Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 25. September 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1069 6. Wahlperiode 25.09.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fällung von Baumreihen an der Müritz-Elde-Wasserstraße und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Dämme an der Müritz-Elde-Wasserstraße (MEW) und der Stör-Wasserstraße (StW) sind keine Deiche im Sinne der DIN 19712. Sie sind Anlagen der Wasser- und Schifffahrts- verwaltung, die die über dem natürlichen Geländeniveau liegenden Ausbauabschnitte der Wasserstraße überhaupt erst ermöglichen. Das heißt, diese Dämme sind bereits bei normalem Betriebswasserstand der Wasserstraße einem ständigen Wasserdruck ausgesetzt. Zusätzlich müssen sie aber auch die Abführung von Hochwasser schadlos ermöglichen, denn die MEW und StW sind Gewässer, die direkt am natürlichen Wasserhaushalt teilnehmen und in Hoch- wassersituationen die Ableitung des Hochwassers aus ihrem Einzugsgebiet sichern. Drucksache 6/1069 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Mit der Sanierung von Dammstrecken an der Müritz-Elde-Wasserstraße und Stör-Wasserstraße (Vorhaben „Dammsanierung an der Müritz-EldeWasserstraße MEW im Kilometerabschnitt 50,600 - 55,980 und Stör- Wasserstraße, StW im Kilometerabschnitt 0,000 - 6,900“) beabsichtigt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes intensive Eingriffe in das Europäische Vogelschutzgebiet Lewitz. Geplant ist die Fällung von 270 Bäumen, unter ihnen Baumreihen aus bis zu 200 Jahre alten Stiel- Eichen in Uferlage. Die Sanierung wird mit der Bannung von Hoch- wassergefahren begründet, obwohl es in den letzten 100 Jahren kein Hochwasserereignis gegeben hat und in den letzten Jahren alle Schleusen im Lewitzgebiet mit Bundesmitteln erneuert wurden. Außerdem existie- ren in dem betreffenden Gebiet keine Ansiedlungen, und es sind Polder vorhanden, die eventuell austretendes Wasser aufnehmen könnten. Betroffen ist nicht nur das Europäische Vogelschutzgebiet Lewitz, in dem auch Säugetiere, wie Fischotter und Biber heimisch sind, sondern auch das Landschaftsbild in einer Region, die touristisch vor allem von Wasser- und Radwanderern genutzt wird, die auf oder parallel zu den Kanälen unterwegs sind. 1. Wie schätzt die Landesregierung die Hochwassergefahr im betreffen- den Abschnitt der Müritz-Elde-Wasserstraße ein? a) Existieren nachvollziehbare Prognosen, die auf der Grundlage historischer Pegelstände ein Hochwasserereignis für wahrschein- lich halten? b) Sind in der Lewitz in der Vergangenheit Deichbrüche aufgetreten? c) Wenn Deichbrüche aufgetreten sind, welche Schäden haben diese Ereignisse verursacht? Der Wasserspiegel der Müritz-Elde-Wasserstraße (MEW) und der Stör-Wasserstraße (StW) im für die Dammsanierung vorgesehenen Bereich liegt über der Geländeoberfläche des angrenzenden Gebietes. Damit ist eine latente Überschwemmungsgefahr gegeben. Zu a) Es existieren umfangreiche Untersuchungen zur Hydrologie der MEW und der StW, in denen insbesondere Extremsituationen betrachtet wurden. Bereits Anfang der 1990er-Jahre führte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) Berechnungen für die MEW und die StW durch. Im Zuge des Planfeststellungsverfahrens zur Dammsanierung wurden im Auftrag des als Träger öffentlicher Belange beteiligten Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg statistische Auswertungen der Pegelaufzeichnungen des betreffenden Gewässers durchgeführt. Zu b) und c) Aufzeichnungen über historische Dammbrüche liegen nicht vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1069 3 2. Welche Flächen wären bei einem Hochwasserereignis betroffen, käme es zu einem Deichbruch im Bereich der gepflanzten Eichen-Baum- reihen an der Müritz-Elde-Wasserstraße? Wären menschliche Siedlungen betroffen? Derzeit werden die Hochwassergefahren- und -risikokarten gemäß EG-Hochwasserrisiko- management-Richtlinie erarbeitet. Diese Karten werden zum Jahresende 2012 fertiggestellt und veröffentlicht. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass im Fall eines Dammbruches poten- ziell nicht nur Einzelgehöfte und landwirtschaftliche Nutzflächen sowie die Teichwirtschaft der Lewitz Fisch, sondern auch Bereiche der Stadt Neustadt-Glewe sowie der Ortschaft Banzkow (am Störkanal) vom Hochwasser betroffen wären. 3. Welche baumerhaltenden, alternativen Sanierungsmethoden der Dämme bzw. des Hochwasserschutzes wurden geprüft? Gäbe es die Möglichkeit, die Deiche in den Abschnitten der Eichen- Baumreihen außerhalb des Kronentraufbereichs anzulegen? Der Vorhabenträger, das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg, und die Genehmigungs- behörde, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost in Magdeburg, haben im Rahmen des Verfahrens verschiedene Sanierungsmethoden geprüft und den beteiligten Landesbehörden sowie den anerkannten Umweltverbänden zur Stellungnahme übersandt. Es sind für verschiedene Abschnitte jeweils Alternativen geprüft worden. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass eine fachgerechte Dammsanierung die Fällung von rund 270 der insgesamt 483 Bäume erforderlich macht. 4. Weshalb werden die Polder nicht als ausreichender Schutz vor Hoch- wasser angesehen? Als Polder wird im Hochwasserschutz allgemein ein Gebiet bezeichnet, das durch Ein- deichung gegen Hochwasser geschützt ist und tiefer liegt, als der für die Deichhöhe maßgeb- liche Hochwasserstand ist. Wie bereits dargelegt, sind die Dämme an den Bundeswasser- straßen keine Deiche und erfüllen Hochwasserschutzaufgaben nur in zweiter Linie. Es gibt im Sinne der genannten Definition an der MEW und der StW keine Polder, da bereits der normale Betriebswasserstand oberhalb des angrenzenden Geländes liegt. Die Überströmungs- sicherheit der Dämme auch bei Hochwasserereignissen ist daher sowohl zur Funktions- gewährleistung der Bundeswasserstaße als auch zum Hochwasserschutz notwendig. Da keine Bauwerke zur gezielten Ableitung von Hochwasser existieren, wie zum Beispiel an der Sude, muss für den Fall eines Dammbruches von einer unkalkulierbaren Überflutung des gefähr- deten Gebietes ausgegangen werden. Dies ist der Grund, als Sicherheitsniveau ein Hoch- wasserereignis mit einem hundertjährlichen Wiederkehrintervall (HQ100) zu verwenden. Drucksache 6/1069 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Welchen Wert misst die Landesregierung dem derzeitigen Land- schaftsbild (Baumreihen aus 200-jährigen Eichen an der Müritz-Elde- Wasserstraße) für den Tourismus in der Region bei? Das Landschaftsbild stellt eine wichtige Komponente im Tourismus dar. Daher sollten die Baumreihen aus 200-jährigen Eichen bei der Dammsanierung soweit wie möglich erhalten werden, damit sie auch zukünftig als Bestandteil des Landschaftsbildes erlebbar bleiben. 6. Ist es aus Sicht der Landesregierung ökonomisch sinnvoll, die land- wirtschaftlich genutzten Flächen der Lewitz, die durch Moordegra- dation und intensive Landnutzung inzwischen unter den Wasser- spiegel des Vorfluters abgesackt sind, langfristig durch öffentlich finanzierte Deichbau- und Deicherhaltung von der Vorflut abzu- grenzen? Wie bereits erläutert, sind die Dämme der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung keine Deiche. Der Bau und die Unterhaltung der Dämme dienen in erster Linie der Aufrechterhaltung des für die Schifffahrt erforderlichen Wasserstandes. In zweiter Linie gewährleisten sie jedoch auch den Schutz für genutzte und bewohnte Gebiete (siehe Antwort zu Frage 2). 7. Ist es nach Kenntnis der Landesregierung zutreffend, dass die geplan- ten Kanalabschnitte nach erfolgter Sanierung aus dem Wasser- straßennetz des Bundes herausgelöst und dem Land Mecklenburg- Vorpommern übertragen werden sollen? Die Bundesregierung plant die Umstrukturierung der Bundeswasserstraßenverwaltung und die Klassifizierung der Bundeswasserstraßen in Haupt- und Nebenwasserstraßen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Eine Übertragung von Wasserstraßen vom Bund auf das Land ist in diesem Zusammenhang bisher nicht diskutiert worden. 8. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, im laufenden Plan- feststellungsverfahren mehr Bäume, als im jetzigen Entwurf vorge- sehen, zu erhalten? Grundsätzlich werden keine Möglichkeiten gesehen. Eine Überprüfung weniger einzelner Bäume vor der Fällung hinsichtlich der Berücksichtigung von Artenschutzbelangen steht noch aus.