Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 9. Juli 2013 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/1976 6. Wahlperiode 10.07.2013 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Arbeit der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter im Land und ANTWORT der Landesregierung Fall 1: Eine Beschäftigte erkrankt an Krebs. Sie wird behandelt und vom Hausarzt weiter als nicht arbeitsfähig eingestuft. Sie stellt einen Rentenantrag, dessen Bearbeitung mehrere Monate in Anspruch nimmt. Zwischenzeitlich endet die Krankengeld- zahlung und mit dem Krankenunterhalt auch der Versicherungs- schutz. Die Beschäftigte meldet sich bei der Agentur für Arbeit, um Arbeitslosengeldleistungen in Anspruch zu nehmen, da sie vor ihrer Erkrankung mehrjährig versicherungspflichtig beschäf- tigt war. Die Mitarbeiterin der Agentur erklärte sie, trotz der Intervention des Hausarztes und ohne andere Gutachten einzuholen, für arbeitsfähig. Wenn ihr Arbeitgeber keinen Schonplatz bereit- stellen würde, dann würde sie auf Arbeitsangebote anderer Arbeitgeber vermittelt werden. Bis zur Abgabe dieser Erklärung bei der Agentur würden die Leistungszahlungen eingestellt. Fall 2: Ein Lehrling beendet im Juli erfolgreich seine 3-jährige sozial- versicherungspflichtige Ausbildung und bewirbt sich an einer Hochschule des Landes um ein Studium ab 1. September des gleichen Jahres. Mit dieser Information und um Versicherungs- schutz und Anwartschaftszeiten zu sichern, meldet sich der Jugendliche bei der Agentur für Arbeit. Die Agentur prüft die eingereichten Unterlagen und fordert ihn trotz der Glaubhaftmachung, dass er in wenigen (3 bis 4) Wochen ein Studium aufnimmt, auf, sich um Arbeit zu bewerben. Drucksache 6/1976 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Fall 3: Eine Bauingenieurin arbeitet seit 2005 nicht mehr in ihrem Beruf. Sie bezieht seit Jahren Leistungen der Grundsicherung und kümmert sich ehrenamtlich um ältere Menschen. Sie findet Erfüllung in dieser Arbeit und möchte sich gern zur Alten- pflegerin umschulen lassen. Das Jobcenter lehnt ihr Ansinnen mit der Begründung ab, dass sie bereits einen Beruf habe und sie sich auf diesen bewerben solle. 1. Auf Grundlage welcher rechtlichen Bestimmungen und Verfahren kann die Bundesagentur für Arbeit bzw. ein Jobcenter den Gesund- heitszustand einer Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB III bzw. nach dem SGB II bewerten lassen oder selber bewerten? Grundlage für die Tätigkeit des Ärztlichen Dienstes (ÄD) der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Berufspsychologischen Service (BPS) als beratende Fachdienste ist § 32 Sozial- gesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Darüber hinaus wird der Ärztliche Dienst der BA im Rahmen des Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei Beauftragung auch für Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) nach § 44b Absatz 5 SGB II gutachterlich tätig. Die Einschaltung der Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Bewertung des Gesundheitszustandes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit in vielen Phasen des Beratungs- und Integrationsprozesses erforder- lich sein. Eine Einschaltung kommt infrage, wenn - integrationsrelevante Gesundheitsstörungen geltend gemacht oder vermutet werden und - aktuell eine ärztliche Behandlung erfolgt (und damit ärztliche Befundunterlagen verfügbar sind) und - ohne ärztliche Beratung/Begutachtung im Rahmen des Beratungs- und Integrations- prozesses die Zielfestlegung und Erstellung eines Integrationsfahrplans (Leistungsfähigkeit feststellen) nicht möglich sind oder - die gesundheitliche Eignung für einen Zielberuf und für die zum Erreichen des Zielberufs notwendigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen festgestellt werden muss oder - wenn dies zur Klärung von gesundheitlichen Fragestellungen im Rahmen der beruflichen Beratung, Berufswahl und zur (vertieften) Eignungsklärung erforderlich ist oder - wenn die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld zu prüfen sind. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/1976 3 2. Auf Grundlage welcher rechtlichen Bestimmungen und Verfahren kann die Bundesagentur für Arbeit den Gesundheitszustand einer Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB III bzw. nach dem SGB II vom „grünen Tisch aus“ bzw. durch eine Fallmanagerin/einen Fallmanager bzw. Beraterin/Berater bewerten, ohne zusätzliche Gutachten einzuholen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird in Bezug auf die rechtlichen Grundlagen verwiesen. Bei Notwendigkeit wird die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch den Ärztlichen Dienst der BA oder den Berufspsychologischen Service der BA fest- gestellt. Eine persönliche Vorstellung ist nicht in jedem Fall erforderlich. Entscheidungen des ÄD und des BPS der BA können auch nach Aktenlage erfolgen. Integrationsfachkräfte entscheiden nicht eigenständig über den Gesundheitszustand oder die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. 3. Unter welchen Umständen und auf Grundlage welcher rechtlichen Bestimmungen und Verfahren kann die Bundesagentur für Arbeit bzw. ein Jobcenter die Intervention des behandelnden Hausarztes infrage stellen oder völlig ignorieren? Bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch den Ärztlichen Dienst oder den Berufspsychologischen Dienst werden nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit auch die vorliegenden Informationen der behandelnden Ärzte gewürdigt. Je nach zu klärender Fragestellung kann der ÄD beziehungsweise BPS der BA auch zu abweichenden Einschätzungen in seinen Gutachten gelangen. Für den in der Fallgestaltung 1 geschilderten Sachverhalt ist der § 145 SGB III maßgeblich. Die Regelung des § 145 SGB III wird auch als „Nahtlosigkeitsregelung“ bezeichnet. Sie soll verhindern, dass ein Arbeitsloser in Auswirkung des gegliederten Sozialleistungssystems wegen einer mehr als sechsmonatigen Leistungsminderung weder Arbeitslosengeld noch Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält. Solange der Rentenversicherungsträger eine Erwerbsminderung nicht festgestellt hat, fingiert das Gesetz deshalb gesundheitliches Leistungsvermögen des Arbeitslosen. Kommt die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung in Betracht, ist eine agenturärztliche Begutachtung zu veranlassen. Drucksache 6/1976 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 4. Auf Grundlage welcher rechtlichen Bestimmungen oder welcher sonstiger Begründungen wird ein angehender Student, mit einem überschaubaren Zeitraum der Nichtbeschäftigung, in das Vermitt- lungssystem aufgenommen, obwohl dies mehr Aufwand für alle Beteiligten bedeutet als es ernsthaft einen Nutzen bringen kann? In der Fallgestaltung 2 kommen die Regelungen der §§ 136 bis 138 SGB III („Anspruch auf Arbeitslosengeld“, „Anspruchsvoraussetzungen bei Arbeitslosigkeit“ und „Arbeitslosigkeit“) zur Anwendung. Eine Sonderregelung für angehende Studenten ist nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit nicht vorgesehen. 5. Auf Grundlage welcher rechtlichen Bestimmungen oder welcher sonstiger Begründungen kann arbeitswilligen, arbeitsuchenden Frauen und Männern, die sich jahrelang im Leistungsbezug des SGB II befinden und eine im Sinne des Gesetzes (Minderung bzw. völlige Aufhebung des Hilfebedarfes) erfolgversprechende Umschulung in einen Beruf mit Zukunft anstreben, verwehrt werden? Die berufliche Weiterbildung von Leistungsempfängern nach dem SGB II ist im § 16 Absatz 1 SGB II mit Verweis auf die §§ 81 bis 87, 131a und 131b SGB III geregelt. Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist. Bei der Entscheidung über die berufliche Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmern üben die Integrationsfachkräfte der Jobcenter nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit pflichtgemäßes Ermessen unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitsmarktlage aus. 6. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung bezüglich der drei geschilderten Fälle? Eine Prüfung der Einzelfälle sollte vor Ort durch die Agenturen für Arbeit/Jobcenter oder durch die aufsichtsführende Stelle erfolgen. Darüber hinaus sieht die Landesregierung hier keinen Handlungsbedarf.