Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1310 6. Wahlperiode 05.12.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jürgen Suhr und Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Befragung von Busunternehmen im Vorfeld von Demonstrationen und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Im Zusammenhang mit Versammlungen ist es Aufgabe der Polizei, in unparteiischer Weise eine friedliche und ungehinderte Ausübung des Versammlungsrechts zu gewährleisten. Um diese Aufgabe angemessen ausüben zu können, ist es für die Beurteilung der Lage notwendig, alle relevanten Informationen zu beschaffen und zusammenzuführen. Hierzu gehören auch solche über Anzahl und Zusammensetzung möglicher Versammlungs- teilnehmer. Zu diesem Zweck hat die Polizei auch Anfragen bei Busunternehmungen durchgeführt. Soweit Busunternehmen in diesem Zusammenhang Vermietungen von Bussen für Fahrten nach Wolgast am 09.11.2012 abgesagt haben, geschah dies nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen in deren freier Willensentscheidung und unter Berücksichtigung der bei diesen Busunternehmen vorliegenden Erfahrungen aus der Vermietung von Bussen zu ähnlichen Anlässen. Durch ihre allgemeinen Anfragen nach Busanmietungen bei Busunternehmen im Vorfeld der Versammlungen am 09.11.2012 in Wolgast hat die Polizei die Anreise von Versammlungs- teilnehmern insofern nicht - auch nicht indirekt - behindert. Drucksache 6/1310 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Der Staatsschutz hat die Anreise von Demonstranten gegen den NPD- Aufmarsch am 9. November 2012 in Wolgast - zumindest indirekt - behindert. In einem Rundschreiben an mehrere Busunternehmen im Groß- raum Rostock fragten Ermittler, ob Mitglieder der „linken Szene“ Busse angemietet hätten, und baten um Mitteilung zusätzlicher Details (Bus, Route, Zeit, Anmieter). Ein Busunternehmen wollte danach keine Busse mehr an die Grüne Jugend vermieten. Ein Sprecher der Polizeiinspektion Anklam sagte, dass es bei Veranstaltungen wie der in Wolgast „üblich“ sei, zur Vorbereitung des Einsatzes rechtzeitig Informationen zur Lage zu sammeln (vgl. Pressemitteilung vom 8. November 2012 der PI Anklam). Kontaktaufnahmen mit Busunternehmen ermöglichten „eine qualifizierte und sachgerechte Gefährdungsbewertung“. 1. Was ist nach Ansicht der Landesregierung unter einer „qualifizierten und sachgerechten Gefährdungsbewertung“ zu verstehen und inwiefern wird diese durch die Kontaktaufnahme zu Busunternehmen im Vorfeld einer Demonstration ermöglicht? Planungsgrundlage für die jeweils anlassbezogenen polizeilichen Maßnahmen am Veranstal- tungsort sowie an den An- und Abreiseorten und zum Schutz der Versammlungsteilnehmer ist eine umfassende Beurteilung der Lage. Diese beinhaltet auch eine qualifizierte und sach- gerechte Gefährdungsbewertung. Dabei handelt es sich um einen gedanklichen, analytischen Prozess, in dem anlassbezogen alle relevanten Erkenntnisse zur Beurteilung der Gefährdungs- lage fortlaufend miteinander verknüpft und in ihrem Gesamtzusammenhang bewertet werden. Für eine eingehende Bewertung der Gefährdungslage sind auch Informationen über Anzahl und Zusammensetzung möglicher Veranstaltungsteilnehmer erforderlich. Bei der Kontakt- aufnahme zu Busunternehmen handelt es sich insofern um eine von mehreren Maßnahmen der Gewinnung von Erkenntnissen, die für die Bewertung der Gefährdungslage erforderlich sind. 2. Inwiefern erfordert „eine qualifizierte und sachgerechte Gefährdungs- bewertung“ lediglich Angaben zu Anmietern von Bussen aus der „linken Szene“ (und nicht auch solche aus der „rechten Szene“)? a) Wie definieren die anfragenden Behörden die Begrifflichkeit „linke Szene“? b) Dient es aus Sicht der anfragenden Behörden „einer qualifizierten und sachgerechten Gefährdungsbewertung“, wenn die Auslegung der unscharfen und unbestimmten Begrifflichkeit „linke Szene“ sowie die Einschätzung des etwaigen Gefährdungspotenzials den befragten Busunternehmen überlassen wird? Eine qualifizierte und sachgerechte Gefährdungsbewertung erfordert die Einbeziehung aller relevanten Erkenntnisse. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1310 3 Aus diesem Grund wurden Busunternehmen allgemein nach Anfragen oder Anmietungen befragt, ohne diese auf eine bestimmte politische Richtung zu beschränken. Zu a) Der Begriff „linke Szene“ ist nicht allgemein gültig, abschließend und trennscharf definiert. Im allgemeinen Sprachgebrauch findet dieser Begriff Verwendung als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken. Zu b) Nein. Im Übrigen wurde weder die Auslegung des Begriffes „linke Szene“ noch die Einschätzung des Gefährdungspotenzials den angeschriebenen Busunternehmen überlassen. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen 3. Inwiefern lässt sich aus den durch das Rundschreiben erhobenen Daten (Bus, Route, Zeit, Anmieter) ein bestimmtes Gefährdungs- potenzial ablesen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Wie viele Personen waren von dieser Datenerhebungsmaßnahme betroffen? Keine. 5. Wie viele davon stellten sich im Nachhinein als Nichtstörer heraus? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Drucksache 6/1310 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. Wurden die erhobenen Daten bereits gelöscht? a) Wenn ja, wann? b) Wenn nicht, warum nicht? Die Fragen 6, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Wurden in den Jahren 2010, 2011 und 2012 vergleichbare weitere Befragungen von Busunternehmen über ihre Fahrgäste durchgeführt? Wenn ja, a) bei welchen Demonstrationen wurden diese durchgeführt? b) welche Fragen wurden gestellt und welche Angaben wurden erhoben? c) wie viele Personen konnten aufgrund der Befragung als Tat- verdächtige von Straftaten im Zusammenhang mit der jeweiligen Demonstration ermittelt werden und gegen wie viele Personen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet? Es werden keine Befragungen über Fahrgäste durchgeführt. Zu a) Anfragen bei Busunternehmen wurden anlassbezogen nur bei Versammlungen durchgeführt, bei denen überregional zur Teilnahme aufgerufen wurde und die entsprechenden Angaben zur Lagebeurteilung benötigt wurden. Zu b) Es wurden Angaben erhoben zu Bussen, Anzahl, Routen, An- und Abfahrzeiten, Anmietern/ Anfragenden. Zu c) Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1310 5 8. Haben die anfragenden Behörden im Vorhinein in Erwägung gezogen, dass ihr Rundschreiben an Busunternehmen, infolgedessen nachweislich mindestens ein Busunternehmen zwei zugesagte Reise- busse zur Gegendemonstration wieder kurzfristig abgesagt hat, zu einer Behinderung der Gegendemonstration führen könnte? a) Falls dies im Vorhinein in Erwägung gezogen wurde, warum wurde dennoch dieses Rundschreiben in der bekannten Form und dem bekannten Inhalt an die Busunternehmen versendet? b) Falls dies im Vorhinein nicht in Erwägung gezogen wurde: Werden die Behörden auf Grundlage des aktuellen Vorfalls die Möglichkeit der Behinderung der Versammlungsfreiheit durch ihr Handeln neu bewerten und zumindest in Zukunft auf dieses Mittel der Lageklärung verzichten? Wenn dies nicht der Fall ist, warum nicht? Die Fragen 8, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Über die Zurücknahme bereits zugesagter Busanmietungen haben die Unternehmer frei entschieden. Diesbezüglich wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Hinsichtlich des Zwecks derartiger Anfragen bei Busunternehmen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Für die Beurteilung der Lage sind diese Anfragen auch weiterhin unerlässlich. 9. Wie bewertet die Landesregierung dieses Vorgehen der Polizei vor dem Hintergrund des darin zu sehenden Eingriffs in die Versamm- lungsfreiheit? Das Vorgehen der Polizei war rechtmäßig. 10. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass aufgrund der Nachfrage durch die Polizei nachweislich ein Busunternehmen zwei ursprünglich zugesagte Busse gegenüber friedlichen Versammlungs- teilnehmern der Grünen Jugend absagte? Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Im Übrigen bewertet die Landesregierung keine geschäftlichen Entscheidungen von Privatunternehmen.