Der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 25. September 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1104 6. Wahlperiode 25.09.2012 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Anwendung eines vergabespezifischen Mindestlohns in MecklenburgVorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Es wird darauf hingewiesen, dass seit Inkrafttreten der Mindestlohnregelung im Vergabe- gesetz Mecklenburg-Vorpommern erst gut zwei Monate vergangen sind. Der Landtag hat in seiner Sitzung vom 21.06.2012, auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses (Drucksache 6/840, Seite 3), folgende Entschließung angenommen (Beschlussprotokoll über die 20. Sitzung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Seite 4): „Die Landesregierung wird aufgefordert, das Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge bis zum 31. März 2015 zu evaluieren und den Landtag hierüber zu unterrichten. Die Evaluation soll insbesondere die Wirkungen des Gesetzes auf die Lohnsituation der Beschäftigten im Bereich der öffentlichen Aufträge, die Auswirkungen auf klein- und mittelständische Unternehmen einschließlich des Handwerks, die Arbeit der öffentlichen Auftragsvergabestellen im Rahmen dieses Gesetzes sowie die im Gesetz vorgesehenen Kontroll- und Sanktionsmechanismen umfassen und darstellen.“ Damit steht der Landesregierung ein Zeitraum zur Verfügung, der solche Aussagen über die Anwendungspraxis erlaubt, aus denen weitergehende Schlussfolgerungen gezogen werden können. Die Landesregierung wird die Evaluierung fristgerecht vorlegen. Drucksache 6/1104 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. In wie vielen Kreistagen bzw. Stadtvertretungen und Bürgerschaften des Landes wurden bisher Beschlüsse gefasst, die unter Bezug auf die Empfehlung in Paragraph 9 des Vergabegesetzes Mecklenburg- Vorpommern die Forderung nach der Zahlung von 8,50 Euro Mindest- lohn bei der Vergabe kommunaler Aufträge zum Inhalt haben? Über die Gesamtanzahl der entsprechenden Beschlüsse liegen der Landesregierung keine Daten vor. 2. In welchen Kreisen und kreisfreien Städten wurden diese Beschlüsse bislang umgesetzt (bitte Kommune, Titel der Verordnung oder Richt- linie und Datum des Inkrafttretens angeben)? Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor. 3. Warum hat die Landesregierung in ihrem Gesetz - entgegen der Regelung in den Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Rheinland- Pfalz - auf eine verpflichtende Regelung auch für die Kommunen verzichtet? Es wird auf die Gesetzesbegründung in der Drucksache 6/721 Bezug genommen. Dort heißt es: „Die Regelung … nimmt Rücksicht auf die prekäre Finanzlage der Kommunen, aus deren Mitteln die gegebenenfalls höheren Arbeitsentgelte bei der Ausführung des öffentlichen Auftrages letztlich zu bezahlen sind. Wo jedoch Landesmittel fließen, mit denen Kommunen die Vergabe von Aufträgen finanzieren können, ist eine ausreichende finanzielle Ausstattung gegeben, die es erlaubt, die Kommunen zu verpflichten, ein Mindestarbeitsentgelt zu verlangen.“ 4. Welche finanziellen Auswirkungen hätte die Anwendung eines vergabespezifischen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro durch die Kommunen ausgabe- und einnahmeseitig (bitte auf der Grundlage von Beispielrechnungen darstellen)? Die Einnahmeseite dürfte in der Regel nicht betroffen sein. Es könnten lediglich Förderungen wegfallen, sofern die Kommune bei Vorhaben, die das Land fördern würde, nicht mindestens die Zahlung eines Stundenentgeltes gemäß § 9 Absatz 7 Sätze 1, 2 des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern bei der Ausführung der Leistung vorsieht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1104 3 Die Ausgabesteigerungen lassen sich nicht beziffern, da der Landesregierung mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung keine belastbaren kommunalen Daten zur Verfügung stehen. Auch Beispielrechnungen sind insoweit nicht möglich. 5. Welche finanziellen Auswirkungen hat die Anwendung eines vergabe- spezifischen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro durch das Land ausgabe- und einnahmeseitig in den Jahren 2012 und 2013 (bitte auf der Grundlage von Beispielrechnungen darstellen)? Im Baugewerbe der Neuen Bundesländer (ohne Berlin) gilt seit dem 01.01.2012 ein tariflicher Mindestlohn von 10,00 Euro. Für den Bereich des Staatlichen Hochbaus sind somit durch die Anwendung eines vergaberechtlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro keine zusätzlichen finanziellen Belastungen zu erwarten. Im Zusammenhang mit der Verwaltung und Bewirtschaftung von Gebäuden durch den Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern (BBL M-V) entstehen im Rahmen des Facilitymanagements in den Bereichen Sicherheitsdienstleistungen und Gebäudereinigung ausgabeseitig Mehrbedarfe gegenüber der Mittelfristigen Finanzplanung von jährlich etwa drei Millionen Euro. Datenbasis für diese Berechnungen des Finanzministeriums war die Mittelfristige Finanzplanung für Sicherheitsdienstleistungen und Reinigungsleistungen, da hier der Tariflohn derzeit unter 8,50 Euro liegt. Diese Ansätze auf Basis des Mindestlohns laut Arbeitnehmer-Entsendegesetz für das Jahr 2010 von 5,50 Euro beziehungsweise 6,83 Euro wurden prozentual auf einen vergaberechtlichen Mindestlohn von 8,50 Euro hochgerechnet und wie nachfolgend dargestellt fortgeschrieben: Mindestlohn in Mecklenburg-Vorpommern laut Arbeitnehmer-Entsendegesetz 2009 2010 2011 2012 2013 Koalitions- vertrag 8,50 Sicherheitsdienstleistungen 5,50 5,50 6,53 7,00 7,50 8,50 Gebäudereinigung, u.a. Innen- und Unterhaltungsreinigungen 6,83 6,83 7,00 - - 8,50 Beträge in Euro Gegenüber dem Jahr 2010 ergeben sich bezogen auf den vergaberechtlichen Mindestlohn von 8,50 Euro folgende Steigerungsfaktoren: Sicherheitsdienstleistungen 1,545 Gebäudereinigung 1,245 Drucksache 6/1104 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Unter Anwendung der vorgenannten Steigerungsfaktoren wurde die Mittelfristige Finanz- planung von 3.400.000,00 Euro bei Sicherheitsdienstleistungen beziehungsweise 4.300.000,00 Euro bei Reinigungsleistungen fortgeschrieben. Dies ergibt folgende jährliche Mittelbedarfe: Sicherheitsdienstleistungen 1,545 x 3.400.000,00 = 5.253.000,00 (+1.853,0) Gebäudereinigung 1,245 x 4.300.000,00 = 5.353.500,00 (+1.053,5) Gesamt 7.700.000,00 = 10.606.500,00 (+2.906,5) (Alle Angaben in Euro.) Somit ergibt sich gegenüber der bisherigen Mittelfristigen Finanzplanung ein jährlicher Mehrbedarf von zirka 3.000.000,00 Euro, der im Haushaltsplan 2012/2013 entsprechend berücksichtigt wurde. Nicht berücksichtigt wurde die Ausgabenentwicklung für Hochschulen und Klinika, da diese von der jeweiligen Institution selbst bewirtschaftet werden. Zu den einnahmeseitigen finanziellen Auswirkungen können keine Angaben gemacht werden. 6. Bei wie vielen Vergabeverfahren und in welchen Branchen wurde der Vergabemindestlohn bei der Vergabe von Aufträgen durch Landes- behörden seit dem Inkrafttreten in Anwendung gebracht? Seit dem Inkrafttreten des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern (VgG M-V) wurde durch den BBL M-V noch kein Vertrag mit Vergabemindestlohn geschlossen. Branchenunabhängig wird seit dem Inkrafttreten des VgG M-V allen Ausschreibungen des BBL M-V ein Formblatt (Verpflichtungserklärung) beigefügt, mit dem die Bieter oder Bewerber sich unter anderem verpflichten, ihren bei der Ausführung der Leistung Beschäftigten mindestens ein Stundenentgelt von 8,50 Euro (brutto) zu bezahlen. Dies geschieht bei allen Ausschreibungen unabhängig davon, ob es sich dabei um Branchen handelt, in denen der gesetzliche oder tarifliche Mindestlohn höher ist als der Vergabe- mindestlohn. Derzeit handelt es sich um zirka 120 noch laufende Ausschreibungen, bei denen so der Vergabemindestlohn in Anwendung gebracht wird. Die Branchenzugehörigkeit wird für die Ausschreibungsverfahren nicht erfasst, sodass deshalb keine entsprechenden Angaben vorliegen. Bislang wurde im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums bei vier Vergabeverfahren im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit der Vergabemindestlohn in Anwendung gebracht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1104 5 7. Inwieweit handelt es sich bei der Zahlung eines vergabespezifischen Mindestlohnes auf der Ebene der Landkreise bzw. der kreisfreien Städte im Sinne der haushaltsrechtlichen Bestimmungen in Mecklenburg-Vorpommern um eine freiwillige Leistung? Gemäß § 9 Absatz 7 des Vergabegesetzes M-V können die Kommunen die für das Land verbindliche Vergabevorschrift anwenden. Für vom Land geförderte kommunale Vorhaben sollen die Kommunen Aufträge nur vergeben, wenn das Unternehmen mindestens ein Stundenentgelt von 8,50 Euro (brutto) zahlt. Insoweit handelt es sich bei der Zahlung eines Mindestlohnes gemäß dieser Vorschrift rechtlich um eine freiwillige Leistung. 8. Inwieweit ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung eines Beschlusses zur Zahlung eines vergabespezifischen Mindestlohnes aufgrund der daraus resultierenden Mehrkosten für den betreffenden kommunalen Haushalt von der Kommunalaufsicht (Landesregierung) beanstandet wird? Damit ist nicht zu rechnen.