Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 7. Dezember 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1311 6. Wahlperiode 11.12.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berücksichtigung von Fledermäusen bei Windenergieanlagen und ANTWORT der Landesregierung Fledermäuse gehören zu den besonders geschützten Tieren (Überein- kommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten - CMS, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - FFH, Bundesartenschutzverordnung - BArtSchVO). Wie viele Vogelarten, so können auch Fledermäuse an Windenergieanlagen zu Tode kommen. Dabei kommt es nicht nur zu Schlagverlusten bei Kollision der Tiere mit den Rotorblättern, sondern insbesondere zum sogenannten Barotrauma. Hierbei handelt es sich um innere Blutungen, die zum Tode führen und bei den zarten Tieren durch Druckveränderungen im Strömungsbereich der Windkraftanlagen verur- sacht werden. Das Ausmaß des Fledermaussterbens belegen aktuelle Untersuchungen, wie z. B. des Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research in Berlin. Man geht mittlerweile von durchschnittlich 10 getöteten Fledermäusen pro Windenergieanlage und Jahr aus, wobei die tatsächliche Zahl je Windrad stark variieren kann, je nachdem wie groß das Konfliktpotenzial am jeweiligen Standort ist. Bei derzeit rund 1.400 Windrädern in Mecklenburg-Vorpommern schätzt man rund 14.000 tote Fledermäuse durch Windräder im Jahr. Da Fledermäuse nur eine sehr geringe Repro- duktionsrate mit höchstens einem Jungtier pro Weibchen und Jahr haben, bergen diese Zahlen ein bestandsbedrohendes Potenzial. Gegenwärtig wird bei Erteilung der Genehmigung für den Bau von Windenergie- anlagen an Land auf Konflikte mit Fledermäusen geachtet. Wurde durch den Gutachter ein Konfliktpotenzial festgestellt, werden pauschale Abschaltzeiten und die Installation einer Horch-Box vorgeschrieben. Drucksache 6/1311 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Gibt es methodische und inhaltliche Vorgaben, die mögliche Kon- flikte zwischen geplanten Windkraftanlagen und Fledermäusen ermitteln sollen? a) Mit welchen Methoden werden, insbesondere in den Hauptzug- zeiten, die Fledermäuse erfasst? b) Wie repräsentativ sind die Ergebnisse? c) Gibt es Standards, mit denen die Ergebnisse einheitlich bewertet werden und wenn nicht, wann ist mit einem Standardverfahren zu rechnen? Allgemeine methodische Vorgaben finden sich unter anderem in: Rodrigues, L., L. Bach, M.-J. Dubourg-Savage, J. Goodwin & C. Harbusch (2008): Leitfaden für die Berücksichtigung von Fledermäusen bei Windenergieprojekten. EUROBATS Publication Series No. 3 (deutsche Fassung). UNEP/EUROBATS Sekretariat, Bonn, Deutschland, 57 S. Brinkmann, R., Behr, O., Niermann, I. & Reich, M. [Hrsg.] (2011): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Umwelt und Raum Bd. 4, Cuvillier Verlag, Göttingen. Zu 1 a) Die Fledermausaktivität wird durch Gutachterbüros im Auftrag des Vorhabenträgers in der Regel durch Detektorbegehungen und Horchboxerfassungen an den geplanten Standorten der Windenergieanlagen erfasst. In Einzelfällen werden auch Netzfänge durchgeführt. In einigen Fällen wird die Betroffenheit von Fledermäusen ausschließlich durch eine Potenzialab- schätzung ermittelt. Zu 1 b) Bei den Erfassungen handelt es sich stets um stichprobenartige Erfassungen. Die Repräsen- tativität der Ergebnisse wird durch die Anzahl der Begehungstermine, den Witterungsverlauf im Untersuchungsjahr, die verwendete Technik sowie die Erfahrung des Gutachters beeinflusst und kann nicht allgemein angegeben werden. Erfassungen am Boden oder in geringer Höhe erlauben nur sehr eingeschränkte Aussagen für den Fledermauszug bei denjenigen Arten, die in Rotorhöhe ziehen. Zu 1 c) Bislang sind keine standardisierten Vorgaben in Mecklenburg-Vorpommern eingeführt. Im Jahr 2013 ist die Erarbeitung einer Arbeitshilfe zur Erfassung und Bewertung von Fledermäusen im Rahmen der Planungen von Windenergieanlagen sowie zu geeigneten Vermeidungsmaßnahmen vorgesehen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1311 3 2. Gibt es Standorte, an denen aufgrund eines zu hohen Konfliktpoten- zials mit Fledermäusen, das Errichten von Windenergieanlagen unter- sagt wurde? Wenn ja, wie viele und welche sind es? Es gibt keine Standorte, an denen aufgrund eines zu hohen Konfliktpotenzials mit Fleder- mäusen das Errichten von Windenergieanlagen untersagt wurde. 3. Bei wie vielen Windenergieanlagen wurde trotz ermittelter Konflikte mit Fledermäusen die Genehmigung mit der Auflage erteilt, pauschale Abschaltzeiten einzuhalten und Horchboxen zu installieren? Für insgesamt 73 Windenergieanlagen wurde die Genehmigung mit Auflagen zur Einhaltung pauschaler Abschaltzeiten und/oder der Durchführung eines akustischen Höhenmonitorings erteilt, davon 49 Windenergieanlagen mit pauschalen Abschaltzeiten, 16 Windenergieanlagen mit Höhenmonitoring und 8 Windenergieanlagen mit pauschalen Abschaltzeiten und gleichzeitigem Höhenmonitoring. Zudem wurde für einige Anlagen zusätzlich eine Auflage zur Durchführung einer Schlagopfersuche erteilt. Weitere Anlagen wurden unter dem Vorbehalt von nachträglichen Abschaltungen, die dann im Ergebnis eines Höhenmonitorings oder einer Schlagopfersuche festgesetzt werden, genehmigt. 4. Nach welchen Kriterien werden die Abschaltzeiten ermittelt? Allgemeine Kriterien liegen bislang für Mecklenburg-Vorpommern nicht vor. Eine wichtige Basis für die Bewertung sind die Ergebnisse des Forschungsvorhabens „Ermittlung und Reduzierung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Windkraftanlagen“ (Brinkmann et al. 2011) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Grundsätzlich sind Abschaltzeiten nur bei windarmen Wetterlagen (<6,5m/s) im Zeitraum zwischen einer Stunde vor Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang zur Vermeidung der Tötung von Fleder- mäusen erforderlich. 5. Wie wird die Einhaltung der Abschaltzeiten ermittelt? In den Genehmigungsbescheiden wird in der Regel die Vorlage der Laufzeitprotokolle an die Genehmigungsbehörde beauflagt. Drucksache 6/1311 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. Werden die mit Hilfe der Horchboxen gesammelten Daten zentral erfasst und ausgewertet? Nein, eine zentrale Erfassung und Auswertung der Daten findet nicht statt. 7. Gibt es eine Studie zu möglichen Ertragseinbußen für die Windenergieanlagenbetreiber, die die Auflagen erfüllen und zu den ermittelten Zeiten die Anlagen abschalten? a) Wenn ja, wie hoch werden die Verluste eingeschätzt? b) Wenn nicht, ist eine solche Studie, insbesondere für Mecklenburg- Vorpommern, geplant? Eine solche Studie gibt es gegenwärtig nicht. Zu 7 a) Entfällt. Zu 7 b) Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) hat eine solche Studie als Werkvertrag vergeben. Ergebnisse liegen voraussichtlich Ende des Jahres 2012 vor. 8. Mit welchen Begründungen werden Widersprüche gegen die fest- gesetzten Auflagen eingelegt? Wie vielen Widersprüchen wurden im letzten halben Jahr stattgegeben und weshalb? Die Widersprüche wurden unter anderem wie folgt begründet: - Vorhabengebiet kein Gebiet mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz, - keine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos, - für Anordnung des Höhenmonitorings existiert keine rechtliche Grundlage, - Nebenbestimmung kann aufgehoben werden, da verbleibender Teil der Genehmigung auch ohne diese Nebenbestimmung rechtmäßig, - erforderliche Schutzbereiche werden eingehalten, - Verletzungs- bzw. Tötungsrisiko geht nicht über das Risiko hinaus, das mit der Errichtung von Windenergieanlagen in der freien Natur immer einhergeht, Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1311 5 - ausreichender Abstand zu Flugrouten der Fledermäuse, - keine relevanten Migrationsbewegungen, - keine Quartiere festgestellt, - keine außergewöhnlich hohe Flugaktivität der Fledermäuse, - geringes Kollisionsrisiko, - keine wiederholt beflogenen Jagdgebiete ausgemacht, - Fledermausart Großer Abendsegler jagt oftmals in 500 m Höhe und nicht in den durch die Windenergieanlage für sie gefährlichen Höhen, - Meidungsverhalten dieser Art in einer Entfernung zwischen 50 und 100 m von den Rotorspitzen, - Kompensationsmaßnahmen schaffen Ausgleich, der Fledermauspopulation zusätzlich stärkt. Über die in den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt derzeit vorliegenden fünf Widersprüche konnte im letzten halben Jahr keine Entscheidung erfolgen. In zwei Fällen fehlt die Begründung und für drei Widersprüche müssen die Stellungnahmen der unteren Naturschutzbehörden abgewartet werden. 9. Wie gewährleistet man, dass bei schon bestehenden Anlagen, bei deren Genehmigung mögliche Konflikte mit Fledermäusen keine Rolle gespielt haben, die unbeabsichtigten Tötungen erfasst und ihre Auswirkung auf die Population bewertet werden (Artikel 12 Absatz 4 FFH-Richtlinie und § 38 Absatz 2 BNatSchG) ? Eine stichprobenartige Schlagopfersuche ist im Jahr 2013 im Auftrag des LUNG vorgesehen.