Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1168 6. Wahlperiode 19.10.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Artenschutz bei geplanten Baumfällungen in der Lewitz und ANTWORT der Landesregierung Mit der Sanierung von Dammstrecken an Müritz-Elde-Wasserstraße und Stör-Wasserstraße (Vorhaben „Dammsanierung an der Müritz-EldeWasserstraße (MEW) km 50,600 - km 55,980 und Stör-Wasserstraße (StW) km 0,000 - km 6,900 beabsichtigt die Wasser- und Schifffahrts- verwaltung die Fällung von 483 Bäumen. 1. Sind nach Kenntnis der Landesregierung in den zu fällenden Bäumen Tierarten festgestellt worden, die nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützt sind? a) Ist ein Vorkommen des prioritär zu schützenden Eremiten bzw. Juchtenkäfers (Osmoderma eremita) festgestellt worden? b) Wenn ja, welche Stellungnahme hat die Landesregierung zur Frage der Verträglichkeit der geplanten Baumfällungen mit den Erforder- nissen zum Schutz der seltenen, Holz bewohnenden Käferart im laufenden Planfeststellungsverfahren abgegeben? c) Sind Maßnahmen notwendig, um Individuenverluste bzw. Schäden an Populationen der streng geschützten Tierarten, die an den zu fällenden Bäumen festgestellt wurden, zu verhindern? Ja, es sind Tierarten festgestellt worden, die nach Anhang IV der Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie (FFH-Richtlinie) streng geschützt sind. Zu a) Ja, in einer zu fällenden Eiche wurde der Eremit (Osmoderma eremita) nachgewiesen. Drucksache 6/1168 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zu b) Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) hat als seinerzeit für den Vollzug der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote zuständige Behörde Stellung genommen. Insbesondere fordert das LUNG eine artenschutzfachliche Überprüfung der betroffenen Bäume vor deren Fällung, um auf die dann aktuelle Situation artenschutzrechtlich reagieren zu können. Dies ist erforderlich, da sich zwischen dem Zeitpunkt der Stellungnahme und dem der Fällung der Bäume gegebenenfalls artenschutzbezogene Veränderungen ergeben können. Zu c) Ja, der spezielle artenschutzrechtliche Fachbeitrag sieht derartige Maßnahmen vor. 2. Sind die für eine Fällung vorgesehenen Bäume im Rahmen des gesetz- lichen Alleenschutzes bzw. durch Gehölzschutzsatzungen und andere gesetzesgleiche Regelungen geschützt? Die Bäume werden im Rahmen des gesetzlichen Baumschutzes sowie der naturschutzrecht- lichen Eingriffsregelung geschützt. 3. Sind durch die Maßnahmen im FFH-Gebiet DE 2535-302 „Wälder der Lewitz“ streng geschützte Arten, so zum Beispiel der Fischotter und der Biber, betroffen? Ja, insbesondere der Fischotter ist betroffen. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) Westmecklenburg hat in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 2011 im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens festgestellt, dass der gutachterlichen Einschätzung, das Vorhaben sei nicht geeignet, die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile des oben genannten FFH-Gebietes erheblich zu beeinträchtigen, gefolgt werden könne, sofern für den Fischotter (Lutra lutra) Vermeidungsmaßnahmen festgesetzt werden. Auch die untere Naturschutzbehörde kommt im Ergebnis zu keiner abweichenden Einschätzung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1168 3 4. Welche Schutzgüter sind durch die Dammsanierung im Europäischen Vogelschutzgebiet DE 2535-402 „Lewitz“ betroffen? Die Alt-Eichen im EU-Vogelschutzgebiet Lewitz gehören zu den maßgeblichen Lebensraumelementen des Mittelspechtes (Dendroco- pos medius). Ist die Betroffenheit dieser Art im Rahmen des Geneh- migungsverfahrens ausreichend geprüft worden, d. h. ist die mögliche Anwesenheit des Mittelspechtes als Brutvogel im Rahmen der FFH- Verträglichkeitsprüfung nach den fachlich anerkannten methodischen Standards untersucht worden? Es sind sämtliche Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes als Schutzgüter abgeprüft worden. Im Ergebnis kommt das StALU zu der Bewertung, dass das Vorhaben bei Einhaltung der Maßnahmen zur Schadensminimierung nicht geeignet ist, die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile des oben genannten EU-Vogelschutzgebietes erheblich zu beeinträchtigen. Auch die untere Naturschutzbehörde kommt im Ergebnis zu keiner abweichenden Einschätzung. Die Betroffenheit des Mittelspechtes ist vom StALU ebenfalls geprüft worden, Bedenken gegen die verwendeten methodischen Standards wurden nicht erhoben. 5. Aus dem Schriftverkehr des bisherigen Planfeststellungsverfahrens geht hervor, dass das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern bei der jetzt geplanten Dammsanierung an der Stör-Wasserstraße eine Alternativlösung gefordert und letztlich durchgesetzt hat. Dort ist durch die Sanierungs- maßnahmen ein Waldstück im FFH-Gebiet „Wälder der Lewitz“ betroffen. Um weitergehende Schäden an diesem Waldgebiet und die Fällung von Bäumen zu verhindern, wurde dort offenbar eine Spund- wand eingeplant, die eine raumgreifende Reparatur des Damm- bereichs verhindert. Wurde eine solche technische Lösung für den Erhalt der Bäume an der Müritz-Elde-Wasserstraße seitens der Vorhabensträgerin und auch seitens der Landesregierung geprüft? a) Warum kommt eine solche technische Lösung nach den bisherigen Planungen für den Erhalt der über 400 Bäume an der Müritz-Elde- Wasserstraße nicht zur Anwendung? b) Wenn eine solche technische Lösung für die Müritz-Elde-Wasser- straße nicht geprüft wurde, warum wurde seitens der Landesregie- rung der Erhalt von schützenswerten Bäumen an der Müritz-Elde- Wasserstraße nicht ebenso eingefordert, wie der Erhalt von Teilen des FFH-Gebietes „Wälder der Lewitz“? Die Fragen 5, a) und b) werden zusammengefasst beantwortet. Die beschriebene „Alternativlösung“ für den Bereich des FFH-Gebietes wurde vom Vorhabenträger geplant. Dort geht es im Wesentlichen um den Erhalt von Bäumen im landseitig an die Dämme angrenzenden Bereich. Drucksache 6/1168 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 In den Bereichen an der Müritz-Elde-Wasserstraße und der Störwasserstraße, in denen die Fällung von rund 270 alten Eichen geplant ist, kommt eine Spundwandlösung aus technischen Gründen nicht in Betracht. Die Bäume stehen direkt auf dem Damm, in der Dammkrone bzw. im Bereich des Böschungsknickpunkts. Der Damm muss in diesem Bereich um zirka 40 cm erhöht und abgeflacht werden. Der Einbau von Spundwänden würde nur Sinn machen, wenn die Bäume außerhalb des anzupassenden Mindestquerschnitts stehen würden. Zudem wäre für das Einbringen der Spundwände schweres Rammgerät auf dem Damm erforderlich. Die Standsicherheit der Dämme für diese Rammarbeiten ist fraglich. Selbst wenn die Standsicher- heit gegeben wäre, müssten Bäume gefällt oder mindestens Kronenbereiche der Bäume aufgelichtet werden, da für das Einbringen der Spundwände eine entsprechende Baufreiheit notwendig ist. Außerdem würden die Wurzeln von den Spundbohlen vollständig durchtrennt werden, was eine erhebliche Schädigung der Bäume wahrscheinlich macht. Auch unter anderen ökologischen Gesichtspunkten ist der Einbau einer Spundwand über längere Strecken kritisch zu sehen. So würden nach einer Stellungnahme des vom Projektträger Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg beauftragten Landschaftsplanungsbüros Spundwände über längere Strecken eine erhebliche Barrierewirkung für den Fischotter mit sich bringen.