Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 26.09.2014 betreffend Kooperation zwischen Schulen und organisierten Nachhilfeanbietern und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. An welchen hessischen Schulen bestehen Kooperationen zwischen staatlichen Schulen und orga- nisierten Nachhilfeanbietern? Es liegen weder im Hessischen Kultusministerium noch in den Staatlichen Schulämtern Informationen oder Erkenntnisse vor, die eine qualitative Aussage zulassen. Frage 2. Welche gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen legitimieren solche Kooperationen? Gem. § 16 Abs. 2 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) können Schulen im Rahmen der Öffnung gegenüber ihrem Umfeld mit außerschulischen Einrichtungen zusammenarbeiten. Nach § 16 Abs. 3 können sie mit diesen Einrichtungen Verträge abschließen über Art, Umfang und Inhalt der Zusammenarbeit, und im Rahmen der ihnen zu diesem Zweck vom Land oder dem Schulträger zur Verfügung gestellten Mittel finanzielle Verpflichtungen eingehen. Darüber hinaus können Schulen mit Ganztagsangeboten nach § 15 Abs. 3 des HSchG mit freien Trägern zusammenarbeiten. Frage 3. Ist der Landesregierung bekannt, dass Schulen ihre Schülerinnen und Schüler gezielt an organi- sierte Nachhilfeanbieter vermitteln? Nein, hierzu liegen im Hessischen Kultusministerium keine Informationen vor; vgl. auch die Antworten zu Frage 2 und Frage 6. Eine gezielte Vermittlung an organisierte Nachhilfeanbieter ist nicht bekannt. Inwieweit in Beratungsgesprächen zwischen einzelnen Lehrkräften und Eltern zu weiteren Lernförderungsmöglichkeiten des Kindes auch außerschulische Nachhilfeanbieter zur Sprache kommen, ist der Bildungsverwaltung ebenfalls nicht bekannt. Frage 4. Welche diagnostischen Verfahren liegen einer entsprechenden Vermittlungsempfehlung zu Grunde? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Frage 5. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass an Schulen bereits wenige Wochen nach der Einschu- lung in die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe Lücken in Basiskenntnissen festgestellt werden? Der Weg in die gymnasiale Oberstufe soll allen Schülerinnen und Schülern offenstehen, die am Ende der Sekundarstufe I die entsprechende Qualifikation erworben haben und sich für diesen Weg entscheiden, und zwar unabhängig von der Frage, welcher Bildungsgang und welche Schulform in der Mittelstufe besucht wurden. Um dies zu gewährleisten, können außer den Schülerinnen und Schülern, die im gymnasialen Bildungsgang am Ende der Sekundarstufe I in die Einführungsphase versetzt wurden, auch Schülerinnen und Schüler des mittleren Bildungs- Eingegangen am 3. Dezember 2014 · Ausgegeben am 5. Dezember 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/935 03. 12. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/935 gangs aufgenommen werden, die den mittleren Abschluss in Form des qualifizierenden Realschulabschlusses erworben haben. Ist dies nicht der Fall, können auch Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Abschluss in die gymnasiale Oberstufe eintreten, die von der Klassenkonferenz der abgebenden Schule als für diesen Übergang geeignet beurteilt wurden (entsprechende Voraussetzungen vgl. § 2 Abs. 2 der Oberstufen- und Abiturverordnung vom 20. Juli 2009, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. April 2013 (OAVO)). Diese breite Öffnung der gymnasialen Oberstufe kann dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler bei Eintritt in die Einführungsphase über unterschiedliche Lernvoraussetzungen verfügen. Um auf dieser Grundlage alle Schülerinnen und Schüler angemessen auf die Anforderungen der abiturrelevanten Qualifikationsphase vorzubereiten, kommt der Einführungsphase u.a. die Aufgabe der Kompensation zu, die in den Bestimmungen der OAVO fest verankert ist. So sollen in der Einführungsphase personale, soziale und fachliche Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler gezielt gefördert und spezifische Lernarrangements verstärkt angeboten werden, um u.a. einen Ausgleich der unterschiedlichen Voraussetzungen bei den Schülerinnen und Schülern vor Eintritt in die Qualifikationsphase herzustellen (vgl. § 11 Abs. 1 OAVO). Frage 6. Welche Maßnahmen stehen den Schulen zur Verfügung, um diagnostizierte Lücken in den Ba- siskenntnissen von Schülerinnen und Schülern zu füllen und weshalb reichen diese Maßnahmen nicht aus, wie schulische Vermittlungen an organisierte Nachhilfeanbieter implizieren? Es ist grundsätzlich Aufgabe und Ziel von Schule, allen Kindern u.a. Lesen, Schreiben und Rechnen zu vermitteln. Für die Ausbildung der Grund- und Förderschullehrkräfte ist daher bisher der Erwerb von Kompetenzen zur Schriftsprachvermittlung verpflichtend. Sowohl die Grundschulen als auch die weiterführenden Schulen aller Schulformen in Hessen erhalten zusätzliche Stunden für die weitere fachbezogene Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler zugewiesen , gerade was die Hauptfächer Deutsch (u.a. für Deutsch als Zweitsprache - DaZ, LRSKurse ) und Mathematik (Mathe-Förderkurse) angeht, um Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken . Die Förderung kann auch im Bereich des ganztägigen Lernens angesiedelt sein. Zu den Voraussetzungen zur Anerkennung als ganztägige Schule gemäß Richtlinie gehören Angebote in den folgenden Bereichen: …."Hausaufgabenbetreuung bzw. eine angeleitete Übungs- und Lernzeit bei Schulaufgaben;" (…) "Förderunterricht und Wahlangebote im Sinne der Stundentafel; …" Sowohl aus der Stellenressource als auch über die als Mittel bereit gestellten Ressourcen können Schulen hier Angebote im Bereich der Förderung für die Schülerinnen und Schüler vorhalten, die dies benötigen. Zur Unterstützung der Lehrkräfte und Schulen im Bereich der Förderung stehen an allen Staatlichen Schulämtern in Hessen Ansprechpartner für Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwierigkeiten als kompetente Ansprechpersonen zur Verfügung. Sie unterstützen die Schulen bei der in der §§ 37 ff. vorgeschriebenen Konzeptentwicklung. Zur Beratung der Lehrkräfte bei Fragen der Diagnostik und Förderung bei besonderen Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb und der Rechenkompetenzen stehen drei Projektbüros "Individuelle Förderung" (Nordhessen, Marburg und Frankfurt) zur Verfügung. Im Rahmen der Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien im Rahmen des Bildungs - und Teilhabepaketes des Bundes (BuT) werden Nachhilfeinstitute von Schulen zur vertieften Lernförderung mit einbezogen. Die Eltern von anspruchsberechtigten Kindern und Jugendlichen können über das Jobcenter Mittel zur Lernförderung nach SGB II bzw. VIII beantragen , wenn die schulischen Leistungen die Versetzung gefährden. Die Schule muss dafür den Anspruch auf Lernförderung bestätigen. Im Rahmen der dualen Berufsausbildung werden von Seiten der Bundesagentur für Arbeit auf der Basis des SGB III § 75 ff. lernbeeinträchtigten oder sozial benachteiligten jungen Menschen ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) angeboten. Diese Hilfen haben die Förderung fachpraktischer und fachtheoretischer Fertigkeiten und Fähigkeiten zum Ziel. Sie sollen mit dazu beitragen , die Chancen für einen erfolgreichen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu erhöhen. Weitere Maßnahmen, wie beispielsweise Sprachförderung oder sozialpädagogische Begleitung, treten ggf. flankierend hinzu. Im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit werden diese für die Jugendlichen und Ausbildungsbetriebe kostenlosen Maßnahmen von privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen und Wohlfahrtsverbänden durchgeführt. Sie können von allen Jugendlichen in Anspruch genommen werden , die für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss zusätzliche Hilfen benötigen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/935 3 Frage 7. Wie wird sichergestellt, dass in Folge solcher Kooperationen an organisierte Nachhilfeanbieter vermittelte Schülerinnen und Schüler dort gemäß geltender didaktischer, fachlicher und pädagogischer Standards gefördert werden? Von Landesseite aus gibt es bisher keine Zertifizierungen von kommerziell betriebenen Nachhilfeinstituten . Inwieweit Zertifizierungen von Seiten der Jugendhilfe oder anderer Trägerverbände im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes (BuT) vorgenommen wurden, ist im Hessischen Kultusministerium nicht bekannt. Allerdings können nach § 177 Abs. 1 des Hessischen Schulgesetzes die Staatlichen Schulämter "die erwerbsmäßige Erteilung von Privatunterricht untersagen, um Schäden oder Gefahren abzuwehren, die durch Mängel im Charakter oder in den Fähigkeiten der oder des Unterrichtenden den Schülerinnen und Schülern oder der Allgemeinheit drohen." Frage 8. Welche Kosten entstehen für Eltern, die organisierte Nachhilfeanbieter mit der Förderung ihrer Kinder aufgrund einer entsprechenden schulischen Empfehlung beauftragen? Zum Aspekt einer "entsprechenden schulischen Empfehlung" wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über die finanziellen Mittel von Privatpersonen zur Verwendung für Nachhilfezwecke vor. Wiesbaden, 17. November 2014 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz