Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 6. November 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1203 6. Wahlperiode 07.11.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berechnung der Arbeitsbelastung von Lehrerinnen und Lehrern und ANTWORT der Landesregierung In der Pressemeldung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 11. September 2012 verwies Minister Mathias Brodkorb auf geplante Entlastungen von Lehrerinnen und Lehrern, die rein rechnerisch einem Umfang von 66,29 Lehrer-Vollzeitstellen bzw. einem Gegenwert von 4,64 Millionen Euro pro Jahr entsprächen. In der Landtagsdebatte vom 26. September 2012 führte der Minister aus, dass auch der Arbeitsumfang für Lehrerinnen und Lehrer außerhalb der Unterrichtsverpflichtung messbar sei. Eine solche Berechnung sei auch nötig, um die Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer einschätzen zu können. 1. Welcher zeitliche Arbeitsaufwand wurde jeweils konkret angesetzt und welche Berechnungsmethoden wurden verwandt, um folgende in o. g. Pressemitteilung angegebenen Arbeitsentlastungen zu ermitteln: 7,1 Lehrerstellen durch Verringerung der Prüferzahlen bei den Prü- fungen zur Mittleren Reife; 8,2 Lehrerstellen durch den Verzicht auf schriftliche Gutachten bei Abiturprüfungen; 7,94 Lehrerstellen durch ein einheitliches System bei Bewertung des Arbeits- und Sozial- verhaltens; 40,85 Lehrerstellen durch Abschaffung der gesetzlichen Pflicht zur Erstellung von individuellen Förderplänen für alle Schüle- rinnen und Schüler (bitte für jede einzelne Maßnahme ein Rechen- beispiel angeben)? Welche Wochenarbeitszeit wurde bei der Berechnung der aufgeführ- ten Lehrerstellen angesetzt? Die Umrechnung von Arbeitszeiten in Stellen wird wie folgt vorgenommen: Drucksache 6/1203 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Arbeitszeitstunden (h) laut Ansatz dividiert durch 1,5 (Umrechnungsfaktor Lehrerwochen- stunden/Zeitstunden) dividiert durch 44 Wochen (Arbeitswochen) dividiert durch 27 Lehrerwochenstunden (LWS) je Stelle. 1. Entlastung im Umfang von 7,1 Lehrerstellen durch (a) die Verringerung der Prüferzahlen bei den mündlichen Prüfungen zur Mittleren Reife und durch (b) den Wegfall des vierten schriftlichen Prüfungsfaches. a) Die Fachausschüsse für die mündlichen Prüfungen werden künftig nur noch aus zwei statt bisher drei Lehrkräften bestehen. Im Regelfall finden für alle Schülerinnen und Schüler zwei mündliche Prüfungen statt. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Mittleren Reife wird mit 3.700 angenommen. Jede Absolventin und jeder Absolvent nimmt an mindestens zwei mündlichen Prüfungen teil. Jede Prüfung dauert 0,5 Zeitstunden. Für ein Mitglied aller Prüfungsausschüsse sind es demnach 3.700 Zeitstunden; 3.700 x 2 x 0,5 h = 3.700 h. b) Schriftliche Prüfungen finden im Rechnungsansatz an 180 Schulen statt. Es sind für sieben Unterrichtsfächer schriftliche Aufgaben dezentral zu erstellen (14 Zeitstunden) und zu genehmigen (1,75 Zeitstunde). Das Schreiben der Arbeiten wird durch die Lehrkräfte organisatorisch vorbereitet und beaufsichtigt. Es wird weiter- hin davon ausgegangen, dass die schriftlichen Prüfungen in den sieben Fächern an zwei Tagen (2 Zeitstunden x 7) stattfinden. Bei einer mittleren Klassenfrequenz von 20 Prüflingen wird ein Korrekturzeitbedarf von 20 Zeitstunden je Schule angesetzt. Das entspricht für einen vereinfachten Ansatz 49,75 Zeitstunden je Schule; 180 x 49,75 h = 8.955 h. Insgesamt ergibt sich somit die nachfolgend berechnete Entlastung. 3.700 h + 8.955 h = 12.655 h 2. Entlastung im Umfang von 8,2 Lehrerstellen durch den Wegfall der Gutachten in den schriftlichen Abiturprüfungen. Bislang nimmt jede Abiturientin und jeder Abiturient an vier schriftlichen Prüfungen teil. Für jede Prüfung werden zwei Gutachten gefertigt. Dafür wird insgesamt eine Zeitstunde angesetzt. Es wird die Zahl von 3.650 Abiturientinnen und Abiturienten angenommen; 4 x 1 h x 3.650 = 14.600 h. 12.655 h = 7,1 Stellen 1,5 x 44 Wochen x 27 LWS 14.600 h = 8,2 Stellen 1,5 x 44 Wochen x 27 LWS Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1203 3 3. Entlastung im Umfang von 7,94 Lehrerstellen durch ein einheitliches System bei der Bewertung des Arbeits- und Sozialverhalten Die Bewertung des Arbeits- und des Sozialverhaltens erfolgt für jede Schülerin und für jeden Schüler nach neun Kriterien (Anstrengungsbereitschaft, Mitarbeit und Fleiß, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Sorgfalt, Selbstständigkeit, Belastbarkeit und Ausdauer, Umgangsformen und Einhaltung von Regeln, Teamfähigkeit und Verantwortungsbereit- schaft, Konfliktverhalten und Kritikfähigkeit, Hilfsbereitschaft). Die zuständige Klassen- konferenz berät und entscheidet gemäß § 78 Absatz 5 Schulgesetz für das Land Mecklen- burg-Vorpommern zweimal jährlich über die Beurteilung und Bewertung des Arbeits- und des Sozialverhaltens einer jeder Schülerin und eines jeden Schülers. Es wird angenommen, dass die Klassenkonferenz aus durchschnittlich sechs Lehrkräften besteht. Daraus resultiert einschließlich Organisationsaufwand vereinfacht ein Arbeitszeitansatz von einer Zeit- stunde je 50 Schülerinnen und Schüler. Die Schülerzahl in den Jahrgangsstufen zwei bis zehn wird mit 106.100 angenommen; 2 x 6 x 1 h x 106.100 / 50 = 25.464 h. Der Zeitaufwand soll durch die Reduzierung von neun auf vier Kriterien um 5/9 gesenkt werden. 14,29 Stellen x 5/9 = 7,94 Stellen Das entspricht der angegebenen Entlastung. 4. Entlastung im Umfang von 40,85 Lehrerstellen durch Abschaffung der gesetzlichen Pflicht zur Erstellung von individuellen Förderplänen für alle Schülerinnen und Schüler. Der Arbeitsaufwand errechnet sich aus der Summe des Zeitaufwandes für die Erstellung eines individuellen Förderplanes in Stunden für die Jahrgangsstufen 1 und DFK 0 pro Jahr (20.923 Stunden) und für die Jahrgangsstufen 2 bis 13 - inklusive Abendgymnasium - (70.072 Stunden) pro Jahr. Wird davon ausgegangen, dass nur für jene Schülerinnen und Schüler die Erstellung eines individuellen Förderplanes erforderlich ist, die einer besonderen Förderung bedürfen, entspricht die Anzahl dieser Schülerinnen und Schüler rund 20 Prozent der Gesamtschüler- zahl in Mecklenburg-Vorpommern. Es ergibt sich somit eine Arbeitsentlastung von 80 Prozent des wie vor berechneten Arbeitsaufwandes; 51,06 Lehrerstellen x 80 Prozent = 40,85 Stellen. 25.464 h = 14,29 Stellen 1,5 x 44 Wochen x 27 LWS 20.923 h + 70.072 h = 51,06 Stellen 1,5 x 44 Wochen x 27 LWS Drucksache 6/1203 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 2. Für welche Arbeitsaufgaben, die das Schulgesetz oder untergesetz- liche Regelungen über die Unterrichtsverpflichtung hinaus vorsehen, liegt eine Berechnung des Arbeitsaufwandes bereits vor? a) Wie hoch sind die ermittelten Arbeitsbelastungen (bitte angeben in: wöchentlicher Arbeitsaufwand pro Aufgabe je Lehrer bezogen auf einen Schüler bzw. bezogen auf eine geeignete Bezugsgröße)? b) Auf welcher Grundlage ist diese Berechnung jeweils erfolgt? Zu 2, a) und b) Die Fragen 2, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Über die in der Beantwortung zu Frage 1 genannten Arbeitsaufgaben hinaus wurden bisher keine weiteren Berechnungen durchgeführt. 3. Für welche Arbeitsaufgaben, die das Schulgesetz oder untergesetz- liche Regelungen über die Unterrichtsverpflichtung hinaus vorsehen, liegt eine Berechnung des Arbeitsaufwandes noch nicht vor? a) Für welche dieser Arbeitsaufgaben sind Berechnungen geplant und bis wann sollen diese vorliegen? b) Für welche dieser Arbeitsaufgaben sind Berechnungen nicht vorgesehen und warum nicht? Zu 3, a) und b) Die Fragen 3, 3a) und 3b) werden zusammenhängend beantwortet. Mit Blick auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte insgesamt ist beabsichtigt, den Arbeitsauf- wand der Lehrkräfte zu quantifizieren. Hierbei ist vorgesehen, die Hinweise der Experten- gruppe zur „Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs“ zu berücksichtigen. Erste Ergebnisse sind im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1203 5 4. Trifft es zu, dass die tatsächliche Wochenarbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer aus Sicht der Landesregierung 40 Stunden überschreiten muss, weil die Zahl unterrichtsfreier Tage den Anspruch auf Erho- lungsurlaub überschreitet? a) Wenn ja, wie hoch soll die tatsächliche Wochenarbeitszeit nach Auffassung der Landesregierung sein? b) Wie wurde die tatsächliche Wochenarbeitszeit berechnet? Zu 4, a) und b) Die Fragen 4, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Vollzeitbeschäftigte Beamtinnen und Beamte und Angestellte in der Verwaltung arbeiten in der Regel, unter Berücksichtigung von Urlaub (sechs Wochen) und arbeitsfreien Tagen (zwei Wochen), 44 Wochen im Jahr. Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden beträgt die jährliche Arbeitszeit dieses Personenkreises somit 1.760 Stunden (44 Wochen x 40 Stunden pro Woche). Eine Lehrkraft erteilt in der Regel unter Berücksichtigung der Ferien einschließlich der beweglichen Ferientage 39 Wochen im Jahr Unterricht. Berücksichtigt man wiederum sechs Wochen Jahresurlaub und zwei Wochen sonstige arbeitsfreie Tage pro Jahr, verbleiben über die genannten 39 Wochen hinaus fünf Wochen. Unter der Annahme, dass in diesen fünf Wochen insgesamt 200 Stunden Arbeitszeit (5 Wochen x 40 Stunden pro Woche) nicht erreicht werden, ergibt sich für die vorgenannten 39 Wochen eine durchschnittliche Arbeitszeit, die höher als 40 Stunden pro Woche liegt. In Abhängigkeit der Arbeitsbelastung in den oben genannten fünf Wochen ergibt sich eine Streuungsbreite der Wochenarbeitszeit zwischen 40 Stunden und circa 45 Stunden. Der obere Wert ergibt sich folgendermaßen: 44 Wochen (Anzahl der Arbeitswochen der vollbeschäftigten Beamtinnen und Beamten und Angestellten) multipliziert mit 40 Stunden pro Woche ergibt 1.760 Stunden. 1.760 Stunden dividiert durch 39 Wochen ergeben 45,13 Stunden pro Woche.