Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 8. November 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1270 6. Wahlperiode 08.11.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Silke Gajek, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesundheitsforschungsprojekt „Nationale Kohorte“ und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die „Nationale Kohorte“ hat das langfristige Ziel, Ursachen von Krankheiten zu ermitteln, insbesondere zu Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Demenz- erkrankungen, Krebs oder Infektionskrankheiten. Es sollen umfangreiche Daten gesammelt werden, die es ermöglichen, Risikofaktoren zu identifizieren und Vorbeugung und Früherkennung zu optimieren. Zu diesem Zweck arbeiten zahlreiche Forschungseinrich- tungen, unter anderem die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft, verschiedene Universitäten und Universitätsklinika sowie relevante Einzeleinrichtungen eng zusammen, die durch ein internationales Expertengremium in einem Begutachtungsverfahren ausgewählt wurden. Die wissenschaftliche Planung erfolgt durch das Epidemiologische Planungskomitee (EPC), dem die projektverantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angehören und das durch weitere ausgewiesene Expertinnen und Experten unterstützt wird. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz nehmen die Förderer keinen Einfluss auf den Inhalt des wissenschaftliche Konzeptes und treffen ihre Förderentscheidung unter Einbindung wissenschaftlicher Gutachterinnen und Gutachter. Drucksache 6/1270 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die „Nationale Kohorte“ ist als prospektive, multizentrische Kohortenstudie ab Frühjahr 2013 bundesweit geplant und wird sich voraussicht- lich über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren erstrecken. 200.000 Menschen im Alter von 20 bis 69 Jahren sollen im Rahmen der Studie zu ihren Lebensgewohnheiten befragt und medizinisch untersucht werden. 40.000 Probandinnen und Probanden sollen zusätzlich umfassend medizi- nisch untersucht werden, u. a. mit Ganzkörper-MRT. An der Studie sind insgesamt 18 Studienzentren beteiligt, in Mecklenburg-Vorpommern die Universität Greifswald (Institut für Community Medicine). Das Förder- volumen der Gesundheitsstudie beträgt 210 Millionen Euro, verteilt auf zehn Jahre. Der Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Ländern ist noch nicht abschließend geklärt. Das Projekt hat von vielen Seiten Kritik erfahren. Insbesondere gilt diese dem Umstand, dass der derzeitige Fokus des Studiendesigns auf Krank- heitsrisiken die Erforschung unterschiedlich verteilter Ressourcen und Schutzfaktoren vernachlässigt, die den Gesundheitsstatus maßgeblich mit bestimmen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ausrichtung und das derzeitige Forschungsdesign der „Nationalen Kohorte“? In die Entwicklung des Studiendesigns und der Instrumente der „Nationalen Kohorte“ wurden die Erfahrungen größerer Erhebungen im In- und Ausland einbezogen. Die Fragebogen- instrumente orientieren sich an standardisierten und empfohlenen Instrumenten. Beim Forschungsdesign wurde versucht, im Rahmen der organisatorischen Machbarkeit und finanziellen Angemessenheit mit Hilfe der vorgesehenen Untersuchungen und Befragungen der Probandinnen und Probanden und unter dem Leitbild des anerkannten biopsychosozialen Modells eine ausgewogene Abbildung der zentralen Faktoren der Gesundheit, angefangen von biologischen Faktoren über soziale Charakteristika bis hin zu Umweltbedingungen, zu erreichen. Damit folgt die Arbeitsgruppe den von der Weltgesundheitsorganisation durch ihre Initiativen zur Reduzierung sozialer Ungleichheit formulierten Vorgaben, soziale Ungleich- heit in nationalen Studien zu messen, zu erklären und neue Möglichkeiten einer lebenswelt- bezogenen Gesundheitsförderung aufzuzeigen. Die Fragebogenmodule waren Gegenstand der Begutachtung. Die Landesregierung schätzt die Ausrichtung und das vorgesehene Design der „Nationalen Kohorte“ als angemessen ein. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1270 3 2. Welche Erkenntnisse verspricht sich die Landesregierung von dem Forschungsvorhaben für die Gesundheitspolitik und die Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern? In der „Nationalen Kohorte“ werden eine ganze Fülle von gesundheitsrelevanten Eigenschaften , Lebensumständen und Faktoren aus dem sozialen Umfeld für insgesamt 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern detailliert erfasst. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Studienzentren werden Neubrandenburg und Neustrelitz sein) werden zufällig aus der Wohnbevölkerung der beiden Studienregionen gezogen, um die Gesamtbevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern zu repräsentieren. Bereits nach wenigen Jahren wird dadurch eine umfassende Bestandsaufnahme wichtiger Ursache- und Risikofaktoren für Gesundheit und Krankheiten aus unserem Land vorliegen. Diese Daten werden es ermöglichen, die Gesundheitspolitik der Landesregierung noch zielgenauer auszurichten und unterstützen die Formulierung landesspezifischer Zielgrößen und Prioritäten. Dies wird zum Beispiel auch konkrete Auswirkungen auf den Landespräventionsplan haben. Wichtiges Ziel der Prävention ist es auch, die Ungleichheit der gesundheitlichen Chancen zu verringern. Durch die Erhebung und Auswertung der Daten auch über das Vorliegen von frühen Stadien später auftretender Erkrankungen wird ebenfalls eine objektive Versorgungsplanung unterstützt, von der auch der Landesgeriatrie- und der Landespsychiatrieplan direkt profitieren werden. Zusätzlich verhilft die erhebliche Beteiligung der Universität Greifswald der Community Medicine als Forschungsschwerpunkt der Universitätsmedizin Greifswald zur Steigerung an nationaler und internationaler Sichtbarkeit. Die Durchführung von sogenannten Level III-Studien und anderer Forschungsarbeiten im Kontext der „Nationalen Kohorte“ unterstützen zukünftige Drittmitteleinwerbungen. Dadurch werden neue hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen und auch die Nachwuchsqualifikation und -förderung weiter intensiviert. 3. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten im Hinblick auf eine Justie- rung des derzeitigen Studiendesigns? a) Wenn ja, inwiefern wird sich die Landesregierung für entspre- chende Änderungen einsetzen? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 3, a) und b) Die Fragen 3, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 6/1270 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Ja. Wie in der Vorbemerkung dargestellt, steht die Wissenschaft dem Dialog auch in inhaltlichen Fragen offen gegenüber. Bestimmte Aspekte sozialer Risikolagen und Risikofaktoren können gegebenenfalls noch besser als bisher kommuniziert und verknüpft werden. Das vereinbarte Regelwerk der „Nationalen Kohorte“ sieht außerdem vor, dass auch die Aufnahme zusätzlicher Hypothesen und Erhebungsinstrumente noch über die gesamte Laufzeit der Studie möglich ist (Level III-Projekte). Voraussetzung dafür ist, dass die zusätzlichen Instrumente die Erhebung im Rahmen der Hauptstudie nicht beeinträchtigen oder mit diesen interagieren. Der Vorstand des Nationale Kohorte e. V. ist bereit, entsprechende Vorstellungen zu erörtern. 4. Plant die Landesregierung eine Unterrichtung zur „Nationalen Kohorte“? a) Wenn ja, wann und in welcher Form? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 4, a) und b) Die Fragen 4, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Ja. Die Landesregierung wird gemäß § 10 Absatz 5 der Landeshaushaltsordnung Mecklen- burg-Vorpommern eine Unterrichtung zum Entwurf der Bund-Länder-Vereinbarung über die gemeinsame Förderung der „Nationalen Kohorte“ gemäß Artikel 91 b Grundgesetz vorlegen. Das Verfahren dazu wird zeitnah eingeleitet. 5. Beabsichtigt die Landesregierung, sich an der Finanzierung der „Nationalen Kohorte“ zu beteiligen? a) Wenn ja, welche Ausgaben kommen insgesamt über die Laufzeit der „Nationalen Kohorte“ auf das Land zu? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 5, a) und b) Die Fragen 5, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Ja. Die Planungen sind vorerst auf zehn Jahre ausgerichtet. In diesem Zeitraum wird der Landesanteil von Mecklenburg-Vorpommern an der gemeinschaftlichen Finanzierung der „Nationalen Kohorte“ insgesamt voraussichtlich rund drei Millionen Euro betragen. Eine genauere Aussage ist erst nach Vorliegen der abgeschlossenen Studienplanung möglich. Hinzu kommen finanziellen Eigenanteile von voraussichtlich rund acht Millionen Euro, die die an der „Nationalen Kohorte“ in Mecklenburg-Vorpommern beteiligten Einrichtungen erbringen sollen. Die Landesregierung plant, die Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern bei der Finanzierung dieser Eigenanteile zu unterstützen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1270 5 6. Ist die Bund-Länder-Vereinbarung zum Finanzierungsschlüssel bereits beschlossen worden? a) Wenn ja, wie gestaltet sich der Schlüssel konkret? b) Wenn nicht, wann ist mit einem Beschluss zu rechnen? Zu 6, a) und b) Die Fragen 6, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) hat in ihrer Sitzung am 29. Juni 2012 den Aufbau der „Nationalen Kohorte“ einvernehmlich beschlossen (GWK-Drucksache 12.28). In den kommenden zehn Jahren beträgt das gemeinschaftlich finanzierte Fördervolumen 210 Millionen Euro. Davon tragen die an der „Nationalen Kohorte“ beteiligten Helmholtz-Zentren (gemeinschaftlich finanziert zwischen Bund und dem jeweiligen Sitzland des Helmholtz- Zentrums) insgesamt 70 Millionen Euro. Die übrigen 140 Millionen Euro werden zusammen von Bund und den an der „Nationalen Kohorte“ beteiligten Ländern im Verhältnis 75:25 finanziert. Die Verteilung dieses Anteils der Ländergemeinschaft auf die einzelnen Länder erfolgt nach einem Verteilungsschlüssel, der sowohl den Königsteiner Schlüssel (in modifizierter Form) als auch den Anteil des jeweiligen Landes an den Gesamtausgaben berücksichtigt. (Anhand dieses Verteilungsschlüssels ergibt sich der in Antwort zu Frage 5 genannte Finanzierungsanteil Mecklenburg-Vorpommerns von voraussichtlich insgesamt rund drei Millionen Euro.) Die beteiligten Einrichtungen erbringen darüber hinaus einen Eigenanteil zur Gesamtfinanzierung des Projektes. Der bisher vorgelegte Finanzierungsplan ist als vorläufig anzusehen, da die Studienplanung noch nicht komplett abgeschlossen ist. 7. Wurde seitens des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Unterschrift zur Vereinbarung bereits geleistet? Nein.