Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 3. Januar 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1425 6. Wahlperiode 04.01.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kostensteigerungen beim Bau der B96n auf Rügen und ANTWORT der Landesregierung Ausweislich eines Beitrags der Ostseezeitung vom 19. November 2012 („Erstes Teilstück von Rügens Schnellstraße freigegeben“) begründet der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung die gestie- genen Kosten beim Bau der B96n mit gestiegenen Preisen, einer leicht veränderten Trassenführung und „zusätzlichen Aufwendungen“. 1. Für welche Baumaßnahmen kam es im Einzelnen zu gestiegenen Preisen? Welchen zeitlichen Verlauf nahmen die Kostensteigerungen der betroffenen Maßnahmen seit dem Jahr 2005? Die aktuelle Preisentwicklung in der Bauindustrie (Kostenentwicklung im Straßenbau - Baupreisindex 2012 zu 2005 mit 26 Prozent; Quelle Statistisches Bundesamt), die zusätzlichen natur- und umweltfachlichen Auflagen und das verhältnismäßig lange Planfeststellungsverfahren haben die Kosten für den Bau der Bundestraße (B) 96n auf Rügen, wie nachfolgend genannt, verändert: 2004 - Baukosten rund 68 Millionen Euro (brutto), 2008 - Baukosten rund 80 Millionen Euro (brutto) und 2012 - Baukosten rund 127 Millionen Euro (brutto). Drucksache 6/1425 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Welche Änderungen wurden im Zuge der veränderten Trassenführung im Einzelnen gegenüber dem ursprünglichen Planfeststellungs- beschluss vorgenommen? a) Zu welchem Zeitpunkt erfolgten welche der Änderungen an der Trassenführung? b) Welche Kostensteigerungen ergaben sich durch diese Änderungen gegenüber den ursprünglichen Kalkulationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise für den Bund? c) Welchen zeitlichen Verlauf nahmen die Kostensteigerungen infolge der veränderten Trassenführung seit dem Jahr 2005? Nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses im Jahr 2010 wurden keine Planänderungen an der Trassenführung der B 96n auf Rügen vorgenommen. Zu a) Das Planfeststellungsverfahren für die B 96n auf Rügen wurde im Mai 2004 eingeleitet und verlief in nachfolgend genannten Schritten: 2005 - Hauptanhörung und 1. Nachanhörung, 2008 - 2. Nachanhörung, 2009 - 3. Nachanhörung und Juli 2010 - Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Umfangreiche Änderungen in der Planung erfolgten im Jahr 2008 im Zuge der 2. Nachanhörung. Hierzu gehören das Trogbauwerk mit den aufwendigen Bahnanpassungs- maßnahmen und der Pumpstation zur Ableitung des Oberflächenwassers. Auch im Jahr 2009 wurden im Rahmen der 3. Nachanhörung Plananpassungen, wie unter anderem die Verschiebung der Anschlussstelle Bergen aus Gründen des Artenschutzes, weitere Bündelung der Trassen zwischen Samtens-Ost und Bergen, sowie das Heranrücken der Trasse der B 96n an die Ortschaft Rambin zum Schutz von Äsungsflächen nordischer Rastvögel, notwendig. Die Planänderungen im Jahr 2009 ergaben keinen Anlass, eine weitere Kostenfortschreibung vorzunehmen. Zu b) Die ersten Submissionsergebnisse im Jahr 2011 deuteten darauf hin, dass die im Jahr 2008 aufgestellte und genehmigte Kostenermittlung nicht dem aktuellen Preisniveau entsprach. Unverzüglich wurden die ersten Ausschreibungsergebnisse analysiert und eine Kostenfort- schreibung aufgestellt, die mit 127 Millionen Euro Baukosten abschloss. Danach entfallen Baukosten in Höhe von rund 80 Millionen Euro auf den 13 km langen Südabschnitt und rund 47 Millionen Euro auf den 7 km langen Nordabschnitt. Im Einzelnen haben sich gemäß der Kostenfortschreibung 2012 die Kosten gegenüber der Kostenberechnung 2008 in beiden Abschnitten wie folgt geändert: Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1425 3 Für den Streckenbau (Erd-, Unter-, Entwässerungs- und Oberbau) ergeben sich nachfolgende Kostenerhöhungen: Erhöhung um rund 27 Millionen Euro (davon 17 Millionen Euro im Südabschnitt) aufgrund - erheblicher Preissteigerungen bei den Asphaltbaustoffen, - erheblicher Preissteigerungen bei den Energiekosten und Treibstoffen, - Kostenerhöhungen im Erdbau durch zusätzliche Bodenverbesserungen und - zusätzlicher Anpassungen zu den Entwässerungseinrichtungen. Erhöhung um rund 7 Millionen Euro (vollständig im Südabschnitt) bei Brücken aufgrund - zwischenzeitlicher Änderungen des Regelwerkes und - Erhöhung der Baustoff-, Energie- und Transportkosten. Erhöhung um rund 2 Millionen Euro (davon 1 Million Euro im Südabschnitt) aufgrund - erhöhter Umfang in der Ausstattung. Erhöhung um rund 11 Millionen Euro (davon rund 9 Millionen Euro im Südabschnitt) aufgrund - Landschaftsbau (trassennah und trassenfern) einschließlich notwendiger CEF-Maßnahmen (continuous ecological functionality - measures = vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen) sowie bauzeitliche Schutzmaßnahmen, - Straßenbau (zusätzliche Einschleifungen), - Rückbau Spülfeld, - Kreuzungsvereinbarungen mit der DB Netz AG, - Ablöseberechnungen, - Prüfingenieurtätigkeit, - Geotechnische Beratung, - Altlastenentsorgung, - Archäologische Grabungen, - zusätzliche Bahnanpassungsarbeiten wie zum Beispiel Bahnkabelumverlegungen und - zusätzliche Mehraufwendungen zum Beispiel bei den Leitungsumverlegungsmaßnahmen. Zu c) Es wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die Kostenveränderungen gegenüber den Kostenberechnungen 2004, 2008 und 2012 wirken sich wie folgt aus: für den Bund Erhöhung der Baukosten (brutto, Gesamtkosten) 2004 auf 2008 um rund 12 Millionen Euro und für den Bund Erhöhung der Kosten (brutto, Baukosten) um rund 47 Millionen Euro 2008 auf 2012 (davon trägt das Land Mecklenburg-Vorpommern den Anteil der Kosten des Radweges in Höhe von rund 2 Millionen Euro). Drucksache 6/1425 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 3. Welche weiteren Aufwendungen im Sinne der Aussage des zustän- digen Ministers führten zu Kostensteigerungen? a) Sofern diese Aufwendungen Teil des Planfeststellungsbeschlusses zur B96n sind, welchen zeitlichen Verlauf nahmen diese Kosten- steigerungen seit dem Jahr 2005? b) Sofern diese Aufwendungen nicht Teil des Planfeststellungs- beschlusses zur B96n sind, wie wird die Notwendigkeit einer nachträglichen Auslösung begründet? c) Welche Kosten weiterer Aufwendungen werden durch das Land Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise durch den Bund getragen? Die Fragen 3, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Zu den weiteren zusätzlichen Aufwendungen gehören: - die bauzeitliche Verlegung der Bahntrasse im Zuge des Trogbauwerkes (in den neuen Kosten wurden die zusätzlichen Aufwendungen für die erforderliche Gleisverlegung einschließlich der in diesem Zusammenhang notwendigen Arbeiten an den Oberleitungen und den Leit- und Signalanlagen aufgenommen) und - die Aktualisierung der Kosten für die zusätzlichen erforderlichen baugrundverbessernden Maßnahmen (Rüttel- und Kiesstopfsäulen) sowie die Bodenverbesserung. Zu c) Die zusätzlichen Baukosten übernimmt der Bund. 4. Welche Bearbeitungsstellen im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben die vom Land Mecklenburg- Vorpommern vorgelegten Kalkulationen gesichtet und genehmigt? Zu welchem Zeitpunkt erfolgte die Genehmigung? Derzeit liegen mit Schreiben vom 13. Januar 2011 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die genehmigten Kosten aus dem Jahr 2008 vor. Die Kostenberechnung wurde im April 2009 von der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) aufgestellt und Mai 2009 vom Landesamt für Straßenbau- und Verkehr Mecklenburg-Vorpommern genehmigt. Seit Ende April 2012 liegt die durch DEGES aufgestellte Kostenfortschreibung 2012 dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Genehmigung vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1425 5 5. Welche vollständige Höhe der Kosten wurde für den Planungszustand vor den notwendigen Änderungen der Trasse im Zuge der Anpassung aufgrund der FFH-Richtlinie und der Natura 2000 Vogelschutzgebiete (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen) ermittelt? a) Welche vollständige Höhe der Kosten wurde für den Planungs- zustand, der dem nun gültigen Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag, ermittelt? b) Welcher Planungszustand war Grundlage für die Bewilligung von Mitteln in Höhe von 82.000.000 Euro durch das Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung? Die Kosten für den Planungszustand vor den notwendigen Änderungen der Trasse aufgrund der FFH-Richtlinie und der Natura 2000 Vogelschutzgebiete betrugen gemäß genehmigter Kostenberechnung aus dem Jahr 2004 rund 68 Millionen Euro (Baukosten, brutto). Zu a) Dem gültigen Planfeststellungsbeschluss von Juli 2010 lagen die Kosten aus der Kosten- berechnung von 2008 zugrunde. Die genehmigten Baukosten lagen bei rund 80 Millionen Euro. Zu b) Zum Zeitpunkt der genehmigten Kostenberechnung 2008 (Baukosten rund 80 Millionen Euro) lag der überarbeitete Vorentwurf zur B 96n vor. Die Kostenberechnung ist Bestandteil der Planung. 6. Welche Höhe ergaben im Einzelnen die Kostenvoranschläge der ausführenden Bauunternehmen für den Abschnitt zwischen der AS Altefähr und der AS Samtens-Ost? Gemäß aktueller Kostenberechnung entfallen auf den Südabschnitt Baukosten in Höhe von etwa 80 Millionen Euro. Davon sind derzeit rund 45 Millionen Euro beauftragt und im Bau. Diese unterteilen sich in das Baulos 1 (rund 2,5 km) mit rund 10 Millionen Euro (Baufreigabe am 16.11.2012 erfolgt), das Baulos 4 (Trog) mit rund 22 Millionen Euro, das Baulos 5 und 5.1 (Bahnbauwerke) mit rund 6 Millionen Euro, Bahnanpassungsarbeiten mit rund 2 Millionen Euro und Restarbeiten, zum Beispiel Leitungsumverlegungen oder Archäologen, mit rund 5 Millionen Euro. Weitere Ausschreibungen erfolgen im Jahr 2013. Drucksache 6/1425 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 7. Welche Kostensteigerungen sind für die Bereiche Planung, Bauleitung und Bauüberwachung entstanden? a) Wie teilen sich diese Kostensteigerungen nach den Leistungs- phasen nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure und für die örtliche Bauüberwachung auf? b) Welchen Kostenträgern sind die Kostensteigerungen in den genannten Bereichen zu welchen Anteilen zuzuordnen? Die Fragen 7, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Aufgrund der Baukostensteigerung ergeben sich höhere anrechenbare Kosten nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), die eine Anpassung der Vergütung von Ingenieurleistungen für die Planung, Bauüberwachung und Bauoberleitung für dieses Vorhaben nach sich zieht. Weitere Angaben liegen in aufbereiteter Form nicht vor. 8. Auf welche anderen Baumaßnahmen auf Rügen und im übrigen Mecklenburg-Vorpommern wirkt sich die Erhöhung der Baukosten aus? a) Welche Baumaßnahmen sind im Einzelnen von Verschiebungen betroffen? b) Welche Bauzeiten waren bei diesen Vorhaben im Einzelnen vormals vorgesehen und sind nunmehr zu erwarten? Die Fragen 8 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Die Kostenerhöhung haben Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Baumaßnahme „B 96n auf Rügen“. Der Bau des nördlichen Teilstückes der B 96n wird zunächst zurückgestellt . Der Baubeginn ist noch offen. Zu b) Die Fertigstellung des Abschnitts von der Anschlussstelle (AS) Altefähr bis AS Samtens Ost war ursprünglich für 2013 vorgesehen und wird voraussichtlich 2015 erfolgen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1425 7 9. Aufgrund welcher gesetzlichen Vorschriften musste nachträglich eine Trassenoptimierung aus naturschutzrechtlicher Sicht vorgenommen werden? a) Welche Verzögerung ist dadurch entstanden? b) Welche Kosten sind dadurch entstanden? c) Welche Maßnahmen waren seitens des Landes und der Kommu- nen zur Anpassung an die neue Situation erforderlich? Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte zwischenzeitlich die künftige Gebietskulisse der Vogelschutz- und Naturschutzgebiete in einem eigenständigen Verfahren identifiziert und der EU-Kommission in Brüssel gemeldet. Vor allem die Erweiterung des nördlich liegenden Vogelschutzgebietes „Nordvorpommersche Boddenlandschaft/Nördlicher Strelasund“, das nunmehr bis an die alte B 96 erweitert wurde, zog umfangreiche Optimierungen der Straßentrasse nach sich. Auch die im Dezember 2007 erfolgte Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148), hatte unter nochmaliger Überprüfung der strengen Verbotstatbestände des Artenschutzes, auch der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, umfangreiche Folgen für die Trasse. Die naturschutzfachlichen Verträglichkeitsprüfungen kommen unter Berücksichtigung der erheblichen Trassenoptimierungen (zum Beispiel Trog, Achsverschiebungen und Verwal- lungen) zu dem Ergebnis, dass das geplante Vorhaben nicht zu erheblichen Beeinträchti- gungen der Natura 2000 Gebietskulisse in ihren für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führt. Zu a) Verzögerungen sind aufgrund des außergewöhnlich langen Zeitraumes für das Planfest- stellungsverfahren (2005 bis 2010) aufgetreten. Im Durchschnitt beträgt für die VDE-Projekte (Verkehrsprojekte Deutsche Einheit) die Laufzeit eines Planfeststellungsverfahren ca. 1 ½ Jahre. Zu b) Angaben zu den entstandenen Kosten liegen in aufbereiteter Form nicht vor. Zu c) Keine. Drucksache 6/1425 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 8 10. Welche Verzögerungen entstanden durch die Anhörung von Betroffe- nen und Trägern öffentlicher Belange im Zuge der Planung und des Genehmigungsverfahrens? a) Welche dieser Verzögerungen sind dabei als vermeidbar, z. B. durch Klagen, einzustufen? b) Welche dieser Verzögerungen dienten dazu, die vorgeschriebene Beteiligung zu ermöglichen, und waren damit unvermeidbar? Die Fragen 10, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Seitens der Träger öffentlicher Belange sowie Privater waren geringfügige Plananpassungen notwendig, die keine großen Verzögerungen hervorgerufen haben. Weiterhin waren Forderungen der Naturschutzverbände (BUND - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. und NABU - Naturschutzbund Deutschland e. V.) in der weiteren Planung zu prüfen beziehungsweise zu berücksichtigen. Die aktuelle Rechtsprechung im Naturschutz hat sich im Laufe der Jahre ständig modifiziert. Die naturschutzrechtlich begründeten Optimierungen in der Linienführung der B 96n waren an die aktuelle Rechtsprechung und aufgrund der hohen Anforderungen an den Gebiets- und Artenschutz stets anzupassen.