf der Abbaumaßnahmen wird im Rahmen der Ausführungsplanung festgelegt. Durch die Ausführungsplanung der einzelnen Abbaumaßnahmen wird sichergestellt, dass: - einzelne Abbaumaßnahmen sich nicht gegenseitig behindern bzw. erschweren, - die Strahlenexposition des Personals und die Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Anlagenatmosphäre so gering wie möglich gehalten werden, - der Anfall von Sekundärabfall, radioaktiven Reststoffen und Abfällen sowie konventioneller Abfälle reduziert wird und - der Stand der Technik beim Abbau kerntechnischer Anlagen berücksichtigt wird. Die einzelnen Abbaumaßnahmen werden über das sogenannte Abbaumaßnahme-Verfahren bei der Aufsichtsbehörde angezeigt. Frage 15. Welche Techniken für die Dekontamination und Zerlegung der Anlagenteile sollen eingesetzt werden? Für den Abbau von Anlagenteilen sowie die Zerlegung und Dekontamination abgebauter Anlagenteile stehen eine Vielzahl erprobter Verfahren zur Verfügung, bei deren Einsatz die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist. Für die jeweiligen Aufgaben werden Verfahren nach folgenden Kriterien ausgewählt: - Strahlenexposition des Personals, - Geometrie und Materialart der zu zerlegenden oder zu bearbeitenden Anlagenteile, - Freisetzung von Aktivität, - Anfall von Sekundärabfall, - Robustheit, Rüstzeiten sowie Zerlege- und Bearbeitungsgeschwindigkeit, - Wirtschaftlichkeit. 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/335 Für den Abbau sind vorgesehen: - Mechanische Zerlegeverfahren, wie Sägen, Fräsen, Bohren, Scheren, Schreddern, Schleifen , Wasserstrahlschneiden mit und ohne Abrasivstoffe, Abkreisen, Meißeln. - Thermische Zerlegeverfahren, wie autogenes Brennschneiden, Plasmaschneiden, Kontakt- Lichtbogen-Metall-Schneiden (CAMC) und Sonderverfahren wie z.B. Funkenerosion. - Mechanische Dekontaminationsverfahren, wie Wischen, Bürsten, Saugen, Hochdruckreinigung mittels Wasser oder Dampf, Strahlverfahren mittels geeigneter Abrasivstoffe, Schaben, Schmirgeln, Raspeln, Fräsen. - Chemische Dekontaminationsverfahren, mit Einsatz von Lösungsmitteln, Säuren und Laugen , und Komplexbildnern. - Sonstige Dekontaminationsverfahren, wie Elektropolieren, Ultraschall, Schmelzdekontamination von Eisen und Nichteisenmetallen, Entfernen von Kabelisolierung mittels Schäl- oder Granuliereinrichtung. Für den Abbau von Komponenten sowohl im Überwachungsbereich als auch im Kontrollbereich kommen grundsätzlich drei verschiedene Varianten in Frage: Variante 1: Zerlegung der Komponenten in Einbaulage vor Ort (In-situ-Zerlegung). Variante 2: Ausbau der Komponenten im Ganzen oder von großen Komponententeilen und Bearbeitung am Standort (interne Bearbeitung). Variante 3: Ausbau der Komponenten im Ganzen oder von großen Komponententeilen und Bearbeitung in externen Einrichtungen (externe Bearbeitung). Frage 16. Gibt es ein Konzept für die Behandlung und Verpackung der radioaktiven Abfälle? Gemäß § 9a Abs. 1 AtG haben die Betreiber kerntechnischer Anlagen dafür zu sorgen, dass radioaktive Reststoffe und ausgebaute Anlagenteile schadlos verwertet oder als radioaktive Abfälle geordnet beseitigt werden (direkte Endlagerung). In der Strahlenschutzverordnung sowie im untergesetzlichen Regelwerk wie z.B. der Richtlinie zur Kontrolle radioaktiver Reststoffe und radioaktiver Abfälle sowie den kerntechnischen Regeln sind die Anforderungen an die Behandlung und Verpackung radioaktiver Abfälle definiert. Anforderungen an die Abfallbehälter ergeben sich auch aus den verkehrsrechtlichen bzw. gefahrgutrechtlichen Anforderungen sowie den Annahmebedingungen für die Endlagerung. Die Vorgehensweisen und betrieblichen Zuständigkeiten bei der Lagerung, Handhabung und Behandlung radioaktiver Stoffe/Abfälle und kontaminierter Gegenstände sind in der Abfall- und Reststoffordnung des Betriebshandbuches (BHB) des KKW Biblis festgelegt. Die dort enthaltenen Regelungen wurden auch im Leistungsbetrieb der Anlagen bzw. werden im Nichtleistungsbetrieb angewendet. Die Abfall- und Reststoffordnung sowie die übrigen Betriebsordnungen des BHB wurden für den Abbau angepasst und als Antragsunterlagen neu vorgelegt. Frage 17. Sind alle Brennelemente aus dem Reaktor entladen und wenn nicht, wann ist damit zu rechen? Die Reaktordruckbehälter der Blöcke A und B sind entladen. Sämtliche Brennelemente befinden sich in den jeweiligen Lagerbecken. Frage 18 Wie viele Brennelemente befinden sich noch im Abklingbecken? Im Lagerbecken Block A befinden sich 440 Brennelemente und in Block B 506 Brennelemente. Frage 19. Wann wird das letzte Brennelement voraussichtlich aus dem Abklingbecken entfernt? Nach derzeitiger Planung soll die Kernbrennstofffreiheit der Anlagen Ende 2015 für Block A und 2017 für Block B erreicht werden. Frage 20. Wie ist die Kapazität des sogenannten Zwischenlagers derzeit ausgeschöpft und wie wird der Kapazitätsstand sein, wenn alle sich derzeit noch in den beiden Atomkraftwerksblöcken befindlichen Brennelemente dorthin verbracht sein werden? Das Standort-Zwischenlager (SZL) wurde am 22. September 2003 gemäß § 6 AtG (Aufbewahrungsgenehmigung ) vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) genehmigt. Der Betrieb des SZL wurde 2006 mit der ersten Einlagerung von CASTOR-Behältern aufgenommen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/335 7 Mit der Genehmigung wird bestimmt, dass im SZL bis zu 135 CASTOR V/19 Behälter mit abgebrannten Brennelementen aus dem Kraftwerk Biblis zwischengelagert werden dürfen. In der Halle 1 stehen 64 Stellplätze und in der Halle 2 stehen 71 Stellplätze zur Verfügung. Derzeit lagern in Halle 1 des SZL 51 CASTOR V/19 Lagerbehälter mit abgebrannten Brennelementen. Die Halle 1 verfügt demnach noch über 13 freie Stellplätze zur Einlagerung von CASTOREN. Insgesamt müssen zur Kernbrennstofffreiheit der Blöcke A und B noch 52 CASTOREN in das SZL eingelagert werden. Nach Abschluss dieser Maßnahmen befinden sich 103 CASTOR- Behälter im SZL. Frage 21. Welche aktive Informationspolitik hat die Landesregierung mit der Betreiberin eingeleitet, "um die Menschen der Region zeitnah und transparent über alle geplanten und durchgeführten Abbauschritte zu informieren"? Die Landesregierung wird über die gesetzlich vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus ein Informationsforum auf kommunaler Ebene unterstützen. Hierzu wird auch auf den Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend "Abbau des Kernkraftwerkes Biblis unter Beteiligung der Öffentlichkeit", Drucksache19/145, verwiesen. Wiesbaden, 7. April 2014 Priska Hinz