Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 21. Januar 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1438 6. Wahlperiode 22.01.2013 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Helmut Holter, Fraktion DIE LINKE Existenzgründungen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Seit der vergangenen Legislatur ist die Förderung von Existenzgrün- dungen neu ausgerichtet worden. Sie ist nun modular aufgebaut. Seit dieser Legislatur liegen die Zuständigkeiten in zwei Fachministerien. 1. Wie viele Unternehmen (gewerblich und freiberuflich) sind seit 2007 jährlich in Mecklenburg-Vorpommern gegründet bzw. abgemeldet worden (bitte nach Unternehmensgröße und Branchen aufschlüsseln)? Die Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Landesamtes Mecklenburg-Vorpommern weist keine Statistiken explizit für Existenzgründungen aus. Erfasst werden hier unter Gewerbeanzeigen/Gewerbeanmeldungen unter anderem Neugründungen sowie Gewerbe- abmeldungen insgesamt ohne freie Berufe. Eine Unterscheidung nach Unternehmensgröße wird hierbei nicht ausgewiesen: Drucksache 6/1438 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Quelle: Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1438 3 2. Wie viele Existenzgründerinnen und Existenzgründer wurden über welche Form der Personenförderung aus dem ESF seit 2007 jährlich gefördert (Aufstellung bitte nach Jahresscheiben)? Die ESF-Förderung zur Qualifizierung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern erfolgt seit dem Jahr 2008 über die „Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungen für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen durch Bildungsschecks“ vom 20. Dezember 2010 (AmtsBl. M-V 2011, S. 09): Jahr Anzahl Personen 2008 208 2009 1.061 2010 1.156 2011 1.092 2012 876 Auf Basis der Richtlinien vom 16.11.2004 und 27.01.2009 zur Förderung von Existenz- gründerinnen und Existenzgründern durch Gewährung von Mikrodarlehen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Mecklenburg-Vorpommern wurden seit 2007 jährlich Existenzgründungen wie folgt gefördert: 2007 2008 2009 2010 2011 2012 156 144 129 119 105 69 Nachdem die Mittel des revolvierenden Mikrodarlehensfonds Ende 2008 einmal „umgeschlagen “ sind, handelt es sich hierbei um Landesmittel und nicht mehr um ESF-Mittel, so dass diese Förderung seit Januar 2009 nicht mehr im ESF-Monitoring erfasst wird. 3. Wie viele der nach Frage 2 geförderten Existenzgründerinnen und Existenzgründer sind drei Jahre nach ihrer Existenzgründung noch tätig, d. h. haben sich auf dem Markt etabliert (Aufstellung bitte nach Jahresscheiben)? Hinsichtlich der mit einem Mikrodarlehen geförderten Existenzgründungen können zum Verbleib dieser Gründungen auf dem Markt folgende Aussagen getroffen werden: Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Mikrodarlehens- Bewilligung 156 144 129 119 105 69 Verbleib dieser Gründungen am Markt 109 96 87 77 86 69 Drucksache 6/1438 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Für die Beantwortung der Frage hinsichtlich der Qualifizierungsförderung von Existenzgrün- dungen wird auf die Ergebnisse einer Evaluierung der Gründungsförderung aus dem Europäischen Sozialfonds zurückgegriffen. Im Rahmen der Evaluierung wurden Anfang 2012 diejenigen Personen schriftlich befragt, die von Mitte 2008 bis Mitte 2009 Bildungsschecks für die Qualifizierung beziehungsweise die Beratung und Begleitung (im Rahmen der Richtlinie C.1.1) erhalten haben. Die Befragung ergab, dass zweieinhalb bis drei Jahre nach dem Gründungszeitpunkt noch 75 Prozent der von den geförderten Personen vorgenommenen Gründungen fortbestanden. Frauen und Männer weisen annähernd gleich hohe Stabilitäts- quoten auf. Im Jahr 2013 wird eine erneute Befragung von Empfängerinnen und Empfängern der Bildungsschecks durchgeführt, sodass dann Aussagen zu Jahresscheiben möglich sein werden. 4. Wie verhält sich der Anteil der am Markt bestehenden Existenz- gründungen bzw. der Aufgaben nach Existenzgründung a) im Vergleich zu anderen Bundesländern, b) im Vergleich zu anderen EU-Ländern und wie werden etwaige Unterschiede begründet? Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor. 5. Worin liegen die Hauptgründe, die Existenzgründerinnen und Existenzgründer zur Aufgabe zwangen? Bei der Befragung der mit den Bildungsschecks geförderten Personen (siehe Antwort zu Frage 3), wurden auch die Gründe für die Aufgabe der selbstständigen Existenz erhoben. Als häufigste Gründe wurden zu hohe Kosten (58 Prozent der Betroffenen), eine schlechte Auftragslage (52 Prozent der Betroffenen) und die Aufnahme einer Beschäftigung als Arbeiternehmer beziehungsweise als Arbeitnehmerin (45 Prozent der Betroffenen, Mehrfach- nennungen möglich) genannt. 1 1 Vgl.: Unternehmensgründung: Das Risiko lohnt sich für viele. DIW-Wochenbericht 4-2012. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1438 5 6. Welcher Anteil der Existenzgründungen erfolgte aus einer vorhan- denen beruflichen Tätigkeit damit aus der Arbeit heraus und wie hoch ist der Anteil der Gründungen aus der Arbeitslosigkeit oder der Nicht- berufstätigkeit? Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor. Nach den Richtlinien zur Förderung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern durch Gewährung von Mikrodarlehen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Mecklenburg-Vorpommern wurden seit 2007 insgesamt 743 Darlehen für Gründerinnen und Gründer bewilligt, davon kamen 601 Personen aus der Arbeitslosigkeit. Für die nach der Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungen für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen durch Bildungsschecks geförderten Gründerinnen und Gründer ergibt sich folgendes Bild: Jahr Anträge gesamt davon Berufstätige Arbeitslose sonstige 2008 208 42 151 15 2009 1.061 167 866 28 2010 1.156 224 900 32 2011 1.092 270 782 40 2012 876 298 517 61 7. Wie beurteilt die Landesregierung die vom Land vorgenommene Neu- ausrichtung der Gründerförderung in Bezug auf deren Wirksamkeit? a) Wie haben sich die einzelnen Instrumente/Maßnahmen bewährt bzw. nicht bewährt und b) welche Schlussfolgerungen werden gezogen für die kommende EU-Förderperiode bzw. in Hinblick auf die einzelnen Förder- instrumente/-maßnahmen? Die Neuausrichtung der Gründerförderung in der vergangenen Legislaturperiode hat sich als eine notwendige und richtige Entscheidung erwiesen, die zu einem effizienteren Mitteleinsatz und zu mehr Nachhaltigkeit in der Gründungsförderung führte. Drucksache 6/1438 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Zu a) Bis 2007 war es zum Beispiel üblich, dass einzelne Bildungsdienstleister eine Projektförde- rung erhielten, um Gründer zu qualifizieren. Die Qualifizierungsanbieter suchten dann im Land nach Gründungsinteressierten beziehungsweise Gründungswilligen, die sich in einem Qualifizierungsprojekt qualifizieren wollten. Seit der Neuausrichtung der Gründungsförderung im Jahr 2008 suchen nicht mehr die Bildungsdienstleister die in einem Projekt zu qualifizierenden Gründer. Seit 2008 erhalten die Gründungsinteressierten nach einer individuellen Bedarfsanalyse (Erstberatung) Bildungs- schecks und entscheiden dann als Kunden selbständig, welche Qualifizierungsmodule sie bei welchem Anbieter belegen. Damit entstand ein modular abgestimmtes Angebot für den individuellen Bedarf der Gründer, die sich nunmehr selber aussuchen, welche Module sie bei welchem Anbieter in Anspruch nehmen. Die Förderung der Qualifizierung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern in der Vorgründungsphase soll das Qualifikationsniveau der Gründer sowie die Nachhaltigkeit der beabsichtigten Gründung erhöhen. Ausgangspunkt entsprechender Qualifizierungsmaß- nahmen sind die Bedarfe, die bei der Erstberatung der jeweiligen Gründerinnen und Gründer definiert werden. In den anerkannten zentralen Anlaufstellen (Industrie- und Handels- kammern, Handwerkskammern) erfolgt diese kostenlose wegweisende Erstberatung der Gründungsinteressierten. Die genannten zentralen Anlaufstellen stehen insofern für das Ziel einer Qualitätsverbesserung der Existenzgründerförderung, weil sie nach gemeinsam vereinbarten Qualitätskriterien arbeiten und somit Standards für die Qualität der Beratung setzen. Die Förderung ermöglicht es den Gründern, fachliche Defizite vor dem Hintergrund der angestrebten Nachhaltigkeit der Existenzgründung rechtzeitig zu beheben. Bestandteil der - modular aufgebauten – Existenzgründungsförderung des Landes im speziell für Existenzgründer aufgelegten Förderprogramm des Landes und des Programms „Arbeit durch Bildung und Innovation“ ist zudem die Förderung des Unternehmergeistes. Die Förderung des Unternehmergeistes in diesem umfassenden Sinn setzt im Vorfeld einer Existenzgründung an, sie zielt auf die Stärkung der Kultur der wirtschaftlichen Selbst- ständigkeit. Die Maßnahmen zur Förderung des Unternehmergeistes richten sich vor allem darauf, in der Öffentlichkeit des Landes das Klima für Existenzgründungen zu verbessern und das Bewusstsein für Selbständigkeit und Eigenverantwortung als Alternative zur abhängigen Beschäftigung zu stärken. Mit dieser Förderung soll das Bild des Unternehmers und des Unternehmertums in der Öffentlichkeit positiv beeinflusst werden. Unternehmerische Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten werden in der sich auf Eigeninitiative gründenden Wissensgesellschaft mehr als zuvor gebraucht. Innovatives Vorgehen in der Problemlösung, die Bereitschaft zur Veränderung, Selbstvertrauen und Kreativität sind Attribute, die für eine positive Geisteshaltung zum Unternehmertum stehen. Insbesondere bei jungen Menschen soll unternehmerisches Denken und Handeln möglichst frühzeitig gefördert werden, ganz unabhängig davon ob ihre eigene konkrete berufliche Zukunft nun in der Selbständigkeit oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis liegt. Beispiele erfolgreichen Unternehmer- tums sollen breit kommuniziert werden. Zielgruppen für die Maßnahmen finden sich deshalb insbesondere in Schulen und Hochschulen. Mit einer Reihe von Maßnahmen wird auf diesem Wege gründungsrelevantes Wissen und Können frühzeitig und erfolgreich vermittelt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1438 7 Zu b) Hinsichtlich der Ausrichtung der Förderung von Existenzgründungen in der kommenden EU-Förderperiode befindet sich die Landesregierung derzeit noch in der Planungsphase. 8. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus Sicht der Landes- regierung durch die Splittung der Gründerförderung des Landes auf mindestens zwei Ministerien und was hat sich dadurch in der kon- kreten Abwicklung verändert (beim LFI, Bildungsträgern etc., Grün- dungswilligen)? Im Zuge der Neustrukturierung der Ressorts am Beginn dieser Legislatur wurden alle Förderinstrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die Erwerbslosigkeit beenden oder verhindern helfen, in der Abteilung Arbeit des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales zusammengeführt. Die Existenzgründerqualifizierungsförderung mit den Bildungs- schecks und die Förderung von Existenzgründungen mit Mikrodarlehen ermöglicht es Gründern, die zumeist aus der Erwerbslosigkeit kommen, ihre Subsistenz selbst zu erwirtschaften und sich vom Transfereinkommen zu lösen. Die administrativen Synergie- effekte der Konzentration der Arbeitsmarktförderung in einer Abteilung liegen auf der Hand. Eine enge Ausrichtung der Förderung des Unternehmergeistes an der Wirtschaftspolitik legte andererseits einen Verbleib dieser Förderung im Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus nahe. In der konkreten Abwicklung der Förderung beim Landesförderinstitut (LFI), den Bildungs- trägern und bei den Gründungswilligen haben sich hingegen keine Änderungen ergeben. 9. Welche Fördermöglichkeiten finanzieller und sonstiger Art (beispiels- weise über KfW Förderbank, Arbeitsagentur, Jobcenter) gibt es außer der Gründerförderung des Landes aktuell speziell für Gründungs- willige? Aktuelle Informationen zu den relevanten Fördermöglichkeiten finden sich unter: - www.gruender-mv.de, - auf den Seite des BMWI: www.existenzgruender.de und www.foerderdatenbank.de, - auf der Seite der Bundesagentur für Arbeit: www.arbeitsagentur.de/nn_26400/Navigation/zentral/Buerger/Hilfen/Existenzgruendung/E xistenzgruendung-Nav.html und - auf der KFW-Seite: https://gruenden.kfw.de/inter-lt-gruendungwar /html/finanzierungsangebote/gruendercoaching-gcd/. Drucksache 6/1438 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 8 10. Wie haben sich die Rahmenbedingungen für Gründungswillige seit 2005 verändert in Bezug auf den Rechtsanspruch zur Förderung, Höhe und Dauer der Förderung sowie Rückkehr in soziale Sicherungs- systeme und wie bewertet die Landesregierung diese Änderungen? In den letzten zehn Jahren wurden Existenzgründer mit den verschiedensten Förderangeboten umworben 2 . Angesichts einer damals sehr hohen und anhaltenden Arbeitslosigkeit wurde vor allem die Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit durch die Bundesagentur für Arbeit mit dem Überbrückungsgeld und dem Existenzgründerzuschuss zur Gründung einer Ich-AG, später mit dem Gründungszuschuss stark gefördert. Anfang 2012 wurde dieses erhöhte Förderengagement des Bundes zur Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit deutlich zurückgefahren, indem der Rechtsanspruch auf einen Gründungszuschuss in eine Ermessensleistung umgewandelt und mit einem geringeren Budget versehen wurde. Aus der Sicht Mecklenburg-Vorpommerns ist diese Umsteuerung des Bundes bedauerlich. In vielen strukturschwachen Regionen des Landes fehlt damit auch in Zeiten wachsender Fachkräf- tebedarfe und konjunktureller Belebung eine wichtige Fördermöglichkeit zum Ausstieg aus der Arbeitslosigkeit. 2 Vgl.: Solo-Selbständige. Die Förderung bewährt sich, der soziale Schutz nicht immer. IAB-Kurzbericht 23/2012