Die Finanzministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1160 6. Wahlperiode 05.10.2012 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Besteuerung von Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung sowie von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Das Finanzamt Neubrandenburg ist für die Besteuerung der Rentenempfänger mit Wohnsitz im Ausland, welche ausschließlich mit Renteneinkünften zu veranlagen sind, zentral zuständig. Die Sonderzuständigkeit wurde am 01.01.2009 übertragen und ist bisher auf die Besteuerungszeiträume 2005 bis 2013 begrenzt. Die Renten von den inländischen gesetzlichen Rentenversicherungsträgern sind grundsätzlich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Deutschland steuerpflichtig und werden besteuert, soweit das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland das Besteuerungsrecht nicht verwehrt. Mit Beschluss des Bundesrates vom 25.11.2011 trat die Steuerbefreiungsvorschrift § 3 Nummer 8a EStG in Kraft. Danach sind Alters- und Erwerbs- minderungsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei, wenn sie an Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) gezahlt werden und rentenrechtliche Zeiten aufgrund der Verfolgung in der Rente enthalten sind. 1. Nach welchen Kriterien geht das Finanzamt Neubrandenburg bei der Entscheidung über Anträge auf Steuerbefreiung von Personen vor, die angeben, vom NS-Regime geschädigt worden zu sein? Die Steuerbefreiung wird unter den Voraussetzungen des § 3 Nummer 8a EStG gewährt. Sie bedarf stets einer Prüfung und Entscheidung im Einzelfall. Drucksache 6/1160 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Dabei sind alle bedeutsamen, auch für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 AO). Die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuer- befreiung tragen die Betroffenen. Allerdings reichen in der Regel jedoch die Benennung und die Glaubhaftmachung der die Steuerbefreiung rechtfertigenden Umstände aus. 2. Inwiefern fühlt sich das Finanzamt an die engen Vorgaben des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) gebunden, wonach Verfolgter nur ist, wer aus Gründen der Rasse, der Weltanschauung oder Religion verfolgt worden ist? Das Finanzamt Neubrandenburg ist an die Vorgaben des § 3 Nummer 8a EStG gebunden. Die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 8a EStG knüpft zentral an den Begriff der Verfolgung im Sinne des § 1 BEG an. Dabei kann auch Personen, die in der Vergangenheit keine Veran- lassung zu einer formalen Anerkennung nach § 1 BEG gesehen haben (eine Anerkennung ist heute nicht mehr möglich), im Einzelfall eine Steuerbefreiung gewährt werden. 3. Inwiefern werden vom Finanzamt Neubrandenburg auch solche Personen, die „nur“ deswegen zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren, weil sie etwa jung, gesund und kräftig waren und das NS- Regime ihre Arbeitskraft ausnutzen wollte, auf Antrag steuerbefreit, auch wenn sie nicht zusätzlich aus Gründen der Religion, Rasse, Weltanschauung verfolgt worden waren? Die Steuerbefreiung knüpft an den im Entschädigungsrecht verwendeten Begriff der „Verfolgung“ an. Zwangsarbeiter, bei denen in der Rentenberechnung rentenrechtliche Zeiten aufgrund der Verfolgung enthalten sind, fallen folglich ebenfalls unter die Steuerbefreiungs- vorschrift. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung werden durch das Finanzamt Neubran- denburg in Zusammenarbeit mit anderen ebenfalls involvierten Behörden, zum Beispiel der Deutschen Rentenversicherung, geprüft. 4. Welche Schulungen wurden bzw. werden durchgeführt, um heute noch entscheiden zu können, wer die Bedingungen des BEG- Verfolgtenbegriffs erfüllt, und welche Definitionen werden hierbei zugrunde gelegt? Im Rahmen von Dienstberatungen wurde beziehungsweise wird auf die einschlägigen Rechtsnormen und deren Auslegung hingewiesen. Darüber hinaus stehen den Bediensteten des Finanzamts Neubrandenburg zur Vorbereitung und Unterstützung ihrer Arbeit Erlasse und Arbeitshinweise in elektronischer Form am Arbeitsplatz zur Verfügung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1160 3 5. Wie viele Anträge auf Steuerbefreiung von Personen, die unstreitig vom NS-Regime zur Zwangsarbeit verpflichtet worden waren, wurden nach Kenntnis der Landesregierung vom Finanzamt Neubrandenburg bislang abgelehnt? a) Aus welchen Gründen erfolgte die Ablehnung jeweils (bitte nach den wichtigsten inhaltlichen Gründen gliedern)? b) In welchen Ländern wohnen die Betroffenen (bitte vollständig nach Anzahl der Ablehnungsbescheide angeben)? c) Beabsichtigt die Landesregierung gegebenenfalls im Einverneh- men mit der Bundesregierung, Änderungen der Entscheidungs- praxis bzw. der rechtlichen Grundlagen herbeizuführen und wenn ja, welcher Art? Die Fragen 5, a), b) und c) werden zusammenhängend beantwortet. Der Eingang und die Erledigung von Anträgen auf eine Steuerbefreiung werden statistisch nicht erfasst. Der Landesregierung liegen daher keine Ergebnisse und Zahlen über die Ableh- nung solcher Anträge vor. Diese lassen sich auch im Nachhinein nicht mehr erheben. Anträge wurden abgelehnt, wenn die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Steuer- befreiung nach § 3 Nummer 8a EStG nicht vorlagen. Die Landesregierung hat keine Absich- ten, Änderungen der Entscheidungspraxis beziehungsweise der rechtlichen Grundlagen herbeizuführen. 6. Wie viele jener Personen, die auf der von der belgischen Regierung übermittelten Liste ehemaliger Zwangsarbeiter stehen, haben einen Antrag auf Steuerbefreiung gestellt und wie ist der Verfahrensstand der jeweiligen Anträge (bitte in der Antwort die Entscheidungsgründe darlegen und unterteilen nach abgelehnt, befürwortet und noch nicht beschieden)? Die auf der Liste der belgischen Regierung benannten Einzelfälle wurden abschließend geprüft. Das Ergebnis der Abarbeitung (Befürwortung oder Ablehnung) wird jedoch nicht registriert (siehe Antwort zu Frage 5), sodass der Landesregierung auch hierüber keine Erkenntnisse vorliegen. Diese lassen sich auch im Nachhinein nicht mehr erheben. Anzumerken ist, dass Sozialversicherungsrenten an Personen, die auf der von der belgischen Regierung übermittelten Liste stehen, unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 3 Nummer 8a EStG von der Steuer befreit werden. Insofern wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen.