Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 09.10.2014 betreffend Start des Praxissemesters in der Lehramtsausbildung und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragesteller: Zum Wintersemester 2014/15 haben viele Studierende ein Lehramtsstudium neu aufgenommen. Gemäß der Neufassung des Lehrerbildungsgesetzes vom 27. Juni 2013 haben die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main für das Studium für das Lehramt an Gymnasien, die Justus Liebig-Universität Gießen für das Studium für das Lehramt an Förderschulen und die Universität Kassel für das Studium für das Lehramt an Grundschulen sowie für das Studium für das Lehramt an Hauptschulen und Realschulen im Einvernehmen mit den für das Schulwesen und das Hochschulwesen zuständigen Ministerien in den Studienordnungen Regelungen zur Erprobung eines Praxissemesters ab dem Wintersemester 2014/2015 zu treffen. Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main ist hinsichtlich der Studierenden für das Lehramt an Gymnasien im Fach Musik zu beteiligen. Das Praxissemester beginnt für die Studierenden frühestens nach dem Ende der Vorlesungszeit des zweiten Fachsemesters und endet spätestens am letzten Vorlesungstag des vierten Fachsemesters. Die Hochschulen werden die Erprobung des Praxissemesters unter Einbeziehung der Lehrkräfte, welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Praxissemesters in der Schule betreuen, fortlaufend wissenschaftlich begleiten und evaluieren . Im Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde vereinbart, die konzeptionellen und organisatorischen Grundlagen des Praxissemesters noch vor dem Start zum Wintersemester 2014/15 zu überarbeiten und zu optimieren. Trotz erheblicher Kritik der an dem Modellversuch beteiligten Hochschulen und Praktikern hat die Landesregierung an der probeweisen Einführung des Praxissemesters festgehalten. Vorbemerkung des Kultusministers: Das Hessische Kultusministerium steht in engem Kontakt und Dialog mit den Hochschulen, die an dem Modellversuch Praxissemester teilnehmen. Im Vorfeld des Starts des Modellversuchs wurden in unterschiedlichen Gremien die vorgebrachten kritischen Einwände eingehend diskutiert . Eine Ausschärfung des Modellversuchs auf struktureller, organisatorischer und inhaltlicher Ebene wurde zunächst über die Neukonzeptionen der Studienordnungen vereinbart, die zur Genehmigung Ende 2014/Anfang 2015 dem Hessischen Kultusministerium vorgelegt werden. Bei der Einführung des Praxissemesters handelt es sich um eine Zusammenfassung der schulpraktischen Studien zu einer längeren Phase innerhalb des Studiums. Eine Verlängerung des Studiums wird durch die Einführung des Praxissemesters nicht erfolgen. Es wurde in Absprache mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst und den teilnehmenden Hochschulen ein Konsortium gegründet, das eine Evaluation des Modellversuchs durchführen wird. Die Evaluation soll in einer Längsschnittstudie mit dem Ziel der langfristigen Messung der Effekte sowohl des Produktes als auch des Prozesses erfolgen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Von welchen Stellen, die von der Umsetzung des Praxissemesters betroffen sind, liegen der Lan- desregierung kritische Stellungnahmen vor? Es liegen kritische Stellungnahmen des Zentrums für Lehrerbildung der Universität Kassel und des Kooperationsrats der Universität Kassel, einer Untereinrichtung des dortigen Zentrums für Lehrerbildung, schriftlich vor. Eingegangen am 8. Januar 2015 · Ausgegeben am 13. Januar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/996 08. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/996 Frage 2. Welche Kritikpunkte wurden von diesen Stellen im Einzelnen vorgebracht? Es werden fachliche Vorbehalte in den Bereichen "Eignungsabklärung", "Qualifikation von Mentorinnen/Mentoren", "frühe und einphasige Praktikumsstruktur" und "fehlendes Fachwissen der Studierenden zum Zeitpunkt des Praktikumssemesters" geäußert. Diese Vorbehalte sind hinreichend in den unterschiedlichen Gremien mit den beteiligten Partnern diskutiert worden. Frage 3. Welche konzeptionellen und organisatorischen Änderungen sind vor dem Start des Praxissemes- ters von Seiten der Landesregierung infolge der im Koalitionsvertrag vereinbarten Überarbeitung und Optimierung vorgenommen worden? Wegen der neuen gesetzlichen Vorgaben und des Starts des Praxissemesters zum Wintersemester 2015/2016 ist eine kurzfristige Änderung des Gesetzes nicht möglich. Jedoch wurden im Rahmen der individuellen Gestaltung der veränderten Studienordnungen durch die teilnehmenden Hochschulen konzeptionelle und organisatorische Änderungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben optimiert. Diese Möglichkeit der Ausschärfung über die Studienordnungen wurde mit den Hochschulen kommuniziert. Frage 4. Teilt die Landesregierung die Bedenken, dass mit Einführung des Praxissemesters die Studieren- den in ihrem Studium lediglich eine einzige Schule in ihrer praktischen Arbeit kennenlernen? Diese Bedenken teilt die Landesregierung nicht, da durchaus rechtskonforme Möglichkeiten bestehen , mehr als eine Schule im Rahmen des Praxissemesters kennenzulernen (z.B. Verbundschulen , Beratungs- und Förderzentren, Gesamtschulen, kooperierende Oberstufengymnasien). Frage 5. Wird die Möglichkeit bestehen, die mit dem Praxissemester verbundenen 30 Credits auf zwei Phasen zu verteilen? Die Konzeption und Zielsetzung des Praxissemesters sieht vor, Praxiserfahrungen in einem längeren zusammenhängenden Zeitraum zu ermöglichen. Über die Vor- und Nachbereitungsveranstaltungen sind die 30 Credits über ein Semester hinaus verteilt. Die Möglichkeit einer weitergehenden Verteilung ist nicht vorgesehen. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass die grundsätzlich zusammenhängende Durchführungsphase beispielsweise durch den Wechsel der Praktikumsschule, wie er beim Praxissemester im Studiengang "Lehramt an Förderschulen" unter dem Gesichtspunkt der Inklusion erforderlich ist, u.U. unterbrochen wird. Frage 6. Durch welche Stellen und auf der Basis welcher einheitlicher Standards und Kontrollgruppen soll die Evaluierung erfolgen? Die Evaluierung erfolgt durch die Universitäten Frankfurt, Gießen und Kassel. Alle drei Universitäten planen einen Vergleich mit jenen Lehramtsstudierenden, die nicht das Praxissemester durchlaufen. Die drei Standorte haben sich auf eine gemeinsame Grundlage der zu evaluierenden Merkmale verständigt. Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass mit Einführung des Praxissemesters die Universität Kassel die einzige Hochschule in der gesamten Bundesrepublik mit einem siebensemestrigen Studium für Grund-, Haupt- und Realschullehrer/innen mit Praxissemester ist? Auch in Kassel werden für das Studium der genannten Lehrämter 180 ECT-Punkte vergeben, da das Praxissemester in dem Studiengang eingebaut wird. Es verlängert somit das Studium nicht. Frage 8. Mit welchen zeitlichen Entlastungen können die Lehrkräfte rechnen, die die Betreuung von Stu- dierenden, deren didaktische und fachliche Kompetenzen aufgrund des frühen Zeitpunkts des Praxissemesters noch unvollständig sind, für ein Praxissemester übernehmen? In der Erprobungsphase erhalten die Mentorinnen und Mentoren eine Vergütung der Mehrarbeit i.R.d. begleitenden Evaluation von 78,99 € pro Monat (entsprechend der Zulage für Ausbildungsbeauftragte in den Studienseminaren). Die erforderlichen Mittel sind im Haushalt des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst verankert, das Hessische Kultusministerium kann keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung stellen. Frage 9. Wie gedenkt die Landesregierung sicherzustellen, dass sich die Studierenden im Praxissemester auf Schulen in allen Landesteilen verteilen? Die Organisation des Praxissemesters wird von den autonomen Hochschulen verantwortet und durchgeführt. Es wird davon ausgegangen, dass die Verteilung Studierender auf Schulen unter Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/996 3 Berücksichtigung der besonderen Anforderungen sorgfältig vorbereitet wird und wie bei den Schulpraktischen Studien in bewährter Weise erfolgt. Das Hessische Kultusministerium wird in Zusammenarbeit mit den das Praxissemester erprobenden Hochschulen die einbezogenen Praktikumsschulen über die besonderen Bedingungen des Praxissemesters frühzeitig informieren und die Aufnahme der Studierenden als Praktikantinnen und Praktikanten sicherstellen. Frage 10. In welcher Form und in welchem Umfang erfolgen an den einzelnen Hochschulen Unterrichts- besuche und begleitende Seminare? Die Entscheidungen über die Ausgestaltung der Zielsetzung, der Organisation, der Durchführung und der Struktur obliegen den einzelnen Universitäten und Hochschulen. Diese sind in den vom Hessischen Kultusministerium genehmigten Studien- und Prüfungsordnungen (SPOL) sowie den Ordnungen für die Schulpraktischen Studien (SPSO) festgehalten. Die Universitäten haben angekündigt, dass die Studienordnungen bis zum Ende des Jahres 2014, respektive Anfang 2015, dem Hessischen Kultusministerium zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden . Wiesbaden, 22. Dezember 2014 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz