Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 8. Mai 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1786 6. Wahlperiode 10.05.2013 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Leseförderung und Lesekompetenz von Kindern und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie hoch waren bzw. sind in den Jahren 2012 und 2013 die für die Leseförderung von Kindern zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel des Landes? a) Welche Projekte zur Leseförderung in den Kindertagesstätten des Landes wurden und werden in den Jahren 2012 und 2013 aus Landesmitteln unterstützt? b) Welche Projekte zur Leseförderung in den Schulen des Landes wurden und werden in den Jahren 2012 und 2013 aus Landes- mitteln unterstützt? Im Jahr 2012 hat die Landesregierung im Rahmen der Aktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ mit 765,16 Euro die Gutscheine finanziert. Im Jahr 2013 wurden für denselben Zweck 684,00 Euro durch die Landesregierung ausgegeben. Weiterhin werden im Jahr 2013 für das Material der Aktion „Lesen macht stark“ 161.728,60 Euro durch die Landesregierung zur Verfügung gestellt. Zu a) Es wurden im nachgefragten Zeitraum keine Projekte zur Leseförderung in den Kindertages- stätten des Landes mit Landesmitteln unterstützt. Drucksache 6/1786 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Zu b) Mit Beginn des Schuljahres 2013/2014 wird in den Regionalen Schulen und den Gesamt- schulen des Landes in den 5. Klassen das Projekt „Lesen macht stark“ eingeführt. Ziel des Projektes ist es, Schülerinnen und Schüler, die beim Lesen Lernschwierigkeiten haben, optimal zu fördern und damit einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss zu leisten. Das Projekt wird zusammen unter anderem mit dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein durchgeführt. Den Lehrkräften wird dafür umfangreiches, didaktisch hochwertig aufbereitetes Material zur Verfügung gestellt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten eine Lesemappe. Diese Erstausstattung wird vonseiten der Landesregierung (siehe Antwort zu Frage 1) finanziert. Des Weiteren unterstützte die Landesregierung im nachgefragten Zeitraum die Aktion der Stiftung Lesen „Ich schenk dir eine Geschichte“ im Rahmen des Welttages des Buches, indem es die Finanzierung der Gutscheine (siehe Antwort zu Frage 1) übernahm und mit einem Ministerbrief die Schulen auf die Aktion hinwies. Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Jahrgänge der teilnehmenden Schulen erhielten über die Buchscheinaktion ein Jugendbuch in einer Buchhandlung ausgehändigt. 2. Wie werden die Kindertagesstätten und Schulen sowie interessierte Erzieherinnen, Erzieher und Lehrkräfte über Fördermöglichkeiten für Projekte zur Leseförderung informiert? Die Kindertagesförderung ist eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Deshalb kann seitens der Landesregierung nicht gesagt werden, wie die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe beziehungsweise öffentlichen Träger über Projekte der Leseförderung informieren. Gleiches gilt aufgrund der bestehenden Trägerautonomie nach § 4 Absatz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch für Kindertageseinrichtungen selbst und die dort beschäftigten Fachkräfte. 3. Welche Aktivitäten unternimmt die Landesregierung, um Schulbiblio- theken auf- und auszubauen bzw. Schulen beim Erhalt von Schul- bibliotheken zu unterstützen? Welche weiteren Maßnahmen zum Aufbau eines lesefreundlichen Umfeldes für die Schülerinnen und Schüler werden verfolgt oder unterstützt? Die Landesregierung steht in Kontakt zur Stiftung Lesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1786 3 Das Literaturhaus Rostock organisiert seit sieben Jahren im Rahmen des „Lesetages“ landesweite Aktionen für Schulen wie Vorlesewettbewerbe, Bibliotheksprojekttage, Lesenächte, Autoren- und Buchlesungen. Die Entsprechenden Informationen an die Schulen Werden über das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur herausgegeben. Die Rückmeldungen über die Teilnahme der Schulen an dem Aktionstag werden über das Literaturhaus Rostock wieder an das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur gegeben. Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat die Schirmherrschaft für die Initiative der „Ferienleseclubs“ übernommen. Über die Einbindung in den Unterricht vor und nach den Ferien und das Aufgreifen der Ferienlektüre im schulischen Alltag wird das Lesen nachhaltig gefördert. Partner der Initiative sind die Fachstelle Öffentliche Bibliotheken Mecklenburg- Vorpommern, die Büchereizentrale Schleswig-Holstein und die Nordmetall-Stiftung. In die Rahmenpläne des Faches Deutsch wurde gemäß den Bildungsstandards der Kultus- ministerkonferenz der Bereich der Lesekompetenz implementiert. 4. Wie hoch ist in Mecklenburg-Vorpommern die Analphabetismusrate bei Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren? a) Welche weiteren Erkenntnisse zu Analphabetismus, insbesondere zu seinen Ursachen, liegen der Landesregierung vor? b) Welche Strategien werden verfolgt oder unterstützt, um Analpha- betismus im Erwachsenenalter zu vermeiden? Der Landesregierung liegen keine Daten zur Analphabetismusrate in Mecklenburg- Vorpommern bei Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren vor. Die derzeit umfassendste Datengrundlage zum Thema Analphabetismus in Deutschland liefert die „leo. - Level-One Studie“ der Universität Hamburg. Diese bezieht sich jedoch auf die erwerbsfähige Bevölkerung (18 bis 64 Jahre) im gesamten Bundesgebiet und liefert daher weder spezielle Zahlen für die Altersgruppe zwischen 15 und 18 Jahren noch für das Land Mecklenburg- Vorpommern. Zu a) Bei der Betrachtung des Analphabetismus ist zwischen Analphabetismus im engeren Sinne und dem funktionalen Analphabetismus zu differenzieren. Von Analphabetismus im engeren Sinne wird bei Unterschreiten der Satzebene gesprochen. Das bedeutet, dass eine Person zwar einzelne Wörter lesend verstehen beziehungsweise schreiben kann - nicht jedoch ganze Sätze. Zudem müssen die betroffenen Personen auch gebräuchliche Wörter Buchstabe für Buchstabe zusammensetzen. Drucksache 6/1786 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Von funktionalem Analphabetismus wird bei Unterschreiten der Textebene gesprochen. Das heißt, dass eine Person zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben kann, nicht jedoch zusammenhängende - auch kürzere - Texte. Betroffene Personen sind aufgrund ihrer begrenzten schriftsprachlichen Kompetenzen nicht in der Lage, am gesellschaftlichen Leben in angemessener Form teilzuhaben. Funktionaler Analphabetismus betrifft nach der „leo. - Level-One Studie“ kumuliert mehr als vierzehn Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Das entspricht einer Größenordnung von 7,5 Millionen funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten in Deutschland. Hochge- rechnet auf Mecklenburg-Vorpommern ergibt sich eine Zahl von circa 150.000 Personen. Die Ursachen für funktionalen Analphabetismus liegen im Zusammenspiel einer Vielzahl von individuellen, familiären, schulischen und gesellschaftlichen Faktoren. Aus dem multifakto- riellen Ursachenkomplex können folgende Einflüsse exemplarisch genannt werden: - Negativerfahrungen in Elternhaus und Schule, - Leistungsprobleme in der Schule, Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb, - geringes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, negatives Selbstbild bezüglich der Schrift- sprache, - Diskriminierungserfahrungen im Erwachsenenalter aufgrund von Schriftsprach- unkundigkeit. Zu b) Bund und Länder haben sich im Dezember 2011 über eine gemeinsame nationale Strategie zur Verringerung der Zahl funktionaler Analphabetinnen und Analphabeten verständigt, um die Lese- und Schreibkenntnisse bei Erwachsenen zu verbessern. Zur Ausgestaltung der „Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland 2012 - 2016“ haben sich die Länder per Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. Dezember 2011 zu folgenden Maßnahmen verpflichtet: 1. Die Länder erklären ihre Bereitschaft, sich gemeinsam mit dem Bund und weiteren Paktpartnern aktiv an der Öffentlichkeitsarbeit zur Bekämpfung des funktionalen Analpha- betismus zu beteiligen. Die großen Medienanstalten (Rundfunk, Fernsehen, Verlage) sollen in diesen Prozess ebenso einbezogen werden wie die internetbasierten neuen sozialen Netzwerke. 2. Die Länder setzen sich dafür ein, dass in der ESF (Europäischer Sozialfonds)-Förder- periode 2014 bis 2020 für das Thema Grundbildung eigene Förderbereiche in den Ländern fortgeführt oder neu eingerichtet werden. 3. Die Länder benennen Koordinationsstellen beziehungsweise Ansprechpartner für das Thema Grundbildung in den Ländern. Sie fördern damit den länderinternen und länder- übergreifenden Austausch sowie die Kooperation mit dem Bund, den Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen. 4. Die Länder prüfen, inwieweit vorhandene regionale Netzwerke genutzt werden können, um Schlüsselpersonen und Netzwerkpartner für Fragen der Grundbildung und Alphabe- tisierung zu sensibilisieren und eine langfristige Angebots- und Beteiligungsstruktur mit Blick auf Grundbildung und Alphabetisierung zu etablieren. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1786 5 5. Die Länder begrüßen die Absicht des Bundes, das Programm Bildungsprämie für Grundbildungsangebote zu öffnen. Sie werden in den Ländern die Öffnung vergleichbarer Länderprogramme (Bildungsgutscheine, Bildungsschecks) für Grundbildungsangebote prüfen. 6. Die Länder ergreifen bereits jetzt vielfältige Maßnahmen zur Reduzierung des funktionalen Analphabetismus. Zukünftig werden sie Beispiele guter Praxis verstärkt untereinander austauschen und bestehende Grundbildungsangebote im Rahmen ihrer Möglichkeiten kontinuierlich ausbauen. 7. Die Länder prüfen, die Aufnahme der Themen Alphabetisierung und Grundbildung entsprechend des aktuellen wissenschaftlichen Standes in die jeweiligen Curricula der Lehramtsstudiengänge. 8. Die Länder werden regelmäßig über die im Rahmen des Grundbildungspaktes ergriffenen Maßnahmen berichten. Neben der Umsetzung dieser Strategie unterstützt die Landesregierung die Volkshochschulen bei der Realisierung von Alphabetisierungs- und Grundbildungskursen, da diese circa 90 Prozent des Angebotes an Kursen in diesem Bereich vorhalten. Darüber hinaus fördert die Landesregierung Projekte der Öffentlichkeitsarbeit und der Kursleitendenqualifizierung, die maßgeblich vom Volkshochschulverband Mecklenburg- Vorpommern e. V. durchgeführt werden.