Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 14. Januar 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1442 6. Wahlperiode 15.01.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Geschlechtsbewusste Jungen- und Mädchenpädagogik in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung 1. Hält die Landesregierung die „Bildungskonzeption für 0 bis 10-jährige Kinder in Mecklenburg-Vorpommern“ sowie die Rahmenkonzeption „Berufe haben kein Geschlecht“ (Drucksache 5/4089) als Handreichung für die Umsetzung des geschlechtersensiblen Ansatzes durch die pädagogischen Fachkräfte in Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und in der Kinder- und Jugendsozialarbeit für ausreichend? 2. Wenn ja, auf welcher Grundlage beruht diese Einschätzung? 3. Wenn nein, in welchen Bereichen wird Handlungsbedarf gesehen und wie sollen die Bedarfe gedeckt werden? Die Fragen 1, 2 und 3 werden zusammenhängend beantwortet. Ja, das Anliegen einer genderbezogenen frühkindlichen Bildung und Erziehung wurde durch die Einführung der „Bildungskonzeption für 0- bis 10-jährige Kinder in MecklenburgVorpommern “ aufgegriffen und umgesetzt. Der geschlechtersensible Ansatz war und ist durchgängiges Leitprinzip bei der Erarbeitung der einzelnen Kapitel im Sinne der individu- ellen Bildung, Erziehung und Betreuung. Die Bildungskonzeption stellt das einzelne Kind in den Mittelpunkt. Lernen und Bildung wird als ein sozialer Prozess verstanden, in dem (neben anderen Faktoren) auch das Geschlecht des Kindes Berücksichtigung findet. In allen Kapiteln der Bildungskonzeption finden sich eine Reihe von allgemeinen, inhaltlichen und metho- dischen Anregungen und Hinweisen zur Umsetzung des geschlechtersensiblen Ansatzes der individuellen Förderung. Drucksache 6/1442 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Insofern stellt die Bildungskonzeption eine fachliche und methodische Grundlage für die Umsetzung des geschlechtersensiblen Ansatzes in der frühkindlichen Bildung dar. Die Rahmenkonzeption „Berufe haben kein Geschlecht“ zeigt auf, dass der Gedanke der Geschlechtergerechtigkeit von der Kindertageseinrichtung über die Grundschulen, die allgemeinbildenden Schulen, beruflichen Schulen, Gymnasien bis hin zu den Hochschulen greifen muss, wenn Mädchen und Frauen für frauenuntypische Berufe sowie Jungen und Männer für männeruntypische Berufe interessiert und gewonnen werden sollen. Sie verweist auf bereits eingeleitete Maßnahmen und Projekte sowie künftige Perspektiven zur Über- windung der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes und des Fachkräfte- mangels. Die Rahmenkonzeption macht deutlich, dass für Lehrkräfte aller Schularten das Instrument des Schulprogramms eine wichtige Rolle spielt, denn es ist zugleich ein Instrument der Schulentwicklung. Da Gender Mainstreaming eine grundlegende Querschnittsaufgabe für alle Bereiche schulischen Handelns sein soll, muss diese Strategie im Schulprogramm Eingang finden. 4. Auf welche Konzeption bzw. Vorgabe können sich Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen für die Umsetzung des geschlechtersensiblen Ansatzes in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ab dem 10. Lebensjahr berufen? In den Rahmenplänen der einzelnen Schularten sowie Fächern ist die Thematik der gendergerechten Bildung und Erziehung verankert. 5. Welche Vorgaben zur Umsetzung einer geschlechtsbewussten Päda- gogik auf der Grundlage des SGB VIII, KJHG (§ 9 Ziffer 3) und des Kinder- und Jugendprogrammes Mecklenburg-Vorpommern gibt es für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit, zum Beispiel in Jugendclubs? Für alle Fördermaßnahmen nach dem Landesjugendplan sind die Vorgaben aus dem Kinder- und Jugendprogramm Mecklenburg-Vorpommerns auf der Grundlage des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), insbesondere § 9 Ziffer 3, als Bedingung für eine Förderung gesetzt worden. Für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit und die Jugendclubs, sofern sie nicht durch das Land gefördert werden, sind nach § 85 SGB VIII die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig. Auch sie haben ihre Leistungen an den Grundlagen des § 9 Ziffer 3 SGB VIII auszurichten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1442 3 6. Welche Angebote für Fort- und Weiterbildungen zum Thema geschlechtersensible pädagogische Arbeit mit Jungen und Mädchen gibt es für pädagogische Fachkräfte in den Bereichen Kindertages- betreuung, Schule und Kinder- und Jugendsozialarbeit? Für die Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen sind laut § 11a Absatz 2 und 3 Kindertagesförderungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (KiföG M-V), die Träger der Kindertageseinrichtungen verantwortlich. In der Regel nutzen die Fachkräfte hierfür die Angebote der Weiterbildungseinrichtungen des Landes. Die Bildungsstätte der Jugendhilfe Schabernack e. V. hat in den letzten Jahren Fortbildungen und auch Tagungen zum Thema geschlechterbewusste Arbeit durchgeführt. Es gab eine zertifizierte Kursreihe zur Mädchenarbeit. Zielgruppe waren die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern. Themenschwerpunkte der Weiterbildungen waren: - Sozialisationsprozesse von Mädchen und Jungen, - geschlechtsspezifische Entwicklungs- und Erziehungsprozesse, - Blick auf die Praxis: geschlechtsspezifische Arbeit in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, sowohl im Bereich Kindertagesstätten als auch in den Hilfen zur Erziehung und in der Jugendarbeit, - Konzepte (beispielsweise Gender Mainstreaming), - Modellprojekte der Mädchenarbeit, - Konzepte, Ziele und Methoden einer geschlechtersensiblen Pädagogik, - geschlechtsspezifische Berufsorientierung. Durch das Beratungs- und Unterstützungssystem des Instituts für Qualitätsentwicklung Mecklenburg-Vorpommern (IQ M-V) und durch gezielte Fortbildungsangebote des IQ M-V für Lehrkräfte aller Schularten wird der Gedanke der genderkonformen Unterrichts- entwicklung vorangetrieben. Insbesondere Fortbildungen zu Themen wie Kommunikation, Mobbing, Krisenmanagement, Umgang mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern, Selbstbehauptung, soziale Kompetenz, Mediation, Umgang mit Heterogenität unter anderem tragen zur Förderung des genderkonformen Gedankens bei. Themenschwerpunkte in den Fortbildungen der Kontaktlehrkräfte für Berufs- und Studien- orientierung sind unter anderem geschlechtsspezifische Merkmale bei der Berufswahl sowie die geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen in der Berufs- und Arbeitswelt. Drucksache 6/1442 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 7. Wie viele Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen haben in den Jahren 2006 bis 2012 in welchem Umfang an Fort- und Weiterbildungs- möglichkeiten zu dem Thema teilgenommen? § 11a Absatz 2 und 3 KiföG M-V regelt, dass Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig in angemessenem Umfang an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen haben. Zu welchen Themen, liegt im Verantwortungsbereich der Träger von Kindertageseinrichtungen beziehungsweise der Einrichtungen selbst und wird durch die Landesregierung nicht erfasst. Für die Lehrkräftefortbildung in Mecklenburg-Vorpommern kann für den genannten Zeitraum keine konkrete Anzahl von Veranstaltungen und Teilnehmerinnen und Teilnehmern angegeben werden, die sich ausschließlich mit Genderinhalten beschäftigen. Im Rahmen einer geschlechtersensiblen Berufsorientierung gab es 2012 ein Fortbildungsangebot für Lehrkräfte, bestehend aus vier Seminaren. Für das Jahr 2013 sind weitere vier Seminare und eine Fachtagung geplant. Der Gendergedanke ist bei der Konzeptionierung und Planung von Fortbildungsveran- staltungen für Lehrerinnen und Lehrer jedoch immanent vertreten. Es wird grundsätzlich darauf geachtet, dass die notwendige Adressatenbezogenheit des Lehrangebots auch die Sensibilität im Umgang mit geschlechtsspezifischen Besonderheiten einschließt. Das betrifft sowohl die Lehrgangsteilnehmerinnen und Lehrgangsteilnehmer selbst als auch Schülerinnen und Schüler als die eigentliche Zielgruppe der Lehrerfortbildung. Die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte des Landes Mecklenburg-Vorpommern werden grundsätzlich genderkonform veröffentlicht und durchgeführt. Zur Absicherung des Handelns in diesem Sinne erfolgt in allgemeinen Fragen der Fortbildung nach § 68 Personal- vertretungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern die Beteiligung des Lehrerhaupt- personalrates sowie die Einbindung der Gleichstellungsbeauftragten (Schulen). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Im Bereich der Jugendhilfe liegen der Landesregierung keine konkreten Daten vor. 8. Mit welchen Maßnahmen wurde der Beschluss des Landesjugend- hilfeausschusses vom 22. April 2010 zu diesem Thema umgesetzt? Im Rahmen der vom Land geförderten Maßnahmen im Bereich der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Hinsichtlich der vom Landesjugendhilfeausschuss geforderten finanziellen Absicherung der Genderfachstelle der Jugendhilfe Mecklenburg-Vorpommern ist eine Weiterfinanzierung aus dem Landesjugend- plan nach Ablauf der Modellphase nicht möglich. 9. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, ob und inwiefern im Bereich der erzieherischen Hilfen eine geschlechtersensible Arbeit zur Anwendung kommt? Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1442 5 Die Jugendhilfeträger sind auch im Bereich der erzieherischen Hilfen nach § 9 Ziffer 3 SGB VIII verpflichtet, die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berück- sichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung zu fördern. Konkrete Angaben über einzelne Umsetzungskonzepte liegen der Landesregierung nicht vor.