Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 21. März 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1590 6. Wahlperiode 22.03.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Provenienzforschung zu NS-Raubgut und ANTWORT der Landesregierung Zahlreiche Museen, Bibliotheken, Archive und andere Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland weisen in ihren Beständen Kulturgüter auf, die ihren Eigentümern während der nationalsozialistischen Herrschaft unrechtmäßig entzogen wurden (NS-Raubgut). Hinzu kommen viele weitere Gegenstände, die mutmaßlich als NS-Raubgut betrachtet werden müssen, deren Herkunft aber bislang ungeklärt ist. Dieses Problem betrifft auch Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern, nur ein Teil von ihnen betreibt jedoch eine entsprechende Provenienzforschung. 1. In welchen Museen, Bibliotheken, Archiven, Depots und anderen über Kulturgüter verfügenden Einrichtungen des Landes, in Landesträgerschaft , mit Landesbeteiligung oder mit maßgeblicher Landesförderung (z. B. Stiftungen) wurden die Bestände bereits auf mögliches NSRaubgut geprüft (bitte angeben, ob die relevanten Bestände teilweise oder vollständig geprüft wurden)? a) In welchen dieser Einrichtungen wurden NS-Raubgüter oder mut- maßliche NS-Raub-güter in den Beständen nachgewiesen? b) Um welche Kulturgüter handelt es sich jeweils (bitte Umfang und Art der Bestände angeben; bei hochwertigen Einzelkulturgütern bitte konkrete Angabe)? c) Für welche Einrichtungen, in denen bisher nur Teilprüfungen durchgeführt wurden, sind weitere Forschungen geplant? Für das Staatliche Museum Schwerin hat eine systematische Überprüfung stattgefunden. Im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege führten bisherige Überprüfungen stets zu einem negativen Ergebnis. Für die Bestände der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow erfolgte ebenfalls eine vollständige Prüfung. Drucksache 6/1590 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die Stiftung Mecklenburg war bis 2009 in Schleswig-Holstein ansässig und wird seit 2010 durch das Land Mecklenburg-Vorpommern gefördert. Die Überführung ihrer Bestände nach Mecklenburg-Vorpommern konnte erst 2012 abgeschlossen werden. Bisher wurden keine Prüfungen auf NS-Raubgut vorgenommen. Das Technische Landesmuseum in Wismar, das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund und das Pommersche Landesmuseum in Greifswald sind weitere Einrichtungen mit maßgeblicher Landesbeteiligung. Deren Museumsbestände kommen aufgrund des Sammlungsbestandes beziehungsweise des Gründungsdatums für die Überprüfung hinsichtlich NS-Raubgutes nicht in Frage. Bezüglich der Universitätsbibliotheken und -archive liegen der Landesregierung keine Hinweise auf NS-Raubgut vor. Die Fragen 1 a) und 1 b) werden zusammenhängend beantwortet. Staatliches Museum Schwerin Forschungen der 1990er Jahre bis 2001: Der prominente Fall der Restitution von drei Kunstobjekten aus der jüdischen Kunstsammlung der Hamburgerin Emma Budge initiierte die seit den 1990er Jahren im Staatlichen Museum Schwerin begonnenen Recherchen, die Zugänge zwischen 1933 und 1945 auf mögliche jüdische Vorbesitzer zu überprüfen. Im August 2001 wurde eine Aufstellung von Kunstwerken ungeklärter Provenienz im Internet (http://www.museum-schwerin.de/wpcontent /uploads/2010/10/Erwerbungen-und-Zug%C3%A4nge-1933-1945.pdf) veröffentlicht. Diese Liste wurde bei der Koordinierungsstelle Magdeburg gemeldet und in deren Datenbank „Lost Art“ eingelesen. Forschungen 2009 bis 2013: Unter der Leitung der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und -forschung (AfP) beim Institut für Museumsforschung in Berlin wurden vom Februar 2009 bis zum Januar 2013 zwei große Forschungsprojekte am Staatlichen Museum Schwerin initiiert, die den gesamten Bestand von 1933 bis 1945 erneut prüften. Mit der Bearbeitung wurde eine externe Kunsthistorikerin beauftragt, um sich ausschließlich diesem ausgesprochen wichtigen Forschungsfeld zu widmen. Aktueller Stand der Provenienzforschung (Februar 2013): Die Zahl der Kunstwerke lückenhafter Provenienz beläuft sich auf 760 (darunter circa 500 Münzen und Medaillen), die Zahl der Kunstwerke ungeklärter Provenienz auf 144. Bei den Kunstwerken lückenhafter und ungeklärter Provenienz muss es sich nicht automatisch um NS-verfolgungsbedingte Kulturgüter handeln, aber aufgrund von Provenienzlücken beziehungsweise keiner Provenienz ist derzeit eine jüdische Vorbesitzerin oder ein jüdischer Vorbesitzer nicht auszuschließen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1590 3 Ernst Barlach Stiftung Güstrow Bei dem Werk von Richard Haizmann „Weiblicher Bronzekopf“ (1926, Bronze) handelt es sich vermutlich um einen Restbestand von verfemter Kunst, der nach Güstrow ausgelagert war. Zu 1 c) Für die Bestände des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege wird jedem konkreten Bestandshinweis im Einzelfall nachgegangen. Bislang jedoch führten die Überprüfungen erhaltener Hinweise stets zu einem negativen Ergebnis. 2. Welche Anstrengungen wurden jeweils unternommen, um die rechtmäßigen Besitzer bzw. deren Erben von NS-Raubgut ausfindig zu machen? Auf die Antworten zu den Fragen 1, 1 a) und 1 b) wird verwiesen. 3. In welchem Umfang und wie vielen Fällen wurden als NS-Raubgut eingestufte Kulturgüter bereits an die rechtmäßigen Besitzer bzw. deren Erben zurückgegeben oder Entschädigungen gezahlt? Aus dem Zuständigkeitsbereich des Staatlichen Museums Schwerin wurden im Jahr 2001 drei Objekte restituiert. Die bisher überprüften Kulturgüter aus dem Zuständigkeitsbereich des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege waren von Restitutionen oder Entschädigungen nicht betroffen. Die Ernst Barlach Stiftung Güstrow hat den „Weiblichen Bronzekopf“ von Richard Haizmann 2007 an den ehemaligen Besitzer, das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, übergeben. 4. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu der Forderung, dass die Provenienz der in Frage 1c) angegebenen Kulturgüter grundsätzlich angegeben werden sollte, wenn die Kulturgüter der Öffentlichkeit zugänglich sind (z. B. bei Gemälden)? Soweit die Provenienzen der Kulturgüter bekannt sind, werden diese auch in den Veröffentlichungen zum Bestand dargelegt. Drucksache 6/1590 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. In welchen der in Frage 1 genannten Einrichtungen, für die das Vorhandensein von NS-Raubgut nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, wurde noch keine entsprechende Provenienzforschung betrieben? a) Aus welchen Gründen sind diese Forschungen bisher nicht erfolgt? b) Sind für die Zukunft entsprechende Maßnahmen geplant? Zu 5, 5 a) und 5 b) Die Fragen 5, 5 a) und 5 b) werden zusammenhängend beantwortet. Im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege wird es weiterhin bei entsprechenden Verdachtsfällen eine sofortige Überprüfung geben.