Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 5. Februar 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1507 6. Wahlperiode 06.02.2013 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten David Petereit, Fraktion der NPD Ehemalige politische Häftlinge der DDR und ANTWORT der Landesregierung Wie NDR 1 Radio MV am 09.01.2012 unter Berufung auf den aktuellen Jahresbericht der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen mitteilte, bekommen ehemalige politische Häftlinge der DDR kaum Entschädigung für ihre verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden. Von rund 900 Anträ- gen auf Entschädigung hätten die Versorgungsämter im Land lediglich 100 bewilligt. Nicht immer seien die Gutachter ausreichend qualifiziert, um das Leid der Antragsteller bewerten zu können. So müssten sie über Kenntnisse der Repressionspraktiken in der SBZ und der DDR verfügen. Außerdem würden die Antragsteller in der normalen Psychiatrie begut- achtet - mit Gittern vor den Fenstern und Türen, die von innen nicht zu öffnen seien. 1. Wer wählt die Gutachter aus? Die Gutachterinnen und Gutachter werden gemäß § 62 Sozialgesetzbuch I (SGB I) von der Versorgungsverwaltung bestimmt. Die Auswahl der fachspezifischen Gutachterinnen und Gutachter erfolgt üblicherweise durch die zuständigen Versorgungsärzte. Drucksache 6/1507 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Nach welchen Kriterien werden sie ausgewählt bzw. welche Anforde- rungen müssen die Gutachter erfüllen? Die Gutachterinnen und Gutachter werden in erster Linie entsprechend der geltend gemachten Schädigung nach medizinisch-fachlichen Kriterien ausgewählt. Weiterhin muss die besondere Eignung zur Begutachtung in den Verfahren nach den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz und Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz) vorhanden sein, das heißt, sie müssen in der Lage sein, Kausalitätsgutachten zu erstellen. 3. Werden den Gutachtern Kenntnisse über die Repressions-Praktiken in der SBZ und der DDR vermittelt? a) Inwieweit sind solche Kenntnisse Grundvoraussetzung dafür, Gut- achten für Entschädigungsansprüche politisch Verfolgter erstellen zu dürfen? b) Welche konkreten Kenntnisse über Repressions-Praktiken werden vermittelt? c) Wer vermittelt die Kenntnisse? Wegen der in der Antwort zu Frage 2 genannten besonderen Eignung, die vorhanden sein muss, erfolgt keine gesonderte Vermittlung. Zu a) Die Kenntnisse der Repressions-Praktiken stellen eine der Grundvoraussetzungen zur Kausalitätsbegutachtung dar. Zu b) Die Kenntnisse über die Repressions-Praktiken werden nicht gesondert vermittelt. Für jede Kausalitätsbegutachtung ist es selbstverständlich, dass sich die Gutachterin oder der Gutachter mit den dafür notwendigen historisch belegten und wissenschaftlichen Grundlagen intensiv beschäftigt. Zu c) Siehe Antwort zu Frage b). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1507 3 4. Entspricht es den Tatsachen, dass die Antragsteller in herkömmlichen psychiatrischen Einrichtungen begutachtet werden, die durch vergit- terte Fenster sowie Türen, die von innen nicht zu öffnen sind, geprägt sind? In wenigen Einzelfällen kam es an einem Klinikstandort in Mecklenburg-Vorpommern zu Begutachtungen in Räumen mit Gittern vor den Fenstern. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern hat den betreffenden Gutachter mehrfach um Nutzung anderer geeigneter Räume gebeten. Dazu sah er sich nicht in der Lage. Aus diesem Grund hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern im Frühjahr 2012 die Zusammenarbeit mit diesem Gutachter beendet. 5. Wie hoch ist die Zahl sogenannter Altfälle? Unter dem Begriff „Altfälle“ werden seitens der Landesregierung die Fälle verstanden, in denen das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. In Mecklenburg-Vorpommern wurden bislang insgesamt 623 Anträge (Stand: Dezember 2012) nach den SED-Unrechtsbereini- gungsgesetzen gestellt. Davon sind 606 (97,3 Prozent) abschließend bearbeitet. Eine Anerkennung mit Rentenzahlung und Heil- und Krankenbehandlung erhielten 16 Prozent der Antragstellerinnen und Antragsteller. 6. Wie positioniert sich die Landesregierung zu der von der Landesbe- auftragten geäußerten Meinung, ähnlich wie bei der Entschädigung der Kriegsopfer eine Umkehr der Beweislast einzuführen, indem die Geschädigten die Möglichkeit erhielten, ihre Gesundheitsschäden ohne Extra-Gutachten einfach glaubhaft machen zu können? Inwieweit wird die Landesregierung in diesem Sinne tätig werden? Die Entschädigung der Kriegsopfer erfolgt nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), das für das gesamte Soziale Entschädigungsrecht von zentraler Bedeutung ist. Bei der in der Frage genannten Entschädigung der Kriegsopfer gilt wie im gesamten Sozialen Entschädigungsrecht der Grundsatz der objektiven Beweislast und keine Umkehr der Beweislast. Die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze sind in das System des Sozialen Entschädigungsrechts integriert und unterliegen damit unabdingbar der Kausalitätstheorie und dem Grundsatz der objektiven Beweislast. Die Regelung des BVG, dass zur Anerkennung einer Gesundheits- störung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügt, ist in das Strafrechtliche und Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz ausdrück- lich aufgenommen worden. Drucksache 6/1507 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Nach dem BVG ist eine Schädigungsfolge dann gegeben, wenn mehr für einen Kausal- zusammenhang spricht als dagegen („einfache Wahrscheinlichkeit“). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab für Schädigungsfolgen ist bereits recht weitgehend und gilt im Sozialen Entschädigungsrecht für alle Berechtigten nach den genannten Gesetzen, die auf das BVG verweisen (zum Beispiel für Wehrdienstbeschädigte, Gewaltopfer und Opfer von Impf- schäden). Die Vorschriften über die Beweiserleichterung im Sozialen Entschädigungsrecht gelten auch für die Opfer von DDR-Unrecht und werden von der Versorgungsverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern angewendet. Zu diesen Beweiserleichterungen zählt die Möglich- keit der Glaubhaftmachung, deren Voraussetzungen in § 15 des Gesetzes über das Verwal- tungsverfahren der Kriegsopferversorgung geregelt sind. Den vorhergehenden Ausführungen zufolge wird keine Möglichkeit gesehen, vom Grundsatz der im gesamten Sozialen Entschädigungsrecht geltenden objektiven Beweislast abzuwei- chen. Somit besteht kein Handlungsbedarf für die Landesregierung. 7. Wie positioniert sich die Landesregierung zu der von der Landesbe- auftragten geäußerten Forderung, sogenannte Altfälle noch einmal aufzurollen? Inwieweit wird die Landesregierung in diesem Sinne tätig werden? Eine durch ein Schreiben des damaligen Bundeskanzlers an alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder initiierte bundesweite Überprüfung aller getroffenen Entscheidungen begann in Mecklenburg-Vorpommern durch die Versorgungsverwaltung im Jahr 1999 und wurde im Jahr 2001 abgeschlossen. Im Ergebnis war in Mecklenburg- Vorpommern lediglich eine Entscheidung der Versorgungsverwaltung zu korrigieren Bereits im Jahr 1994 wurde beim damaligen Landesversorgungsamt eine zentrale Arbeits- gruppe „SED-Unrechtsbereinigungsgesetz“ gebildet, um eine korrekte Arbeitsweise bei der Bearbeitung der Anträge und eine einheitliche Beurteilung in Mecklenburg-Vorpommern zu gewährleisten. Am 1. November 2009 wurden die Aufgaben der Arbeitsgruppe, das heißt, die Bearbeitung der Anträge, die Erstentscheidungen und Abhilfeprüfungen in der Versorgungsverwaltung zentralisiert, damit auch bei nachlassendem Antragseingang eine einheitliche, den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls Rechnung tragende Sachverhaltsaufklärung und Rechtsanwendung sichergestellt werden konnte. Durch die erfolgte Zentralisierung wird eine hohe Qualität bei der Bearbeitung gewährleistet. Aus diesem Grund sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf für eine erneute Überprüfung.