Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1158 6. Wahlperiode 12.10.2012 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Absage einer politischen Vortragsveranstaltung der Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft durch die Universität Rostock nach Intervention des Landesverfassungsschutzes und ANTWORT der Landesregierung Im Juni 2012 wurde eine an der Universität Rostock von der Hochschul- gruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) geplante und ange- meldete Diskussionsveranstaltung mit dem Berliner Publizisten Justus Wertmüller unter dem Titel „Wie steht es um die ‚Israel-Solidarität‘?“ durch die Hochschulleitung kurzfristig abgesagt. Gemäß Pressemitteilung der Studierendenvertretung der Universität vom 3. September 2012 hatte - wie sich jetzt nach Informationen der Studierenden aus Verwaltungs- kreisen herausstellte - eine Intervention des Landesverfassungsschutzes die Ablehnung der Veranstaltung herbeigeführt. 1. War die Landesregierung in der Phase des Entscheidungsfindungs- prozesses, der im Juni zur Entscheidung der Universität Rostock führte, die Vortragsveranstaltung der DIG nicht in ihren Räumen statt- finden zu lassen, auf ministerieller Ebene mit dem Fall befasst? Die Universität Rostock entscheidet in eigener Verantwortung im Rahmen ihres Hausrechts darüber, welche Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten stattfinden. Aufgrund dort vorliegender Verdachtsmomente auf einen extremistischen Hintergrund des eingeladenen Referenten erbat die Universität Rostock am 21. Juni 2012 von der Landes- behörde für Verfassungsschutz über diesen eine fachliche Einschätzung. Daraufhin wurde der Universität mitgeteilt, dass der vorgesehene Referent als namhafter Vertreter einer extremistischen Bestrebung, hier des „antideutschen Linksextremismus“, einzustufen ist. Drucksache 6/1158 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zudem erhielt die Universität Rostock die Bewertung, dass aufgrund des ideologischen Hintergrundes des Referenten auch verfassungsfeindliche Äußerungen im Verlauf der Veranstaltung zu erwarten seien. Aus diesem Grund wurde lediglich empfohlen, die Veranstaltung nicht in den Räumlichkeiten der Hochschule zu genehmigen. Das zuständige Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur war in den Entscheidungs- findungsprozess nicht involviert. Es hat von dem Sachverhalt erstmalig am 26. Juli 2012 erfahren. 2. Entsprach die Konsultation des Landesamtes für Verfassungsschutz durch die Universität in dem genannten Fall nach Auffassung der Landesregierung dem regulären Instrumentarium der Bewertung der Vorhaben der selbstverwalteten Studierendenschaft der Universität, die in Gestalt des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) die Vortragsveranstaltung unterstützte? Ja. Wenn begründete Verdachtsmomente für extremistische Aktivitäten bestehen, ist nach Auffassung der Landesregierung die Konsultation des Landesamtes für Verfassungsschutz - wie im vorliegenden Fall - geboten. 3. Sind der Landesregierung weitere vergleichbare Vorfälle bekannt, in denen die Universität Rostock oder andere Hochschulen des Landes den Verfassungsschutz um die Bewertung wissenschaftlicher oder politischer Bildungsveranstaltungen einer Studierendenschaft baten? Nein. Die Landesregierung erachtet es jedoch als sachgerecht, bei Verdacht auf extremistische Aktivitäten im Hochschulbereich den Verfassungsschutz um eine fachliche Auskunft zu bitten. 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass die Universität Rostock gegenüber der betroffenen Hochschulgruppe ihr Handeln mit Bedenken an der Verfassungstreue des Referenten begründete, obgleich dem Landesverfassungsschutz offenkundig keine Anhalts- punkte hierfür vorliegen und die Universität selbst bisher keinen Beleg für diesen Vorwurf geliefert hat? Die in der Frage liegende Annahme ist unzutreffend. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1158 3 5. Hält es die Landesregierung für angemessen, die Veranstalter - also die DIG-Hochschulgruppe und den AStA - im Vorfeld der Veranstal- tung darüber im Unklaren zu lassen, welche Art von Sicherheits- bedenken die Universität dazu veranlassten, den Antrag der Veran- stalter auf Überlassung eines Raums der Universität abzulehnen? Nein. 6. Wie verhält es sich nach Auffassung der Landesregierung mit der Rechtsstaatskonformität der Aussage der Verwaltung der Universität, ihre Entscheidung beruhe auf der Befürchtung, es könne infolge verfassungsfeindlicher Äußerungen von Personen im Rahmen der Veranstaltung zu Störungen und Tumulten kommen? Nach Auffassung der Landesregierung bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtsstaatskonformität der Aussage der Verwaltung der Universität Rostock. Im Rahmen des ihr zustehenden Hausrechts hat die Universität Rostock auf die vorliegenden begründeten Verdachtsmomente für extremistische Aktivitäten im Rahmen des ihr zustehenden Hausrechts in der gebotenen Weise reagiert. 7. Hält es die Landesregierung nicht gerade mit Blick auf die politischen Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern für geboten, eine Veran- staltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im öffentlichen Raum gegen mögliche Störungen und Tumulte adäquat zu schützen, anstatt diesen durch die Verhinderung der Veranstaltung vorzubeugen? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass Extremismus innerhalb staatlicher Einrichtungen grundsätzlich kein Forum zur Verbreitung seiner Ideologien erhalten sollte. 8. Wie bewertet die Landesregierung die politische Auswirkung des Handelns der Universität im Hinblick auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel? Die Landesregierung erachtet ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Deutschland und Israel als elementar. Entsprechend sind zivilgesellschaftliche Initiativen grundsätzlich zu begrüßen, welche diese Beziehungen fördern. Die Landesregierung erachtet es jedoch als nicht unterstützungswürdig, begrüßenswerte Ziele mit Hilfe verfassungsfeindlicher Aktivitäten erreichen zu wollen. Drucksache 6/1158 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 9. Wie beurteilt die Landesregierung die Vereinbarkeit der Unterbindung der Vortragsveranstaltung im universitären Raum im genannten Fall mit der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz nicht betroffen ist. § 5 Absatz 1 Gesetz über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landeshoch- schulgesetz M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Januar 2011 verpflichtet das Land und die Hochschulen zur Sicherstellung, dass für alle Mitglieder der Hochschulen im Rahmen ihrer Aufgaben die Freiheit von Kunst und Wissenschaft sowie von Forschung und Lehre gewahrt wird. § 50 Landeshochschulgesetz M-V bestimmt abschließend, welche Personengruppen zu den Hochschulmitgliedern zu zählen sind. Der Veranstalter, die Hochschulgruppe Rostock der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), gehört nicht dazu. 10. Wie kann aus Sicht der Landesregierung künftig der Schutz der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre in den Räumen der Universität Rostock sichergestellt werden? Die Landesregierung wird weiterhin der ihr nach § 5 Absatz 1 Landeshochschulgesetz M-V obliegenden Verpflichtung zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit auch an der Universität Rostock in gebotener Weise nachkommen.